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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 52.1901-1902

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Weese, Artur: Der Landsitz Berlepsch
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https://doi.org/10.11588/diglit.7007#0028

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Der Landsitz Berlepsch.

Wanddurchbrechungen auch räum-
lich hergestellt. Bei dem für
Büchereien üblichen Regalsystem
wäre es eine arge Verschwendung
gewesen, die unentbehrlichen
Waudflächen durch große (Öff-
nungen zu verkleinern. Die
Raumwirkung sprach das erste
Wort, und selbst der konservative
Bibliothekar wird sich mit der
Lösung einverstanden erklären
können, wenn er die interessante
und malerisch reiche Gruppierung
der Bücher und mit ihnen alter-
nierend der Bronzen, Gefäße und
Statuetten auf den mächtigen
schränken mit vor- und zurück-
tretenden Podesten und Gestellen
überblickt, die mit dein tiefen
Schwarzbraun der Eichenrahmen
und dem leuchtenden Rot der
Füllungen, mit den kräftigen
Beschlägen dem ganzen Ausbau
einen malerischen Reiz und das
würdevolle Aussehen eines sinn-
reichen, bedeutsamen Unikums
verleihen. Bücherzimmer haben
leicht etwas Monotones und
Drückendes; die in langen Reihen
gleichmäßig ausgestapelte Weis-
heit beengt und drängt sich auf.

Aber der muntere Wechsel ge-
druckter Gelehrsamkeit und schön
geformter Bildwerke belebt und
unterbricht das System, und da
die aufgestapelte Büchermenge
in kleinen, zusammengehörigen
Gruppen paradiert, erkennt das
Auge leicht die innere Grdnung, und indem es sich
an dieser Architektur der goldschimmernden Bücher-
rücken erfreut, leitet es sicher die pand zu den ge-
suchten Büchern, von denen hier ein jedes als guter
Freund und getreuer Lebensgefährte einen Ehrenplatz
erhalten hat. Auch für die Stiche, pandzeichnungen
und Uunstblätter ist in einem kleinen, schmalen Gelaß
um einen einfachen Schreibtisch herum ein besonderer
Studienraum geschaffen, wo die kostbaren Blätter
dem Auge so nahe stehen, als hielte man sie in
der pand.

In alten deutschen Däusern, wo das reichliche
Mahl und der volle Becher feit unserer Väter Zeiten
eine ansehnliche Rolle spielten, ist das Zimmer der
Tafelfreuden mit einer teuren Vertäfelung bis an

Villa Tobler. 5tucco-j)lafoiid im Bibliothek-Vorraum, polychromirt;
ausgeführt von Martin & Co., Zürich. (V25 der wirkt. Gr.)

die Decke hinaus ausgestattet, da der braune polzton
warm, traulich und behaglich wirkt. Berlepsch hat
die alte, gute Litte beibehalten, nur in den Farben
spricht der Mann der neuen Zeit. Ein Helles, an
Mahagoni erinnerndes Rot in prachtvoller Maserung
mit einem Graubraun kontrastiert, klingt in einem
Accord zusammen, der von Lebensfreude schwillt.
Unsere jungen Aünstler würden bei ihrer Vorliebe
für dünne, kalte Lichttöne und der oft schmachtenden
schwächlichen Stimmung in der Farbe nie so viel
Araft verwendet haben. Ich bin der Meinung, daß
Berlepsch danrit über das augenblicklich geltende
Programm weit hinausgegangen ist und mit natür-
licher Treffsicherheit auf die Empfänglichkeit der
Gefunden und Reifen gerechnet hat, die das kränk-

Kunst und Handwerk. 52. )ahrg. Heft
 
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