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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 52.1901-1902

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Weese, Artur: Der Landsitz Berlepsch
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https://doi.org/10.11588/diglit.7007#0021

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Der Landsitz Berlepsch.

(5. Schrank-Arrangement im Bubenzimmer. Dunkel Eiche mit Lärchenfüllungen;
ausgeführt von £. K ritt er, München.

Eindrücke, all das in geschicktem Neben und Nach- j
einander inacht ein Haus erst zur Wohnung. Erst in
unserem Jahrhundert macht das bürgerliche Haus —
ich rede nicht von dem aristokratischen oder gar fürst-
lichen Wohnsitz — solche Ansprüche. Sclbft die geist-
reichsten Zeiten der historischen Stile haben von den:
bürgerlichen Haus eine so reiche Differenzierung nicht
verlangt, und in aristokratischen und fürstlichen pa-
lästen wurden nur die Repräsentationssäle mit einem
bewundernswerten Ideenreichtum ausgestattet, wäh-
rend die wirklichen Wohnräume meist recht stiefmütter-
lich behandelt wurden. Jetzt liegt der Fall umgekehrt.

Alle Liebe und Sorgfalt der Ausschmückung vereinigt
sich in den Zimmern, in denen sich das tägliche
Leben, als der wichtigste Teil des Daseins, abspielt.

Die „gute Stube", der ängstlich gehütete Salon für
Sonntagsbesuch und Festlichkeiten kommen mehr und
mehr in Abnahine. Gerade darin, wie jemand Öen
Alltag vom Festtag in seiner Behausung scheidet
oder miteinander in harmonische Beziehungen bringt,
ist ein gut Stück Lebensphilosophie erkennbar. Streng
genommen, sollte sich jedermann sein Haus selbst
bauen, damit er sich wirklich in seinen vier Wänden
zu Hause fühlt. Dann wird das Haus auch von
seinem Besitzer erzählen, wer er ist. Und baut ein
Künstler, der gewohnt ist, Inhalt und Form zu
identifizieren, so wird das Haus thatsächlich zu einem
Ausdruck feiner künstlerischen Natur. Nur in seltenen
Fällen wird er den letzten Rest seines Wesens geben.

Denn da bei jedem Hausbau reale Bedingungen
verschiedenster Art einschränkend Mitwirken und ein
Hinausffiegen ins Grenzenlose zügeln, so wird der

Psychologe darin ein höchst ori
ginelles Kriterium erkennen und
eine besondere Freude haben,
wenn er etwa die freien Schöpf-
ungen des Meisters, Bilder,
Skulpturen, Musikwerke oder sonst
irgendwelche künstlerischen Ar-
beiten vergleicht mit dein gebun-
denen und bedingten Produkt
seines Wollens, der Art und dem
Ort, wie und wo er wohnt. Als
kluger Menschenkenner wird er
auch wohl beachten, was er etwa
außer seinein Arbeitsmaterial an
Merkwürdigkeiten und Schön-
heiten von wirklichem oder Affek-
tionswerte um sich her verfallt
melt hat.

Das Haus Berlepsch erzählt
viel. Der Charakter des Bauherrn
und die äußeren Umstände habei:
es nicht gestattet, irgendwo sybaritischen Luxus zu ent-
falten. In Material und Stoffei: ist aber gleichwohl
der natürliche und künstlerische Siiili für das Echte
ilirgeilds an der Beschränkung der Mittel gescheitert.
Ein männlicher Erlist, der oft an Strenge und Härte
grenzt, macht sich überall fühlbar, schon weil in

iS. Villa Tobler, Zürich. Trexpeuhausfenster-Vergitterung in
Schmiedeisen; ausgeführt von Kiefer 6c Lo., München.
 
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