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Die Kunde — 4.1936

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Nr. 8/9
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de Bruyn, A. G.: Bauopfer in Häusern
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https://doi.org/10.11588/diglit.61686#0208

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Vauopfer in Hausern.
Es ist nicht ungewöhnlich, Laß man Leim Abbruch alter Häuser
unerwartet auf ein altes Gefäß stößt, das entweder in die Hauswand
eingemauert ist oder sich in der Erde unter der Schwelle befindet. Da
die Bauarbeiter nicht gelernt haben, auf solche Funde zu achten, halten
sie diese meistens für wertlos und werfen sie zu dem übrigen Schutt.
Diese immer wiederkehrenden Funde haben aber schon lange die Auf-
merksamkeit der Wissenschaft wachgerufen, so veröffentlichte bereits im
Januar 1877 Ludwig Hänselmann in Westermanns Monatsheften
einen sehr lesenswerten, mit zahlreichen Bildern versehenen Aufsatz
„Die vergrabenen und eingemauerten Tongeschirre des Mittelalters".
Im allgemeinen erklärt man den diesen zahlreichen Funden zu-
grundeliegenden Brauch als ein Bauopfer, d. h. man nimmt an, daß
früher beim Bau eines Hauses mit Speis oder Trank gefüllte Gefäße
eingemauert wurden, um das Haus und seine Bewohner vor bösen
Geistern zu schützen. Das Haus diente dem Menschen von jeher zum
Schutz; daß er sicher wohne, mußte sein größtes Anliegen sein. Vor
der Gewalt der Natur und der Bosheit der Menschen schützte ihn ein
solider Bau und ein starkes Tor, vor den unholden Geistern mußte
er sich anders schützen. Ueber die Vorstellungen, die man früher
von Geistern hatte, schreibt E. Wenz Z u. a.: „...Die Hauselfen, die
oft unter der Türschwelle wohnen, helfen dem Menschen bei seiner
Arbeit, wenn er sie gut behandelt; tut er ihnen aber ein Leid an, so
rächen sie sich furchtbar..." „... Ist ein Mensch gestorben, so werden
die Fenster geöffnet, damit seine Seele hinausgelangen kann. Alle
Töpfe werden umgestülpt, daß sie nicht hinein schlüpfe." Viele Natur-
völker glauben, umherschweifende unholde Geister in einen Topf bannen
zu können. Zu diesem Zwecke legt man z. V. auf Tenimbar ein Ei und
ein Pisang in ein Gefäß. Dieses läßt man eine geraume Zeit stehen
und nimmt dann an, daß der Geist in ihm zur Ruhe gekommen und
weiterhin unschädlich geworden sei.
Sowohl aus dem, was Wenz über die Seelen Verstorbener erzählt,
wie aus dem eben berichteten Brauch aus Tenimbar kann man aber
schließen, daß es sich hier gar nicht um ein eigentliches Opfer handelt,
selbst dann nicht, wenn man, wie es bisweilen geschieht, Reste von
Eierschalen und dergl. in eingemauerten Töpfen findet, da die Speisen
ja auch dazu benutzt sein können, um die unholden Geister in den
Topf zu bannen. Es kommt mir wahrscheinlich vor, daß der Mensch
nicht nur im Mittelalter, sondern auch in früherer und späterer Zeit
die unholden Geister in einem Topf begraben oder vermauern, sie aber
nicht durch ein Opfer besänftigen wollte. Mit diesem Brauch wird es
dann wie mit vielen anderen gegangen sein, die Ueberzeugung wurde
zur leeren Gewohnheit und mit dem Sinn der Handlung geriet diese
selbst allmählich in Vergessenheit.
Z Die germanische Welt 1923, S. 176 u. 223.

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