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Morgenblatt für gebildete Stände / Kunstblatt — 1818

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https://doi.org/10.11588/diglit.12990#0061
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Nro. 16

Kunst-Blatt.

18 i 8.

Ueber rin Bild aus der Sammlung drs Herrn Se-
nators Brentano und die deutsch-niederländische

Schale. : ,

Worgelesen in demMuseum zu Frankfurt a.M.
den 27. Februar.

(Beschluß.)

Vey dem Anblick von van Dycks Bild kann man das
nämliche sagen, was Correggio von sich sagte. Da ist
nicht die geringste Nachahmung von irgend einer Antike oder
einem andern Vorbilde zu entdecke». Form, Ausdruck und
Faltenwurf sind aus des Künstlers eignem Geiste hervorgc-
gangen; und doch kann dieser Christus neben einem Laokoon
otJeV Apollo, dieser Marienkopf neben einem Niobenkopf,
dieser Johannes neben einem Patroklus, und die Magda-
lena neben einer Artemisia aushalten. Dieses Bild ist der
sprechendste Beweis, was ein deutscher Künstler, auch ohne
die Antiken studirk zu haben, Hervorbringen könne.

Was nun den Vorwurf wegen dem Mangel an lebendi-
ger, wirklicher Schönheit in Deutschland betrifft, diesen will
ich durch die eignen Worte von zween der berühmtesten italieni-
schen Dichter und Schriftsteller widerlegen. Als in den
achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts der Abt Ber-
tola den lieben Rhein hinabfuhr, wurde er von den schö
nen und großen Bildern, welche ihm dieser Fluß bey Bin-
gen, St. Goar und Rolandseck darstellte, so entzückt, daß
er dabey in seiner Reisebeschreibung in folgende Worte aus-
brach: „Welche Mannigfaltigkeit in Größe und Anmuth;
„welche Abwechslung von Wildniß und Anbau; welches ma-
„gischc Farbenspiel in Licht und Schatten fand ich in diesen
„Rheingegenden. Ich glaubte mich bev ihrem Anblick an
„den Lago Maggiore oder den Pausilip versetzt; so sehr be-
„zaubertcn mich diese Bilder." Wenn ferner Petrarka,
obwol er seine Laura im Herzen trug, die lebendigen Schön-
heiten der Rheinbewohner erblickte, ruft er also aus: „Wie
„sehr erstaunte ich, tn diesem Lande, das wir ein barbari-
„sches nennen, so viele Bildung, so biedere Männer, und
„so schöne Weiber gefunden zu haben. Das ganze Ufer
„war mit liebenswürdigen Mädchen besetzt, und Gott! Wel-
„che schöne Gestalten! Welche reizende Gefickter! Welch ein
„niedlicher Anzug. Ein jeder Reisender müsste hier sogleich
„Liebe fühlen, dessen Herz nicht schon anderswo gefesselt
„wäre." —

Letztere Worte wolle» wohl soviel sagen: „Ich würde
„mich hier sogleich verliebt haben, wenn Laura nicht schon
„mein Herz besessen hätte."

- Nach dem offenen Zeugnisse dieser beyden berühmten ita-
lienischen Dichter glaubeich nicht nothig zu haben, über die
körperlichen Gegenstände und Formen der deutschen Kunst
noch etw-s zu sagen; aber auch selbst die geistigen gaben den
Künstlern Stoff genug. Abgesehen von der biblischen Ge-
schichte und griechischen Mythologie, welche auch die Italie-
ner bearbeiteten, bot ihnen die deutsche Geschichte und Ro-
mantik den reichhaltigsten Stoff dar. Die Sagen von Her-
mann und Thusnelda, von Eginhard und Emma, von Fried-
rich dem Schönen und Ludwig dem Baiern, von Wilhelm
Tell und Winkelried rc. haben schon manchen deutschen Pinsel
und Grabstichel beschäftigt. Aber wie viele Gegenstände zu
einer schonen Darstellung liegen noch unbenutzt. Ich selbst
habe mir vom Rheine her vier und zwanzig ganz neue
noch nie bearbeitete Gegenstände für meine rheinische Ge-
schickte entworfen. Und wie viele gibt das übrige Deutsch-
land? Ich wollte daher behaupten, daß eben der Mangel
a» Antiken und griechisch - mythologischen Vorstellungen
die deutschen Kunstwerke so eigen und originell gemacht
habe.

Und nun zu den uns vorliegenden deutsche» Kunstwer-
ken selbst. Wir haben aus der allen mervvingischen Zeit
nichts vorzuzeigen. Die Bilder, welche lch davon in Paris
gesehen habe, sind so unförmlich und grob, daß sie von Wil-
den geformt zn seyn scheinen. Karl der Große stiftete,
so wie in Allem, auch ein? Epocke in der deutsche» Kunst-
geschichte; da er aber öfter in Rom gewesen und auch nach
römischen und griechischen Vorbildern bauen und bilden liesse;
so wurde der deutsche Genius durch ihn mehr von seiner
Originalität ab, als fortgesührt. Dieser Kunstgeschmack
dauerte bis nach der sächsischen Dynastie unter den Ottoncn.
Erst uuter den Hohenstaufen erhob sich auch wieder deutsche
Kunst in Dichtung, Gesang und Form. Die Lieber der
Minnesänger, die Chroniken der Städte, die Münster in
Strasburg und Kölln, die Paläste von Gelnhausen und Kai '
serslautern, und endlich die damit verbhiidenen Steinbilder
und Glas-Mahlereyen sind die sprechendsten Beweise davon.
Darin ist weder eine Nachahmung von Homer oder Vir-
gil, noch eine erborgte Form von Antike», noch eine griechi-
Register
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