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Morgenblatt für gebildete Stände / Kunstblatt — 1818

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https://doi.org/10.11588/diglit.12990#0070
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Verhältnissen, welche bis Griechen dieser wirklich gran-
diosen Ordnung gaben, die sowol von den römischen, als
den nachfolgenden Baumeistern (bis vor etwa zehn Jah-
ren) ganz verkannt und von Einigen, obgleich mit Unrecht,
für die rohen Anfänge der schonen Architektur betrachtet
und daher verachtet worden ist. So sehr war ehemals der
edle Baustyl der Griechen mißkannt und die Einsichten in
der. schönen Architektur gesunken'.

Auch unsere Vorältern haben in den so äußerst groß-
artig angcvrdncten Innern der Kirchen altdeutscher Bau-
art, worin ein frommes Gemüth von den tiefsten und
höchsten Cmvfindungcn durchdrungen und worin die hohe
Poesie des deutschen Baustyls erkannt wird, das Innere
der christlicden Basiliken, das ist die Eintheilmtg in drey
oder fünf Schiffe», aber auf eine grandiose Art bepbehal-
ten. Mit großem Rechte ist auch das im altdeutschen
Baustyl erbaute Gotteshaus mit einem erstarrten Epos
verglichen und Steffen ö sagt in seiner klassischen Schrift
(diegegenwärtige Zeit): „In den Monumenten der deut-
schen Baukunst liegen alle Elemente der schönsten Zeit, wie
in einer bedeutungsvollen Versteinerung geschlossen; und
am herrlichsten offenbart sich der nationale Sinn in allen
seinen Tiefen durch die deutsche Baukunst."

Die große Wirkung, welche ein edles Gemütst beym
Durchwandeln großer nach altdeutschem Baustyl erbauten
Kirchen empfindet, ist deswegen mächtiger, als beym Be-
schauen der nach andern Bauarten aufgeführten Kirchen,
weil i) diese deutschen Dome sehr hohe Pfeiler und
Sänken enthalten, die an Höhe alle antiken im Innern
der Gebäude gebrauchten Säulen um das Doppelte und
Vierfache übertrcffen; 2) das netzförmige Gewebe der ge-
wölbten Decken viel Abwechselung darbictet, insbesondere
wenn ihre vertieften Felder mit leichte» Wolken bcmahlt
waren; hieraus müsste eine übcrraschenre Täuschung und
Perspektive entstehen! Dagegen bewirken die Balkendecken
einiger christlichen Basiliken zu Rom sowol, als die Tonnen-
gewölbe, ein düsteres und schwerfälliges Ansehen, und ibrc
mit Rosetten und Füllungen bewirkte kleinliche Eintheilung
dient nur zurZerstreuung-, und stößt keine Bewunderung
rin. 3) Nebertrifft das »Innere altderitschcr Kir ben alle
übrigen Einrichtungen dadurch, daß die hohen Säulen-
oder Pfeiler-Hallen eine mannigfaltige Perspektive und
Durchsichten hervorbringen, welches Alles bey dem magi-
schen durch die bemahlcen hohen Fenster eindriugenden Ta-
geslicht noch grandioser erscheint. Diesen Effekt zu ver-
größern gaben die Baumeister dem Cbor mehrere Fenster;
solch verständige Anordnung haben aber die neuen Deko-
rateurs durch hohe Altäre tinb Mausoleen, womit sie dem
Stolz? der Reichen und Vornehmen schmeichelten, leider
-verdorben. - -

Da die innere Einrichtung dieser nach altdeutschem
Baustyl aufgeführtem/ Kirchen vorzüglich dem katholischen
Kultus gemäß ist (zum Evangelisch - Christlichen bedürfen
die Kirchen freylich einer andern Form) so verdient die
Aufgabe: wie man dieselbe mit einem nach dem griechischen
und'römischen Baustyl anzuordnenden L'enßern vereinigen
könne, die Aufmerksamkeit aller gelehrten Baumeister.
Wenn die innere Einrichtung nicht die Gestalt eines
Kreuzes und eine Kuppel erhält, so kann man vor dem
Chor die starken Pfeiler entbehren, und es möchte alsdann
zweckmäßig seyn, zwey oder vier Reihen Säulen zu er-
richten und diese mit Spitzbögen zu überwölben. Man
kann die korinthische oder jonische Ordnung oder auch ein-
fache Blätterkapitäler wählen. In so ferne die im Innern
eines Gebäudes gestellten Säulen stärker, als die inffreyer
Lust stehenden, erscheinen, wiewol sie von gleicher Dicke
sind, und um die Gewölbe so viel als möglich zu erheben
d. i. die Höhe der Kirchen zu vermehren, sollte man die
Höhe der Säulen (die Base, den Schaft und das Kapital)
«in einen bis iz Durchmesser beträchtlicher als gewöhnlich
machen, sie kann daher bey der jonischen Ordnung 10 bis
io| Durchmesser und bey der korinthischen Ordnung 11z
bis 12 betragen. Wählt man andere Kapitaler, welche
große und elnfachgelegte Blätter haben, so kann diese Höhe
noch einen halben Durchmesser mehr ausmachen. Werden
am Mittlern Schiff oder Im Langhause, Pfeiler oder besser
dorische Säulen ron 4) Durchmesser Höhe ohne Basen und
gerieft, gewählt, die man mit Bögen verbiudct, auf wel-
chen die Seitenmanern, worin die Fenster angebracht wer-
den, ruhen; so kann man in den bepden Rebenreihcn die
Säulen noch um einen Durchmesser erhöhen; je nachdem
der Stein hinreichend Festigkeit hat. Im illmer Dom
sind diese Säulen iü Durchmesser hoch und dennoch gewäh-
ren sie für das Auge des Beschauers eine befriedigende An-
sicht. In der Münchner Frauenkirche, worin die frepste»
henden Pfeiler und S.itenmanern die Gewölbe tragen, ver-
hält sich die Dicke derselben zur Höhe wie Eins zu Zwölf.
In der Martinslirche zu Landshut wie Eins zu Fünfzehn.
Das Acußere einer solchen nach den besagten Baustylen an--
zulcgenden Kirche werde mit Säulenhallen der dorischen,
jonischen oder korinthiss en Ordnung, und mit großen und
kräftig prosilirten Pforten und Fenstern verziert. Wird
jene Einrichtung mit dem Langhause gemacht, so kann
man anch die Seiten des Aeußern mit einem Peristyl von
Säulen, wie bey den Tempeln der Griechen schmücken,
und das Chor kann »ach einem Kreisstück gerundet werden;
es wird dann nicht nur allein durch die Fenster, sondern
auch durch eine Lanternc sein Licht erhalten, um heller wie
die übrigen Theile der Kirche zu werden, welches immer
seyn sollte. Dieß ist auch bey den Kirche» nach altdent-»
scher Bauart beobachtet. Damit das Dach nicht so weid
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