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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 52.1901-1902

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Chronik des Bayer. Kunstgewerbevereins
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https://doi.org/10.11588/diglit.7007#0345

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Lhronik des Bayer. Kunstgewerbevereins.

nur gelingen, wenn demselben ein über die Grenzen sonstiger
großer Veranstaltungen hinausgehender Zuschuß aus öffentlichen
Mitteln gewährt wird.

7. Die Ausstellung soll die Bezeichnung: „Knnstgewerbe-
Ausstellung München 1904" tragen und es soll dem
Lentralcomite nahegelegt werden, den Rahmen der Ausstellung
so zu fassen, daß das einheimische Kunstgewerbe und sein Ein-
fluß in den Nachbargebieten vorwiegend zur Geltung gelangt.

8. Das Lentralcomite soll veranlaßt werden, den Arbeiten
ein Programm zu Grunde zu legen, in welchem die, den be-
sonderen Verhältnissen entspringenden, künstlerischen und prak-
tischen Grundzüge sestgelegt sind. Als Unterlage hierfür diene
der als „Zusatz" hier angefügte Wortlaut.

Als erwünscht wird bezeichnet, einen ksauptzugang durch
den botanischen Garten von Süden her anzulegeu und ab-
gesehen von dem oben unter 2. erwähnten Streifen auch noch
Terrain zum Betriebe einer Gartenrestauration zu erlangen."

Der oben genannte Zusatz lautet:

„Die Ausstellung muß in Gedanken und Ausführung
etwas Hervorragendes und Neues bringen. Denn eine mittel-
mäßige , die Besucher gleichgiltig lassende Ausstellung würde
nur als Beweis für den „Niedergang" Münchens ausgebeutet.

Die Gewähr für ein gutes Gelingen möchte man in der
Erfüllung folgender Forderungen erblicken:

j. Ls ist in erster Linie aus die Güte, riicht
auf den Umfang Gewicht zu legen; lieber nur 20 vor-
zügliche Räume, als 40 mittelmäßige.

2. Es darf nicht wieder ein bloßer Markt, ein Sammel-
surium von Gegenständen werden, die nichts miteinander zu
thun haben: kein planloses, ermüdendes Aneinanderreihen von
Musterzimmern in Kojen; das kann man heute in den Maga-
zinen der großen Städte das ganze Jahr hindurch sehen — oft
sogar viel Besseres.

Räume und Gegenstände sollen vielmehr in der
Gestalt, in dem Zusammenhang und in der Be-
leuchtung vorgesührt werden, wie wir sie im Leben brauchen
und benutzen.

Wir brauchen also Raum gruppen, z. B. Wohnungen
vom Haus des Reichen bis zur Wohnung des Arbeiters u. dergl.

Hierbei wäre die möglichste Betonung des Einfachen
und Schlichten unter Vermeidung alles falschen
Prunkes eine glückliche Signatur des ganzen Unternehmens.
Es gälte den Beweis zu liefern, daß „Schön" und
„Luxus" nicht dasselbe bezeichnen; es gälte zu kämpfen
gegen alle Phrase, dadurch, daß wir streben, „Ein-
fach und Schön" miteinander zu vereinen.

3. Die Ausstellung muß also eine Tendenz haben, sie
soll bildend und geschmackserziehend auf allen möglichen Ge-
bieten des Lebens zu wirken suchen — sie soll damit womöglich
eine Führerin auf Jahre hinaus werden.

Dazu genügt es aber nicht, Räume herzurichten und zu
einer Beschickung einzuladen, sondern es muß von vornherein
fördernd und veranlassend gewirkt werden: Das und das
fehlt uns noch, dieses und jenes Gebiet liegt künstlerisch noch
sehr darnieder; beschäftigt euch damit und bringt uns Besseres.
Es muß also nach einem festen künstlerischen Programm ge-
arbeitet werden.

Auch dies setzt eine gewisse Beschränkung des Umfanges
der Ausstellung voraus."

Im Hinblick auf die oben angeführten „Forderungen"
nahm die Versammlung den Ausschußantrag an:

„Die Generalversammlung beauftragt den
Ausschuß, die organisatorischen Vorarbeiten in

die Hand zu nehmen, wobei die zuversichtliche
Hoffnung ausgesprochen wird, daß sich die oben
angeführten Voraussetzungen erreichen lassen."

Aus der Debatte sind folgende Meinungsäußerungen von
besonderem Interesse. Rich. Riemerschmid meint, daß die
Verhältnisse im Glasxalast nicht gut genug sind, um der für
Jahre hinaus wichtigen Entscheidung einen vollen Erfolg zu
sichern; daß auch wir Fortschritte gemacht haben, könne mit
dem Glaspalast nicht bewiesen werden. Wir dürfen uns nicht
mit der Wahrscheinlichkeit eines Erfolges begnügen, sondern
wir müssen dessen sicher sein. Er halte eine Hinausschiebung
der Ausstellung auf das Jahr *905, in welchem die IX. inter-
nationale Kunstausstellung und die Wanderausstellung der
deutschen Laudwirtschaftsgesellschaft stattfindeu für vorteilhaft,
auch in finanzieller Hinsicht - - und sei der Meinung, man be-
gehe eine Unterlassungssünde, wenn mau nicht den versuch
mache, etwas Besseres als den Glaspalast zu kriegen. Dem
gegenüber spricht Ministerialrat R a u ck die Meinung des Mini-
steriums dahin aus, daß nur wenn der Glaspalast sich als
absolut unbrauchbar erweisen sollte, auf etwas anderes gegriffen
werden könne.

Gemeindebevollmächtigter Wachendorf lenkt die Auf-
merksamkeit auf die Theresieuhöhe, wo für Münchens Ans-
ftellungsunteruehmungen eine breite Grundlage geschaffen werden
könne, unter Benutzung des denr Landwirtschaftlichen Verein
gehörige» Geländes der alten Schießstätte, des daran anstoßen-
den Bavariaparks, sowie der sog. „Pschorrwiese". Die Vorzüge
dieses schönen Platzes erkannten auch Prof. Gabr. v. Seidl
und Prof. v. Thiersch an; letzterer aber meinte, der Kunst-
gewerbeoerein könne mit diesem Projekt nicht den Anfang
machen, zumal da noch zahlreiche Fragen der Erledigung harren.

Rich. Riemerschmid gab sodann eine kurze Erläuterung
der Kohleninsel-Ausstellungsidee. Sie umfasse zunächst zwei
Gebäude, die die Stadt in den nächsten Jahren bauen lassen
müsse: die Fachgewerbeschule und die Versicherungsanstalt, also
dauernde Bauten, deren Räume vor ihrer Verwendung für die
Ausstellung benutzt und durch provisorische Bauten ergänzt
werden könnten.

Hofjuwelier Merk mahnte, nun einmal einen Beschluß
zu fassen. Das auf der Kohleuiusel Angestrebte sei ja das
Beste, was wir wünschen können; jetzt aber seien wir in unseren
Entschließungen nicht ganz frei. Uber die Kohleuiusel stehe
uns kein Dispositionsrecht zu. In finanzieller Hinsicht seien
die Aussichten im Glaspalast immer noch besser. Das Wichtigste
sei, in der breiten Masse Stimmung für das Jnselprojekt zu
machen, dann werde auch oben wieder Stimmung dafür
kommen. Riemerschmid fügte noch bei, daß man, um dieses
Projekt zu retten, klein anfaugen solle, das Weitere werde sich
dann finden; er brachte schließlich folgenden Antrag ein: Sollte
sich wider Erwarten heraus st eilen, daß die ange-
führten Voraussetzungen unerreichbar sind und der
Glaspalast nicht benutzbar ist, so beauftragt die
Generalversammlung den Ausschuß, sofort in gleicher
Weise, wie der Glaspalast untersucht worden ist, die
andere Frage zu untersuchen, inwiefern das Kohlen-
infelprojekt mit einer Ausstellung in Verbindung
gebracht werden kann; er möge in gleicher Weise eine
engere Konkurrenz ausschreiben, der das Projekt I
des Kunstgewerbevereins zu Grunde liegt. Der Antrag
wurde angenommen.

Der vorgerückten Stunde wegen mußte die Beratung der
neuen Hallenbestimmuugeu vertagt werden.

Schluß der Versammlung '/sl Uhr.

verantw. Red.: p)rof. £. Gmelin. — tzerauogegeben vom Bayer. Aunftgewerbeverein. — Druck und Verlag von R Gldenbourg. München.
 
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