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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 52.1901-1902

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Chronik des Bayerischen Kunstgewerbevereins
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https://doi.org/10.11588/diglit.7007#0313

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Ehronik des Bayer. Kunstgewerbevereins.

47s. Tapete für Feinbäckerei, Entwurf von Mar Mandl.
(Vs der wirkl. Gr.)

ganzen Längsachse des Baues einer oder mehrere offene lföfe
oder Gärten zu liegen kommen sollten, wobei die ringsum
liegenden eigentlichen Ausstellungsräume teils von außen, teils
von den Lichthöfen beleuchtet wurden. Der rein akademisch
gedachte Vorschlag von ksildebrand, der mehr Kunstaus-
stellungen im Auge hatte, verzichtete ans lsöfe und nahm in
der Mitte durchgehends Gberlichtsale, außen Seitenlichträuine
an; den Vorschlag beherrschte int übrigen der gesunde Grund-
gedanke, daß jeder Saal für sich zugänglich sei, daß man also
nicht gezwungen sei, um einen Saal zu sehen, die anderen zu
durchwandern. Das entgegengesetzte Prinzip verfolgte der Vor-
schlag Petra sch, der gleichfalls auf pöfe verzichtete, aber die
Besucher alle einen und denselben weg durch alle Räume hin-
durchfuhrt. Prof, lhocheder und Pros. Lina». Seidl legten
das kjanptgewicht auf malerische Ausbildung der voffassaden und
Gärten, sowie ans intime Wirkung der ringsherum angeordneten
Gelasse, die stellenweise zu ganzen Wohnungen vereinigt gedacht
waren; die Beleuchtung der letzteren sollte teils von den kföfen,
teils — namentlich in den Obergeschossen - von außen her
erfolgen. Ähnlich verhielt es sich mit dem Vorschlag von
Kronfuß, der in die Mitte des ganzen Baues eine ganze
kleinstädtische Straße legte, deren ksäuser init Lauben, Giebeln,
Erkern geschmückt sind und hinter welchen die Ausstellungs-
einbauten teils auf das über die enge Straße hereindringende,
schon abgeschwächte Licht, teils auf Seitenlicht von außen an-
gewiesen waren.

Die glücklichste Lösung der Beleuchtungsfrage hatte Bau-
amtmann B er tsch geliefert; er sagte sich, daß eine wirklich
gute moderne Ausstellung vor allem dafür sorgen muß, daß
die Geräte u. s. w., die in unsere Wohnungen kommen sollen,
auch in der gleichen Umgebung und in der gleichen Beleuch-
tung ausgestellt werden, wie sie uns im Leben entgegentreten.
Uin dies zu ermöglichen erklärte er den Gittern und Ver-
schalungen der unteren Wandfelder den Krieg; er stellt die
technisch leicht ausführbare Forderung auf, daß die Wände des
Glasxalastes nach Bedarf beseitigt werden. Unter dieser Voraus-
setzung ist es ihm gelungen, nicht nur eine ausreichende Menge
passender Räumlichkeiten zu schassen, sondern auch die Mög-
lichkeit zu bieten, Raumgruxxen zu ganzen Wohnhäusern mit
allem Zubehör zu vereinigen; dnrch Beiziehung des zwischen
Glaspalast und Sofienstraße liegenden Geländes können diese
Pauschen sogar mit künstlerisch ausgestatteten Vorgärten ver-
sehen werden.

Wie alle anderen Vorschläge, so geht auch dieser von der
Annahme aus, daß die jetzigen Einbauten des Glaspalastes
fast völlig beseitigt werden müssen. Bertsch legt in der Mitte
des ganzen Baues einen großen annähernd quadratischen Pos
an, der von einem „Kreuzgang" umgeben ist und im pinter-
grund eine Art Grchesternische besitzt; dieser Pos samt den da-
hinter liegenden Sälen für Malerei und Plastik und mit den
an die Arkaden angeschlossenen Läden, in welchen Metallgerät,
Keramiken, Spitzen, Stickereien rc. verkauft werden sollten, ■—
sollte auch des Abends geöffnet bleiben. An das Vestibül
schließt sich nach Osten hin eine Gruppe von Wohnhäusern,
bis zu der am Ostende liegenden Restauration; diese selbst er-
hält eine Terrasse gegen den tiefer liegenden, langen Gartenhof.
— Auf der Nordseite beansprucht Bertsch' Entwurf den
etwa acht Meter breiten Kiesstreifen des botanischen Gartens,
und er benutzt denselben zur Anlage einer kirchlichen Gruppe
(Dorfkirche, Sakristei nrit Meßgewändern und Altargerät, Grust-
kapelle, Friedhöfchen mit schönen Grabsteinen) und einer Schul-
gruppe. Diese um den östlichen Pos herumliegenden Räume
sind überall von diesem aus direkt zugänglich; ein Durchwandern
anderer Ausstellungsräume ist daher überflüssig.

Ans der Nordseite des Westflügels beginnt die Reihe der
Ausstellungsgegenstände mit dem Postamt, dem sich ein Warte-
saal (vor diesem ein Eisenbahnwagen), ferner Bauernstuben,
Remisen, Ställe u. s. w. anschließen; weiterhin folgen klein-
bürgerliche Wohnungen, häusliche Werkstätten (pandweberei,
Töpferei, Flechterei), ein Goldschmiedsaal (aus der Längsachse
nächst dem Mittelhos), kleinere Restaurationen.

Bertsch faßte bei der Vorführung seines Entwurfes schließ-
lich seine Meinung über die Ausstellung in folgenden Sätzen
zusammen: wenn die im vorliegende:: Projekt enthaltenen
Räume alle gut ausgeführt werden, so ist die Ausstellung
mehr als reichhaltig; lieber nur 20 oder 20 wirklich gute
Räume als no oder 50 mittelmäßige. — Der Glaspalast kann
selbst bei Erfüllung aller notwendigen Forderungen keine ideale
Ausstellung bieten; wir kommen über den provisorischen Eharakter
von Wänden und Decken nicht weg. Der Reiz, der in der
Materialechtheit liegt, fällt zum großen Teil weg und das ist
sehr bedauerlich. — Ferner werden, wenn die Ausstellung
wirklich etwas Neues und Hervorragendes bieten soll, die Kosten
der neuen Einbauten sehr hohe sein — (Bertsch veranschlagt
sie auf rund 500000 M.) —, und es ist wiederum bedauerlich,
wenn diese Kosten nicht für etwas Bleibendes Verwendung
finden.

(Schluß folgt.)

Verantw. Red.: prof. €. <53 me litt. — Herausgegeden vorn Bayer. Runstgewerbeverein. — Druck und Verlag von R. Dldenbourg, München.
 
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