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Die Kunde — 4.1936

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Nr. 8/9
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Schlump, Maria: Wepelraut und Tunschere
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https://doi.org/10.11588/diglit.61686#0214

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Wepelraut und Tunschere.
Im Westen Niedersachsens herrscht der Brauch, am 31. Dezember
und am 5. Januar, zur Zeit der Zwölften, die Wepelraut und Tun-
schere auszubringen. Früher wurde die Wepelraut nur am 31. Dezem-
ber, dem Wepelrautabend, die Tunschere aber am 6. Januar, dem
Tunscherenabend, ausgebracht, eine Unterscheidung, die in ihrer' alten
Ursprünglichkeit nur noch an einigen Orten erhalten ist.
Die Wepelraut besteht aus einem Wachholder-, Hülsen- oder Fichten-
zweig, vereinzelt auch aus einem Kohlstrunk. Sie wird verziert mit
Schleifen aus buntem Glanzpapier oder mit Glaskugeln, mit Neujahrs-
kuchen und Aepfeln. Dieser Gleichartigkeit der Wepelraut steht die
Verschiedenartigkeit der Tunschere gegenüber. Es gibt vier Arten der
Tunschere, außerdem noch einige örtliche Besonderheiten, die hier nicht
aufgezählt werden können.
Die Tunschere des Erafelder Kreises (Taf. 43, Abb. 1) ist bekannt
in den Kreisen Bersenbrück und Lingen. Sie besteht aus geweißten
Weidenstäben, von denen mit einem scharfen Messer Fasern abgezogen
werden, die sich krüllen. Sechs bis zehn dieser gekrüllten Weidenstäbe
werden in ein kleines Brettchen gesteckt und bilden ein rundes Gestell
aus Holzwolle, das verziert wird wie eine Wepelraut. Auf die Mitte
der Tunschere heftet man meistens eine Glückwunschkarte oder einen selbst-
verfaßten Brief. Eine zweite Art der Tunfchere (Taf, 43, Abb. 2) kommt
vor im Hümmling, im Emsland, und in Teilen des Oldenburger Lan-
des. Man kann sie zweckmäßig Bogentunschere nennen. Der Fuß der
Tunschere besteht aus einem mit buntem Papier überzogenen Holzbrett,
einem Hellen, verzierten Topf oder einer ausgehöhlten Steckrübe, in
die ein Gesicht gemalt ist, das durch eine Kerze erhellt wird. Ueber
den Fuß werden parallel oder kreuzweise Vogen gezogen aus quirlig
gekrüllten Weidenzweigen. Ein Weidenstab mit lang herabhängenden
Locken ziert die Mitte der Tunschere.
Die Tunscheren der Kirchspiele Löningen und Essen im Olden-
burger Land (Taf. 43) sind so vielseitig, daß es zu weit führen würde
sie zu beschreiben. Einige der Formen schließen sich an die vorher ge-
nannten Tunscheren an, die meisten aber sind ganz selbständig.
Im Saterland und in einigen anliegenden Ortschaften werden Ge-
schenke ausgebracht, die den Namen Tunschere erhalten haben. Meistens
handelt es sich bei diesen Geschenken um Porzellansachen, Töpfe, Kuchen,
Brot und Wein oder sonstige Kleinigkeiten.
Für das Wort Wepelraut gibt es viele Erklärungsversuche. Kuhn
hielt es für ein Diminutiv von got. vaips. Siebs geht von der Form
Werpelraut aus, die im Saterland gebraucht wird und glaubt, daß es
Werfrute zu bedeuten habe. Die Annahme, daß es von Würfelrute
kommen könnte, die leicht entstehen kann durch die Erwähnung Stracker-
jans, daß die Werpelraut in früheren Jahren vielleicht zur Erforschung
der Zukunft diente, weist Siebs mit Recht zurück. Wahrscheinlich stammt

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