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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 52.1901-1902

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Bredt, Ernst Wilhelm: Martin Dülfers neuere Bauten
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https://doi.org/10.11588/diglit.7007#0077

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Martin Dülfers neuere Bauten.

wo. Methans in München von Architekt Martin Dülfer (wyz/dD-
(Nach einer Federzeichnung in der „Architekt. Rundschau", Iahrg. \<)00.)

bekleidungen undenkbar. Es kann also auch
keine nur schwarzweiße Abbildung das Wesen
der neuen Fassade genügend erklären. Die
Trennung einzelner Stockwerke durch stark rote
Ziegelgesimse, das Leichtererscheinenlassen be-
stimmter Wandflächcn durch weich modellierten
Bewurf oder ein leichtes, lebhaft gefärbtes
oder teilweise vergoldetes Ornament, all' dies
erscheint als ein mit bewußter Sicherheit vom
Architekten erstrebtes und erreichtes, neues, dem
tektonischen Gefühl dienendes Ziel.

Solch zielsicheres Vorwärtsgehen nach
eigenem plane kennzeichnet eine Persönlich-
keit, das Streben nach immer präciserem (Er-
füllen künstlerischer Forderungen kennzeichnet
diejenige Dülfers. Es ist eine Lust, zu beob-
achteil, wie Martin Dülfer immer näher an
fein Ziel gekommen, wie er nicht ruhte, bis
er eine große zeitgeinäße Aufgabe endlich in
schöner Weise gelöst.

Er brauchte es nicht erst seinen Freunden
zu sagen, daß ihn keineswegs „das Streben
nach Pypermodernität um jeden Preis zu der
gefundenen Lösung geführt habe, sondern daß
er von dem Gewohnten abwich in der klaren
Erkenntnis, daß neue Anforderungen und
neue Materiale eben auch neue Ausdrucks-
formen zeitigen". Er hat selbst an alte Ver-
suche erinnert, schwere Wandstächen über
verhältnismäßig schlanken Stützen aufzulösen
(Pal. della Signoria, Palazzo ducale in
Venedig) und auch das starke Zurücktreten
einzelner Fassadenteile zur Unterstützung des
tektonischen Gefühls ist ja nicht neu.

Wie hier alles aber ausgebildet, so viel schwerer
auch die Bedingungen waren als je, muß uns
Martin Dülfers Aunst als eine ungewöhnlich klare,
wegweisende erkennen lassen. Er steht weit über
jener „Moderne", die nur einer Modebefriedigung
gilt, weil eine Lösung, wie er sie hier gegeben, eine
künstlerische Forderung erfüllt, nach der schon viele
vergeblich gestrebt und die für Gegenwart und
Zukunft eine Erlösung von immer stärker hervor-
tretender Disharinonie bedeutet.

Damit ist nicht gesagt, daß die einzelnen Formen,
die er für den Ausdruck gewählt, irgendwie bindend
wären für andere. Wenn auf fo engem Gebiete nur
das Werk vorbildlich sein könnte, so wäre es nicht
bedeutsam. Zch möchte fast glauben, daß Dülfer
selbst bei künftigen ähnlichen Bauten ein anderes,
weniger auffallendes filigranartiges Ornament zur
Auflösung der fchwerlastenden Flächen finden wird
als dieses hier, das dem „großen Maul der Presse",

wie der schalkhafte Aünstler das große Speicherfenster
selbst bezeichnet, schaumartig zu entströmen scheint.
Doch ist nicht zu vergessen, daß hier absichtlich der
Bau auffallend gemacht wurde. Auch wenn andere
vielleicht das Thor höher, vielleicht durch die ent-
sprechende Einziehung des Mezzaningeschoffes noch
zur Passage, gebildet haben möchten — das Ganze
wird dadurch in feinen: Werte nicht beeinflußt. Es
erfreut uns, weil es uns wieder vergegenwärtigt,
wie neu und groß unsere künstlerischen Errungen-
schaften und Ziele gegen andere Zeiten sind, in
denen doch gar große Geister lebten.

Aber wie manche Einzelheit wäre noch zu er-
wähnen. Wie manches könnte Dülfers, in die neu-
werdende Architektur eingreifende, Stellung kenn-
zeichnen. Doch meine ich, werden schon unsere Ab-
bildungen den tiefer Zuschauenden eine solche Fülle
von biographischen Botizen, von künstlerischen Be-
kenntnissen, Hoffnungen und Erfüllungen und wieder

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