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Morgenblatt für gebildete Stände / Kunstblatt — 1818

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https://doi.org/10.11588/diglit.12990#0072
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Morgen gerichtet, damit die ersten Strahlen der Sonne
das Innere der Kirche beleuchten und den Andächtigen an
die Allmacht des Schöpfers erinnern. Dem Langhauseder
Kirchen wurde auch, einer religiösen Idee gemäß, diese
Lage gegeben, denn im Morgen (von Rom genommen)
war unsere heilige christliche Religion entstanden, dort
hatte sich der Heiland für das Wohl des Menschengeschlech-
tes geopfert. Späterhin, als der Glaube schwächer wurde,
und insbesondere nach dem Ende des i6ten Jahrhunderts,
bat man sich wenig um diese Lage und um den edlen Bau-
styl der Kirchen bekümmert. Als in Rom die Architektur von
ihrer Höhe sank, wurden die Gebäude der Schaulust höher
und kostspieliger als die Tempel aufgeführt; so entstanden
Gebäude, welche von der Morgenröthe eines reinen Bau-
styls in Schatten gestellt werden, oder, die bcy den archi-
tektonischen Vorzügen, den Stolz von Roms Beherrschern
beurkunden. Den oben erklärten Baustyl der ältesten
christlichen Kirchen Roms — der sogenannten Basiliken,
kann man also mit Recht den Christlich - Römischen
nennen; nach ihm sind unter andern in und bey Rom
nebst der ältesten Basilica S. Pietro, in den ersten fünf
Jahrhunderten, folgende Kirchen erbaut worden. 8. Agnese
außerhalb den Mauern Roms, Ara-Codi, 8. Croce in

Jcrusalcmme , S- Clemente, Cccilia in Trasteverc, S.
GrUogno, Giovanni in Laterano, S. Lorenzo außerhalb
R0M, Maria maggiore, Maria in Cosmedin , Martinode’
Monti. Maria in Trasteverc, Paolo alle tre fontane, 8.
spirito , Paolo Aemiiio , Sempronio, Porcia, S. Paolo
außerhalb Rom, Pietro in vincoli, S. Prisca. Sabbat,
”S. Sebastian, S. Susanna , S. Bibiana, S- Eusebio , 8 Sa-
bina auf dem Aventin, S. Atanasio di Greci Und Babina.

Aus römischen Tempeln, das ist aus Gebäuden des
antiken römischen Stvls, sind die Kirchen: Ma-
ria de 8ole, Costanza c Anastasio, Lorenzo in Miranda,
Maria in Doraenica della Navicella , Egiziaca , S. Urbana
ober Cafarclla außerhalb Rom, 8. Stefano, Teodoro und
Maria Rotonda oder das Pantheon, »och jetzt das schönste
G bände der Welt gemacht worden. Aus allen diesen Mu-
stern entstand im xv. Jahrhundert der treffliche itali-
sche Ba u sty l, den ich so nenne, weil er iu Italien von
Italiern erfunden und eingeführt ist; er blühte kaum
150 Jahre, als eine große Anzahl von Bildhauern, Mah-
lern und bloßen Dekorateurs, sich die Aufführung der
größten Gebäude aller Act zu verschaffen wusste. Bon den
obengenannten zz christlichen Basiliken wurde der größte
Lhell durch diese Legion sogenannter Architekten, die ihr
Unwesen in Italien vom itzten bis lytcn Jahrhundert trie-
'ben, verunstaltet; in einigen Kirchen lieffen diese Men-
schen die antiken Säulen in Pfeiler einmauern, gebrauch-

ten das jonische Kapitäl zu Basen, und stellten an den Bar
silikcn abgeschmackte Hauptfagaden in dem von ihnen ein-
geführten verdorbenen italienisch enBau styl auf.
Frühere Restaurationen hatten auch bereits am Aeußern
der christlichen Basiliken die Säulen dem damaligen lom-
bardischen und neugriechischen Styl gemäß gemacht. Das
Innere dieser Basiliken wurde endlich durch die Gewinn-
sucht der Künstler und den verdorbenen Geschmack (in der
Architektur) ihrer Beschützer, mit vielen Altären, Ka-
pellen, Grabmälcrn u. dgl. überhäuft, und diese ihre klein,
licheu Dekorationen ahmten einige Bauzeichner, selbst bey
Kirchen-Fanden nach. So hat z. B. das Innere der
Basilika S Paul durch die Aufrichtung des hohen Altars
viel von ihrer Schönheit eingebüßt. In dem Maaße diese
neuen Dekorations - Einrichtungen den reinen Geschmack in
der schönen Architektur untergruben und endlich ganz ver-
drängten, wurde das Innere der Kircken selbst zu einem
Quodlibet von Gentahlden, Schnitzwerken, Pilastern,
Verkröpfungen, Wandfaulen, Säulchen und Statüen,
die neuen Fanden der Kirchen und Paläste wurden mit
doppelten Wandsäulen und Pilastern, mit runden und
durchbrochenen Giebeln und mit Attiken gleichsam bedeckt,
zu den Seiten der Fenster wurden kleine Säulchen und
Pilasterchen cingcschachrelt, hinter Säulen wurden allemal
gegen die Bensplele griechischer und römischer Monumente,
Pilaster (zwischen keniselbcn wohl gar Bogenfenster) ange-
bracht, und cs scheint, daß man in der Ausschweifung,
womit die Gebäude auf diese Weise durch Nebendinge
überladen wurden , das Wesen der schönen Architektur ge-
funden zu haben glaubte. Auf diese Weise wurden große
Summen zu solchen.architektonischen Auswüchsen angewen-
det, so daß man kühn behaupten kann: wie für dieselben
j Gebäude mehr hätten ansgeführt werden können. Lei-
der sehen wir dergleichen Uebertreibungen von unnützen
und gegen den edlen Geschmack anstoßenden Autbaten auch
noch in unfern Tagen häufig, und die Beschützer solcher
Mängel haben keinen Sin» für das Bessere und Edlere,
durch dessen Anwendung die Bauherren Tausende, bey
manchen Bauten Dunderrtausende, ersparen würden.
Zwar kann nicht geläugnet werden, daß die Mahlercv und
Sculptur, durch die häufige Anbringung von Gemäblden
und Skulpturen, sehr gewannen, und diese schönen Künste
große Fortschritte machten. Aber eben so gewiß ist es
auch, daß man sie mit einem edlen Baustvl vereinigen
könne. Die Griechen haben dieß ja mit so gutem Erfolge
gethan, wie ich in meiner zwevten Abhaudlnng, über den
Einfluß der Bauwissenschaftcn, gezeigt habe. Jenem Vcr-
derbniß ging aber die obenerwähnte herrliche Epoche der
Architektur voraus.

(Der Beschluß folgt.)
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