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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 23.1925

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Heft 11
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Wellington, Hubert: Die neueste Malerei in England, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4653#0443

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zu verdecken, waren von großem Reiz und brach-
ten ihm ungeteilten Erfolg. Von dieser Zeit an
beschäftigten ihn hauptsächlich Porträts und die
auf Holz gemalten Bilder, wenn er auch einige
riesige Kartons für dekorative Zwecke schuf, in
denen die heroische Note, Einfachheit und un-
mittelbare Vision eines Masaccio zu finden ist. Seine
besten Porträts zeichnen sich durch ihre glän-
zende Darstellung und durch den scharfen, unbe-
irrbaren Blick aus, mit dem er den Charakter und
das Temperament seines Modells zu erkennen und
wiederzugeben wußte, und dennoch vermochten
sie seinem Lebenswerke kaum einen ästhetischen
Wert zuzufügen. John war für die englische Kunst
gewissermaßen ein Phänomen, wie eine gewaltige
Naturkraft wirkend. Er war es, der bei uns die
Kunst von dem Naturalismus des neunzehnten
Jahrhunderts zu dem Studium der alten Meister
zurückführte, und der es unternahm, romantische
Sujets in monumentaler Auffassung darzustellen.
Er forderte den herrschenden Geschmack und Geist

in jeder Form zum Kampfe heraus, er war robust
und ungezähmt, wo die Ästheten preziös und über-
kultiviert waren; er schuf in reicher Lebensfülle
im Gegensatz zu dem Puritanertum der präraffaeli-
tischen Nachfolgerschaft oder zu der perversen und
exotischen Kunst eines Beardsley. Für die man-
gelnde Plastik und die zurückhaltende Farbengebung
des Whistler-Kultus setzte er seine vollen, festen,
konstruktiv modellierten Formen, mit bestimmten
Konturen, seine starken, warmen Farben ein, und
ihn kümmerten weder die atmosphärischen Wir-
kungen noch die aufgelösten Konturen der Im-
pressionisten. Überblickt man sein Gesamtwerk,
so müßte man meinen, er habe von der modernen
französischen Malerei oder von den europäischen
Kunstbewegungen nichts gewußt. Aber man kommt
zu anderen Schlüssen, wenn man seine Bemühun-
gen um den zeichnerischen Rhythmus und den
Stil der einer bestimmten Zeit entstammenden
Zeichnungen und auf Holz gemalten Bilder be-
achtet, die an Picassos blaue Periode erinnern.

(Fortsetzung folgt.)





JOHN NASH, BAUERNDORF IN BEECKINGHAMSHIRE

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