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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Editor]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 52.1901-1902

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Weese, Artur: Der Landsitz Berlepsch
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https://doi.org/10.11588/diglit.7007#0018

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Der Landsitz Berlepsch.

|0«, (j, Landsitz Berlepsch. Fenstervergitterungen in Schmiedeeisen, ausgeführt von Kiefer & <£o., München. d. w. Gr.)

haben alle Landhäuser, die weder auf die Fluchtlinie
einer Straßenfront, noch auf die Einwände einer
ästhetischen Baukommission Rücksicht zu nehmen haben.
So auch hier. Vor- und rückspringende Balkons und
Erker, Annexe an allen vier Fronten. Die Blauer
des Obergeschosses in Fachwerk init rotgestrichenen
Balken, das Dachgebälke malerisch gruppiert und
vielfach überschnitten von hochaufragenden Giebeln,
und die Dacheindeckung selbst mit alten, schon durch
Wetter und Wind in ehrwürdiger Patina schimmern-
den Biberschwänzen — all das verkündet schon von
weitem, daß hier der Bauherr „von innen heraus"
gebaut hat, bald eine Wand über die Front heraus-
schob, um eilt Zimmer zu erweitern, dort sie wieder
zurückzog, wenn es ihm gut schien, die Reihe der großen
Räume durch einen kleineren zu unterbrechen. -
Wer nun in das paus eintritt, muß sich klar
machen, daß es einen Doppelzweck zu erfüllen hat. Es
ist nicht bloß eine Landvilla für den Sommer, die sich
ein stadtmüder und Erholung suchender Naturfreund
errichtet-hätte. Das paus ist für Sommer und Winter
bestimmt, der definitive Familiensitz eines Mannes,
der auf eigenem Grund und Boden seine besten
Jahre in Arbeit und Behaglichkeit zu verbringen
gedenkt. Es hat deshalb allen Uomfort eines Stadt-

hauses, Eentralheizung und alles, was die Wohnungs-
hygiene erfordert. Aber es mußte auch die großen
Atelierräunte aufnehmen, ausgedehnte Werkstätten
für den Meister und eine ansehnliche Zahl von
Schülern. Bei der Disposition des Grundplanes
galt es also, die einander oft widerstreitenden For-
derungen des Atelierhauses und Familienheims zu
verbinden und doch sauber zwischen ihnen zu schei-
den. Der Meister mußte darauf bedacht sein, vieles
unter ein Dach zu bringen, eine Komplikation der
Aufgabe, die indessen glänzend gelöst ist. Obgleich
nur eine Pforte direkt ins Treppenhaus führt, ist
doch durch eine große Querwand mit Glasthür der
Geschäftsverkehr zu den Ateliers von dem freund-
schaftlichen Aus und Ein zu der Wohnung der
Familie ganz abgetrennt. Und doch ist es wieder eine
Einheit, pat der Besucher erst einmal die hohe, durch
beide Stockwerke aufsteigende, und init einem Hellen
Glasdach geschlossene Diele oder Palle betreten, so ver-
steht er den gesamten Organismus des paufes. Pier,
enthüllt sich fein Eharakter. Es ist gerade so wie beim
Menschen selbst. Erst wenn man ihn kennen gelernt
und seine innere Ordnung begriffen hat, wie sich in
ihm fachmännische Arbeit trennt von der herzeignen
rein persönlichen Anteilnahme an Welt und Leben,
 
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