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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 4.1893

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Jessen, P.: Der kunstgewerbliche Geschmack in England, [2]: das Flachmuster
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https://doi.org/10.11588/diglit.3942#0009

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Abb. 1. Fries, entworfen von W. Crane. (Eigentum von Jeffrey & Cie. in London.)

DER KUNSTGEWERBLICHE GESCHMACK IN ENGLAND.

II. Das Flachmuster.

^OTMM

IE Eigenart des modernen
englischen Kunstgewerbes,
die wir im Junihefte dieser
Zeitschrift darzulegen such-
ten, kommt am entschie-
densten im Flachmuster zur
Geltung. Das ist für uns
^^^^^^^^^^^^^^ Deutsche schwerverständlich.
Wir denken bei dem Worte Kunstgewerbe zuerst an
Möbel oder Bronzen oder Silbergefäße oder Schmiede-
eisen, aber zu allerletzt an die Druck- und Webe-
muster unserer Tapeten, Kattune und Seidenstoffe.
In England dagegen ist der Zeugdruck und mit ihm
der Tapetendruck schon lange hoch entwickelt, und
die führenden Künstler, die Maler und Zeichner,
haben gerade dieser großen Industrie zuerst ihre
Kräfte gewidmet.

Wir haben von Walter Crane und seiner Schule
gesprochen. Zufällig hat dieser vielseitige Mann seit-
dem seine Ansichten in einem besonderen Buche zu-
sammengefasst (The Claims of decorative art, London
1892, Macmillan & Co.) Von den verschiedensten Seiten
beleuchtet er hier das Wesen und die Aussichten der
heutigen dekorativen Kunst, um immer wieder auf
seinen Grundgedanken zurückzukommen: die Dampf-
kraft und der Kapitalismus haben das wahre, traditio-
nelle Kunsthandwerk vernichtet und damit die Kunst
als Ganzes zerrissen; der Handwerker ist Sklave der
Maschine geworden, der Künstler Sklave der Gewinn-
sucht; da die Arbeit nicht in einer Hand liegt, so
ist es kein Wunder, dass kein modernes dekoratives

Kunstgewerbeblatt. N. F. IV.

Kunstwerk

und im geistigen

zugleich in der Form, in der Technik
Gehalt vollendet ist; da nur der
Staffeleimaler sein Bild von Anfang bis zu Ende
fertig mache, so gelte die Thätigkeit des mäßigsten
Pinselers für anständiger und werde höher honorirt
als die schöpferische Arbeit des besten Zeichners oder
das vielseitige Bemühen des selbstthätigen Kunst-
handwerkers, während es doch gerade so menschen-
würdig sei, Muster zu erfinden, als Tiere zu malen
oder zu schießen.

Gegen alle diese Übelstände, die auch anderswo
empfunden werden, weiß der warmherzige Kunst-
freund allerdings nur ein wunderliches Universal-
mittel vorzuschlagen. Er bekennt sich zum unver-
fälschten Sozialismus und verspricht sich von der
sozialdemokratischen Arbeits- und Gesellschaftsord-
nung auch die wahrhaft volkstümliche, einheitliche
Kunst.

Zum Glück wartet Mr. Crane nicht müßig zu,
ob vielleicht seine Ideale auf diesem weiten Um-
wege erreicht werden. Er hat zunächst innerhalb
der bestehenden Industrie das künstlerische Element
zu heben gesucht, indem er selber für den Tapeten-
druck zeichnete und für die bessere Ausbildung
der erfindenden Zeichner sowie ihr Ansehen bei den
Fabrikanten und beim Publikum eintrat. Dazu haben
auch kleinere Ausstellungen gedient (1888 in London,
später auch in Manchester), die in vornehmer Form
eben die künstlerische Seite des Kunstgewerbes dar-
stellten: selbständige Arbeiten, hervorragende Ent-
würfe, ganz besonders die Werke der bedeutenderen

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