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Morgenblatt für gebildete Stände / Kunstblatt — 1818

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https://doi.org/10.11588/diglit.12990#0057
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Nro. iZ

Kunst-Blatt.

18 18.

Ueber ein Bild auk der Sammlung des Herrn Se-
nators Brentano und die venrsch-niederländische
Schule.

Vorgelesen in dcmMuseum zu Frankfurt a.M.
den 27. Februar.

Als ich Jahre iRc6 in dem Museum zu Paris die dort
gerammelten Krmsischatze beiiacriete, schrieb ich folgendes
über die deutsch-niederländische Scv»le: *)

„Die ersten Gegenstände meiner Betrachtung waren
die vielen airen gollnschen Bilder aus der alt - deukichen
Schule, worunter ich aber nichts destoweniger einige fand,
welche alle meine Aufmerksamkeit auf fick zogen, z. B.
Nro. 218. das Urtheil des Kambvses von Claifens; 206
ein SGick von He me link mit inebreren Heiligen; wovon
zwev Lheilc als Thüren gelten, um bas Ganze zu schlief-
sen; Z8Z) eine heilige Familie von Metzvs und 1025)
der Tod des Avonis von Nottenhamwer. Zn diesen
vier Stücken fand ich eine Zeichnung, einen Ausdruck, und
Grazie, welche den früheren Kunstwerken Perugino's
und Rapbael'S gleickkvmmen."

„Von den ersten Versuchen der deutsch-niederländischen
Mahlerep, kam ich auf ihre schönste Stufe, zu den Bildern
von Jordans, Rubens, Rembrand, van Dyck
und van der Werf. Warum ist die Kunst in Europa
nicht auf dem originellen Wege dieser Meister betrieben
worden? Was fehlt B. einigen Werken dieser Schule
an Richtigkeit der Zeichnung, an Adel des Ausdruckes?
Was überirlfft sie an Schönheit des Kolorits? Auch die
Griechen muffle» sich durch die noch ungebahnten Wege des
BnlarchuS und Dadalus durcharbeiten; aber eben darum
kamen sie auf eine so hohe und originelle Stufe."

„Es ist gewiß, daß Rubens der kühnste und wcitum-
sassenöste Mahler der neue» Zeiten war. Er ist ein wah-
rer Shakespeare in Farben. Himmel und Erde, Göt-
ter und Helden. Mensche» und Thiere, Landschaften und
Blumen, sind aus seinem Pinsel Vervörgegangen; und es
ist fast unbegreiflich, wie ein einziger Mensch, nebst andern
noch wichtigen Geschäften, so viele Kunstwerke habe liefern
können. — Dabep welch ein Reichthum in der Komposition!
welch eine Fülle der Gedanken! welch eiue Kühnheit der
Stellungen! welch ein Glanz der Farben! Da ist nichts

*) Historisches Testament, iv Theil. Seile 41 — 45.

gesucht, nichts studiert, alles steht da roll Leben und Kraft
in Natur und Wirklichkeit."

„Daß ihm dabev die Natur das Gefnbl des Schönen
und des Erhabenen nicht versagt habe, beweisen viele seiner
Bilder, z. B. Nro. bog, 504, 505 und 5oü. Die drep
ersten sind aus der Hauptkirche von Antiverpen genommen,
wo sie als Allarblätter prangten. Das Hauptstück stellt die
Abuehmuvg vo,n Kreuze, die beyden Seitenstücke,, Maria
Reinigung und Heimsuchung vor. Gruppnungen und Aus-
druck sind darin mit dem frischesten Farbenspiele verbunden.
Besonders ist der Kopf des heiligen Zacharias ehrwürdig-
schön. Nro. 5oü. ist Christus, seine Wunden dem Tho-
mas zeigend. In diesem Bilde herrscht (der groben Hände
ungeachtet) ein Adel lm Gesichte, welcher den Gemghlden
der Italiener beykowmk."

„Die übrigen Bilder dieses Künstlers, selbst der heilige
Pelrus Nro. 509. welche» ich schon zu Kölln sah, sind
nicht so edel. *) Die meisten bestehen aus verzerrten Stel-
lungen, groben Formen und scheußlichen Vorstellungen.
Das sind keine Heiligen, keine Götter, keine Könige, keine
schöne edle Weiber, sondern grobe Schiffsknechte, anfge-
putzle Bramarbas und gesunde dicke GraSnvmphen."

„Viel reiner und richtiger mahlte va» Dv k. Obwol
auch bev ihm die noch ungebiloete niederländische Schule
hervorblickt, so sind doch seine Stellungen gesitteter, seine
Kompositionen edler uud seine Formen richtiger und schöner.
Unter de» Geschichtsstücken, welche von ihm sich hier vor-
finden, gefielen mir besonders Nro. 258 und 262. Aus
dem erster», welches die Entzückung des heil. Augustins
vorstellt, lacht ein hoher Genius von jugendlicher Schön-
heit. Der heil. Augustin und die übrigen Heiligen sind in
niederländischer Manier und ich möchte fast sagen, Rü-
ben fisch, aber die auf diesem Bilde schwebenden Engel er-
scheinen als liebe bimmlische Kinder, wahre Meisterstücke
in Zeichnung, Ausdruck und Kolorit. Nro. 862 ist im
Ganzen noch edler, als das vorige, komponirt. Es ist die
heilige Jungfrau mit dem kleinen Christus *°<o. Der
Kontrast des göttlichen Kindes mit den betenden Eheleuten,
welche das Bild mahlen liessen, macht eine wunderbare

*) I» der ©ctUerie vom Luxemburg sind noch große Kom-
positionen von Rubens; allein in der griechisch - go-
rdische» Mvlhologic erscheint er eben nicht im schönste»
Lichte.
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