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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 52.1901-1902

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Bredt, Ernst Wilhelm: Martin Dülfers neuere Bauten
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https://doi.org/10.11588/diglit.7007#0074

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Martin Dülfers neuere Bauten.

Y6. Grabmal Georg Pffchorr von Architekt Martin Dülfer
und Bildhauer Vilh. v. Rümann, München. (tSI5.)

Künstler nichts von Surrogaten, itichts von einer
„Verschönerung" wissen will, die nicht mit dem Gr-
ganismus des Materials oder des gesamten Werkes
innig verwachsen ist.

Wer sich in Martin Dülfers künstlerische
Werke zu vertiefen sucht, wird zu derartigen Erwä-
gungen getrieben. Seine Entwickelung, an die hier
nur flüchtig erinnert werden mag, zeigt, daß der
Wert seines Gewordenseins doch in etwas Anderem
ruht als in Augenfälligem, und gerade fein jüngstes
Werk weift darauf hin, daß der Kernpunkt der
„Materialfrage" sich wesentlich unterscheidet von ihrer
mehr oberflächlichen Behandlung. So trittDülfer, durch
Anderes als feine bisher viel mehr bemerkte — ihn
von anderen Münchener Baukünstlern — trennende
Vorliebe für ein modernisiertes oder verbiedertes
Kouis §eize, als „ein Mann für sich", als einer, der

andere überragt, hervor. Denn die Wahl der formen
kann immer nur höchstens als Accefforium, nicht
als das Ausschlaggebende zur Kenntnis einer künst-
lerischen jDersänlichkeit betrachtet werden, Für mich
tritt, wenn dem auch zunächst die Fassaden des
Kaimsaales wie der „Allgemeinen Zeitung" zu wider-
sprechen scheinen, gerade als Eharakteristikum Dül-
ferscher Bauten trotz übersprudelnder Beredsamkeit
die Lust am präcisen Ausdruck, an eleganter Accura-
teste immer mehr hervor. Man verfolge einmal,
unter Berücksichtigung des verschiedenen Zweckes der
betreffenden Däuser, die Fassaden und die Fenster-
umrahmungen der nacheinander entstandenen Bauten.
Am Kaiserhofbau zu Augsburg (^892/93) sind die
Fenster noch von der belebten, aber elegant-vertikalen
Fassadengliederung umschlossen. Am eleganten Wohn-
haus Liebigsiraße 59 (s893/9^) wie beim einfacheren
Wohnhaus Empfenzeder am Wienerplatz (^89^) tritt
das Knappere iin Ausdruck schon hervor. Beim
Kaimsaal unterbrechen die Fenster des zweiten Stocks
den bunten, breiten, weichen Fries mit absichtlicher
Schärfe. Wie fein gebildet ist die östliche Fassade
durch Verteilung und Behandlung der Fenster.
Immer deutlicher kommt nun in den verschiedenen
Wohnhäusern, die Dülfer in den nächsten Jahren
baute, seine elegante Schärfe zum Ausdruck. Wie
schmuckvoll erscheint das durch Dülfer mngebaute
bfaus Bayerlacher, weit mehr gewiß durch die ent-
sprechenden breiten und langen weißen Linien, die
die Fassade erheben und die Fenster behaglich um-
schließen als durch den übrigen Schmuck. Auch das
lhaus Burger macht durch die vom dunkleren Bewurf
sich scharfkantig abhebenden Umrahmungen der hoch-
gestellten, oblongen Flächen einen ruhig heiteren
Eindruck, der durch den figürlichen Schmuck noch
erhöht wird, aber auch ohne diesen fesselnd genug
wäre. (Vgl. die Abb. 99 — sOch)

Schon bei diesem bsaufe tritt übrigens ein neues,
unser tektonisches Gefühl belebendes Element auf.
Das Untergeschoß tritt durch eine schmale Verdachung
hervor. Das Haus Heller bringt uns noch näher
an den Bau der Allgemeinen Zeitung, fjtcr hat
Martin Dülfer offenbar versucht, die Last der durch
eiserne Schienen getragenen Balkons durch andere
als die uns überkommenen Mittel der Konsolen für
unser Auge auszuheben. Er läßt hier zwar nicht
das in der Tchat tragende Material erkennen, doch
folgt er bereits hier einein weit tiefer gehenden
künstlerischen Drängen unserer Zeit, indem er die
Balkons wie aus der Wand herausgebildet, mit dem
Bau verwachsen, erscheinen läßt. Das Haus dürfte
für Dülfers konsequente Entwickelung, für seine ihm
ganz zu eigen gewordene Art, die vielen den Weg

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