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Morgenblatt für gebildete Stände / Kunstblatt — 1818

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https://doi.org/10.11588/diglit.12990#0074
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aber anstatt ihn zu benutzen und zu erweitern, triumphirte
vom löten bis zu Ende des isten Jahrhunderts in Italien
allein und im übrigen Europa im Gefolge des Französischen
Bau-Stpls, der verdorbene Italienische, dem vor-
züglich die Jesuiten bey ihren zahlreichen Gebäuden huldig-
ten, und den noch gegenwärtig alle diejenigen, welche weder
von der Architektur die ersten Grundsätze kennen, noch Sinn
für edle und große Formen, schöne Verhältnisse und einfache
Verzierungen haben, huldigen.

Endlich brachen die französischen Architekten alle Schran-
ken verständiger Anordnungen bey den Verzierungen durch,
und so entstand bereits im i7ten Jahrhundert der Franzö-
sische Baustpl: der höchste Grad architektonischer Verir-
rung. Nebst allen bep jenem verdorbenen Italienischen
Stvl vorkommenden Mängeln wurden bep ihm noch die Fen-
ster zu nahe gestellt, die Fagaden der Gebäude gleichsam als
Laternen gemacht, in dem Hauptgeschosse erhielten die Fen-
ster eine übertriebene Höhe, in den übrigen Geschossen wa-
ren sie zu klein, vielen gab man eine runde oder ovale Form
und ihre Schlußsteine waren mit Adler, Engelsköxfen, Mu-
scheln und Köpfen von allerhand Thieren belegt; die Einfas-
sung der Fenster wurde größtentheils von einem Bande ge-
macht, und die Verdachungen hatten wenig Ausladung, da-
her das Gebäude charakterlos war. Die Fagaden v brden
in Risalits mit geringem Vorsprung eingetheilt, mit Waf-
fen und Blumenstücken, mit Altanen, Attiken und Ballustra-
den, auf denen man elende Statuen stellte, verunstaltet,und
das Gebäude, zu dem man auf hohen Freptreppen hinaus-
steigen musste, mit einem monströsen Mansard - Dache be-
deckt ; das Innere aber mit vergolde«-» »«,-««»-

den. Nach diese» Französischen Styl ist in Europa eine große
Anzahl von Residenzen, Lustschlössern und Wohngebäuden auf-
geführt; er stimmt mit dem schlechten Geschmack überein, wel-
cher im löten und >7ten und zum Theil im isten Jahrhundert,
in den Kleidungen, in den Gärten und Möbeln, sowie
auch in einem großen Theil von Europa in der Mahlerey
und Skulptur, statt fand; alles dieß steht in Beziehung
auf einander, und ich bin versichert, daß zu eben der Zeit, in
welcher man in der Architektur einen edlern Stvl herrschen sieht,
auch die abgeschmackte französilche Männer-Kleidung mit ei-
ner schicklicher» und schöner» vertauscht werden wird. Es ist»
zwar wahr: daß das Kleid nicht den Mann macke, aber
die Erfahrung aller Zeiten beweist, wie jede von hochherzigen
Gesinnungen beseelte Nation auch eine Nationaltracht gehabt
habe, und diese werden wir Deutsche auch gewiß wieder erhal-
ten, und dai-ch allerley Farben gebraucht werden können.

So fehlerhaft dieser Französische Baustpl in Hinsicht des
Aeußern von den Gebäuden war, so viel Empfehlenswer-
thes hat er für die innere Cintheilnng der Gemächer, und
in dieser Hinsicht verdient diese treffliche Distribution der
Grundrisse und Horizontalschnikte, das Studium der nach dem-
selben aufgefüyrten Gebäude, Diese min mit einem edel»

74

Baustpl zu vereinigen, dieß — sey bep den Entwürfen z»
Palästen, städtischen Wohngebäuden und Landhäusern das
Bestreben der lebenden und künftigen Baukundigen! Unse-
rer Zeit scheint die Auflösung dieses Problems Vorbehalten,
warum sollten sich nicht vorzügliche deutsche Baukundige dir
Beförderung eines grandiosen edeln und den Bedürfnissen
entsprechenden Baustyls angelegen sepn lassen?

Je mehr der Unterricht in der Bau-Wissenschaft verbes-
sert wird, je mehr die reichen und mächtigen Bauherrn auf
gründliche Kenntnisse sehen, und junge Männer von Genie
und Fleiß unterstützen, desto eher werden wir zu diesem
Baustpl gelangen, wovon nicht blos die Regierung, sondern
alle Privaten den größten Vortheil ziehen müssen.

So viel ist gewiß, daß Deutsche bereits vor achthundert
Jahren einen ganz eignen von allen übrigen Bauarten sehr
abweichenden Baustpl erfunden und insbesondere bey Kirchen
angewendet haben, der nachher von allen kultivirten Natio-
nen, seiner großen Wirkung wegen, angenommen wurde.
Es ist derselbe, von dem ich vorne und bep andern Gele-
genheiten gesprochen habe. Einige hocken seine Erfindung
den Visigvthen oder de» Spaniern (die ihn aus der mauri-
schen Architektur abgeleitet haben sollen) bepgemessen. An-
dere schrieben sie den Ostgothen zu, und noch andere glau-
ben sie in Schweden, in der Ktrche von Upsala, gefunden
zu haben, endlich meinen Manche, daß dieser Stpl in Ita-
lien wenig Eingang gefunden habe. Die Untersuchungen,
welche ich über diesen Gegenstand anstellte, widerlegen
diese Meinungen bestimmt und eignen die Erfindung dieser

sogenannten gothischen Archiven,,- v,n Deutschen zu, so daß
vuiut».»’ niu tfijoocn r<uut. ^l tili- ttt

ner Akademischen Rede vom 28sten März (§. Nr. n des
Kunstblattes) habe ich einige Gründe dieser Behauptung
vorgetragen, nebst diesen bin ich aber gegenwärtig durch die
anfänglich erwähnte Untersuchung (von 900 Kirchen) über-
zeug:, und ick werde dieß in der theoretisch-praktisch-bür-
gerlichen Baukunde mit Beweisen belegen , daß dieser Bau-
stpl in Deutschland früher, als in allen übrigen Landern an-
gewendel worden sey. Vor Anstellung jener Untersuchung
glaubte i» schon, daß derselbe bep dem Münster zu Stras-
burg, Frepburg im Breisgau oder bey dem Dom zu Lübeck,
Frankfurt oder zri Naumburg zuerst angewendet worden
sey; jetzt kann ich durch mehrere Gründe, die hier zu viel
Raum einnehmen würden, folgende Data angeben. 1) Ist
der heilige Bernward, Bischof zu Hildesheim, höchst
wahrscheinlich Erfinder der Altdeutschen Bauart;
ihr gemäß ist vor dem Ende des loten Jahrhunderts der
Dom zu Naumburg angefangen, dann folgten ,009 der
Dom zu Minden , 1022 bis 1024 drey Kirchen zu Hildes-
heim, 1040 der Dom zu Goslar, an dem auch der Neu-
griechische Stvl ««getroffen wird, 1054 der Dom zu Hildes-
heim. 1101 der zu Osnabrück, 1171 die Michaelskircke zu
Bamberg, 1:70 der Dom zu Schwerin, zu Brandenburg
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