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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 23.1925

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Heft 9
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Schulz, Richard L. F.: Die internationale Ausstellung der modernen dekorativen Künste in Paris
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https://doi.org/10.11588/diglit.4653#0379

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Da die Einladung nicht erfolgte und vielleicht nicht er-
folgen konnte, ohne daß die französische Regierung sich
selbst desavouieren mußte, die Stimmung aber doch sehr
günstig für eine deutsche Ausstellung in Paris war, wurde
der Plan erwogen, für die deutsche Beteiligung, die dringend
aus wirtschaftlichen Gründen erwünscht war, auf eigene
Faust etwas zu unternehmen. Von solventer privater Seite
wurde versucht, in Paris ein Haus zu kaufen, das man so
umgestalten könnte, um eine Ausstellung der besten Er-
zeugnisse des künstlerischen Handwerks und der Industrie
in Form eines Ladens zu vereinigen. Das Haus wurde ge-
funden in allerbester Lage, in unmittelbarer Nähe der Aus-
stellungspforten. Es wurden noch andere Interessenten für
den Plan gewonnen; aber der Hauptinteressent sprang ab,
wie man sagt, aus Furcht vor seinem eigenen Mut.

Dann kam die Einladung im Januar, die die deutsche
Regierung erwarten konnte, erwartet hatte, die sie ebenso-
gut, um allen Komplikationen aus dem Wege zu gehen, auf
diplomatischem Wege hätte verhindern können, sie sonnte
sich in dem Triumphe und ein sterbendes Kabinett lehnte
die Einladung kurzerhand ab.

Es ist den beteiligten Kreisen des Handwerks und der
Industrie weder die Form der Einladung zugänglich ge-
macht worden, noch hat man sie um ihre Meinungen ge-
fragt; auch hat man ihnen nicht Gründe angegeben, die
sie von dem ablehnenden Beschluß überzeugt hätten.

So muß man annehmen, daß sich Stellen in beratender
Eigenschaft in der Regierung befinden, von denen man nie
eine segensreiche Wirkung verspürt, die aber immer da
sind, wenn es etwas zu verhindern gibt, nur weil ihre Eitel-
keit es nicht verträgt, daß wirtschaftlich interessierte Kreise
ihre Angelegenheiten selbst in die Hand nehmen.

Wie ich bei meiner letzten Anwesenheit in Paris in Er-
fahrung bringen konnte, sind von privater deutscher und
auch französischer Seite den deutschen amtlichen Stellen
Angebote gemacht worden, die Deutschland noch ein Auf-
treten ermöglicht hätten. Diese Angebote sind nicht einmal
an die interessierten Kreise weitergegeben worden. Einige
augenblicklich Herrschende haben sogar gedroht, daß sie jede
offizielle und private Beteiligung zu verhindern wissen würden.

Auf Vorstellungen bei jenen Spitzen unserer Regierung,
die immer Verständnis für die Angelegenheit gezeigt haben,
kam scheinbar nach Rückfrage bei jenen verhindernden un-
bekannten Stellen, ein negativer Bescheid. Die zu hohen
Kosten für die Ausstellung und die Repräsentationskosten
für einen eigenen Reichskommissar könnte sich Deutsch-
land nicht leisten. Wenn man weiß, wie viel Geld der Wirt-
schaft von Staat und Gemeinde abgezapft wird, das selbst
der große fiskalische Magen nicht verbrauchen kann, so
sind diese Gründe nicht stichhaltig. Was den teuren Reichs-
kommissar anbetrifft, so hätten wir auf ihn gern verzichtet.
Die Zeiten der Wermuth, Lewald und Albert sollten end-
gültig vorüber sein; das für solche Herren benötigte Reprä-
sentationsgeld sollte man lieber der Sache zuführen.

Bei einer zusagenden Antwort auf die Pariser Einladung
waren die beteiligten Kreise vollkommen für eine würdige
Vertretung Deutschlands gerüstet, und je kleiner und feiner
die Ausstellung gewesen wäre, je weniger Kosten sie ver-
ursacht hätte, um so mehr Bewunderung hätten sie der
Welt abgerungen für die Leistungsfähigkeit des zu spät ein-
geladenen Deutschland und den Wunsch erregt, seine Werk-
stätten und Industriemusterlager an Ort und Stelle aufzu-
suchen.

Man betrachte dagegen einige selbständige Stückchen
unserer Regierung! Wer kennt Monza bei Mailand? In Monza
hat die deutsche Regierung auf Wunsch der italienischen
eine Beteiligung an der alle zwei Jahre stattfindenden Inter-
nationalen Kunstgewerbeausstellung zugesagt, ohne sich vor-
her genügend über das Interesse der beteiligten Kreise an
diesem Unternehmen zu orientieren. Eine rein politische
Angelegenheit! Auch Monza habe ich im März besucht, die
Deutschen waren schon recht fleißig an der Arbeit und die
Ausstellung verspricht recht ordentlich zu werden. Von dem
Eifer der anderen Nationen war nichts zu spüren, im Gegen-
teil, einige hatten abgesagt, wegen der Beteiligung in Paris;
selbst die werktägigen Kreise der Italiener legen der An-
gelegenheit keine große Bedeutung bei. Den deutschen Aus-
stellern ist auf alle mögliche Weise diese geschäftlich aus-
sichtslose Angelegenheit schmackhaft gemacht worden. Die
Kosten trägt die „arme" deutsche Regierung. Wo Einsicht
und Idealismus bei den deutschen Ausstellern versagten,
sich an der Ausstellung zu beteiligen, hat eine Geldprämie
nachgeholfen. Im Mai wird die Ausstellung in der heißen
Mailänder Ebene eröffnet und in Paris ist die Welt ver-
sammelt.

Im April hat in Mailand die erste Warenmesse statt-
gefunden, eine vorläufig noch ganz unbedeutende Ange-
legenheit. Deutschland war vertreten durch Botschafter, Ge-
neralkonsul und einen Legationsrat als offiziellen Reichs-
kommissar. Was stellte Deutschland aus? Preisfrage! Einen
Pavillon mit Zeppelin- und Rotorschiffmodellen. Auf einer
Messe, wo die Italiener sicher Schuhe, Strümpfe oder sonst
nützliche Dinge erwartet haben.

Auf Veranlassung meiner Freunde und Gesinnungsge-
nossen habe ich diese Pariser Ausstellungsangelegenheit,
wie ich sie mit erlebt habe, geschildert; die Darstellung
bleibt vielleicht nicht ganz ohne Auswirkung. Es wäre not-
wendig, daß sich die Kreise des deutschen Kunsthandwerks
und der Industrie zu einer wirtschaftlichen Organisation zu-
sammenschließen, die bei wichtigen Fragen von der Re-
gierung gehört werden muß; auch müßte bei der Regierung
eine erkenntliche Stelle sein, die für solche Dinge zuständig
und verantwortlich ist.

Wenn die deutsche Regierung sich für die Pariser Aus-
stellung so eingesetzt hätte, wie es dieser wirtschaftlich so
wichtigen Angelegenheit zukäme, hätte sie eine jener poli-
tischen Erfolge zu verzeichnen gehabt, woran sie bisher
noch so arm ist.

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^fieni


 
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