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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 52.1901-1902

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Halm, Philipp Maria: Künstlerische Bilderbücher
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https://doi.org/10.11588/diglit.7007#0139

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Künstlerische Bilderbücher.

verwerfen." Nur ganz nebenbei sei gestattet, auch
darauf hinzuweisen, daß Spohrs Urteil Wort für
Wort Geltulig und Richtigkeit behält, wenn wir es
auch auf den literarischen Teil der Kinderbücher
münzen, denn auch hier wuchert neben wirklichen
Blumen und Blüten unzähliges Unkraut.

Den goldenen Mittelweg eingeschlagen, d. h. der
fugend eine angeinessene Kunst hu Bilde gegeben
zu haben, eine Kunst, die gleichermaßen alt wie jung
erfreut, befriedigt und entzückt, dieser Ruhm gebührt
unstreitig den Engländern und zwar für den Wand-
schmuck den Meistern der Fitzroy - pictures mit
peywood Sumner an der Spitze und für das Bilder-
buch dem .großen Reformator Walter Trane, der
vielleicht noch bester wie Tu inner den Nagel auf den
Kopf getroffen hat. Was gab er seinem Kinder-
volke ? Bekannte Märchen in klaren Z e i ch n u n g e n
mit prägnanter Kontur und prächtigem Kolorit,
Wandteppichen in der Wirkung vergleichbar, aber
nicht geleckte glatte Bilder mit einer Unzahl von
farbentönen und farbentönchen —■ wie Konrad
£ange sich so treffend ausdrückt - -, vor deren Über-
fülle man überhaupt keine färbe mehr sah; das
hatten ja bis dahin nicht weniger die englischen wie
französischen und deutschen - - horribile dictu —
Pracht bilderbücher geboten. Unter den Traneschen
Bilderbüchern räume ich in ihrem Wert als Kinder-
bilderbücher den Märchenzeichnungen den Rang vor
den künstlerisch viel höher stehenden, so außerordent-
lich reizvollen Blumenbildern, etwa Flora'sFeast und
A floral fantasy ein. Ich glaube ja, daß die
Phantasie unserer Kleinen mächtig dadurch angeregt
wird, obwohl es dessen für gewöhnlich gar nicht bedarf,
anderseits aber halte ich es auch für entschieden
richtiger und zweckmäßiger, dein Kinde jedwedes
Ding seinem inner» Wesen entsprechend darzustellen.
Wie entzückend, geistreich und treffend auch die Blumen
ich erinnere nur an die weißen Lilien im fest
der flora personifiziert sein mögen in der
Blumenphantasie hat man oft das Gefühl des Ge-
zwungenen - so wird das Kind erst mit sehr ge-
reiftein Blick eineil wirklichen Genuß an ihiieii em-
pfinden. Das gilt in gleicher Weise auch für den
Deutschen Trust Kreidolf, der in manchen seiner
„Blumenmärchen", was Phantasie, Vertiefung und
Empfindung in der Linie anlangt, sein englisches
Vorbild übertrifft, dann für Viktor Rydberg, der
meines Wissens seine liicht weniger schönen Blumen-
bilder für den schwedischen Kronprinzen offenbar
auch unter Tranes Einfiuß schuf; das gilt erst recht
von dem polländer I. G. van Gaspel, der den
Meister des Tourniers der Lilie und Rose (W. Trane)
nur sehr äußerlich verstand und verwässerte.

Das Kind jeden Alters verlangt faßbareres,
Lebendigeres, es will etwas erleben, es fordert pand-
lung und diese voll Klarheit und Wahrheit, wie sie
die Märchenbücher von Walter Trane aussprechen.
Trotz aller ihrer Vorzüge möchte ich dennoch nicht,
daß — wie Wilhelm Spohr ineint — ein Verleger
nochmals eine deutsche Ausgabe unternähme. Es
genügt vollkommen, wenn unsere deutschen Künstler
das Schöne, Gute, Zweckmäßige in Walter Tranes
Bilderbuchkunst erkennen, um dann unter Verzicht
auf allzu ängstliches oder sklavisches Anlehnen den
deutschen Kindern deutsche Kunst zu geben. And
hierzu zeigen sich ja auch schon die besten Ansätze,
zwar noch vereinzelt, aber nicht gerade spärlich.

Neben Walter Trane wird immer der lustige
Randolph Taldecott seinen Namen behalten,
während Kate Green away, die am meisten noch
bei uns Eingang fand, schon sehr erheblich in ihrer
Schätzung gesunken ist. Mich wunderte es sehr, daß
eines ihrer glücklichsten, gefälligsten und am wenigsten
süßlichen Bücher: »Under the window« nicht in der
Wanderausstellung des Deutschen Buchgewerbevereins
zu finden ist.

Den Engländern folgten auf verwandten Pfaden
die Franzosen, aber niemals ohne sich ihrer nationalen
Kunstanschauungen und Kunstsprache zu begeben.
Wer die ersten Bahnbrecher waren, weiß ich nicht;
wer aber die besten unter den fast unzähligen guten
Bilderbüchern dem französischen Volke schenkte, das
läßt sich am besten vielleicht durch die Namen:
Bautet de Monvel, Riviere und Job bezeichnen.
Als ein Grundzug, der fast allen, selbst den weniger
guten französischen Bilderbüchern eignet, möchte ich,
wie ich soeben schon andeutete, das spezifisch fran-
zösische bezeichnen; bei keinem anderen Volke präsen-
tieren sich so klar auf den ersten Blick die Bilder als
Schöpfungen einesteils der französischen Eleganz in
der Zeichnung, anderseits in ihren Themen als echte
Kinder einer fast stets historisch und politisch fühlenden
und in diesem Sinne werkthätig schaffenden Nation.
Das gilt namentlich für Monvel und Job. Besitzer
wir etwa ein Buch wie die ffeanne d’Arc von Monvel
oder Fe Grand Napoleon des petits enfants oder
die geradezu monumentalen Mols historiques de
pays de France von Job? Man bilde sich nur nicht
ein, daß Röchling und Knötel in dem „alten fritz"
und in der „Königin Luise" etwas Gleiches geschaffen
hätten; es sind dies ja gewiß ganz gute und wohl-
gemeinte Bücher, die schon durch das formal deutlich
an ihre Vorbilder Monvel und Job erinnern, aber
im übrigen den Vergleich mit diesen weder in Zeich-
nung und Kolorit, geschweige im Vortrage auszu-
halten vermögen. Die Probe der Monumentalität

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