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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 4.1893

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Hofmann, Albert: Das nordböhmische Gewerbemuseum in Reichenberg
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https://doi.org/10.11588/diglit.3942#0032

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DAS NORDBÖHMISCHE GEWERBEMUSEUM
IN REICHENBERG.

VON ALBERl HOFMANN-BERLIN.

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IE Wiener Weltausstellung
des Jahres 1873 war für
Österreich sowohl in ge-
werbepolitischer wie in wirt-
schaftlicher Beziehung ein
Wendepunkt. Wohl hatte
das Ausland schon früher
durch seine gewerbepoli-
tischen Maßnahmen ähnliche Maßnahmen in Oster-
reich hervorgerufen, aber insbesondere das Kunst-
gewerbe fand in Osterreich eine. intensivere syste-
matische Förderung auch in der Provinz erst seit
dem Jahre 1873. Nicht nur dass das gewerbliche
Fachschulwesen mehr und mehr ausgebildet und
verzweigt wurde, daneben fast durchgehends das
künstlerische Moment als Basis erhielt, allerorten
insbesondere in den bedeutenderen Industriebezirken
entstanden auch Gewerbemuseen, welche bald nach
ihrer Entstehung formbestimmend in die Produktion
des Bezirkes eingriffen.

Ein solcher Bezirk von höchster gewerblicher
und industrieller Intensität ist der Handelskamraer-
bezirk Reichenberg, der auf einem Gebiete von
12577 qkm und einer Bevölkerungsziffer von
1752753 Seelen 44143 Industrialgewerbe und 34994
Handelsgewerbe, also im ganzen79137 gewerbliche Be-
triebe oder auf 1 qkm 6,3 Betriebe zählt. (Statistischer
Bericht der Reichenberger Handels- und Gewerbe-
kammer 1885.) Das sind Zahlen, welche von nicht
vielen Bezirken übertroffen werden, und es liegt auf
der Hand, dass in Reichenberg, als dem industriellen
Hauptorte des Kammerbezirkes, schon frühe die För-
derung dieser großartigen Industrie wahrgenommen
wurde. Zu den bis in die fünfziger Jahre zurück-

sehenden Lehranstalten trat unmittelbar nach der
Wiener Weltausstellung das Museum, damals vom
Gewerbeverein als „Reichenberger Gewerbemuseum"
auf breitester, das gesamte Gebiet der gewerblichen
Produktion umfassender Basis gegründet und durch
Anschluss einer kunstgewerblichen Zeichen- und
Modellirschule den Bedürfnissen der Industrie weiter
geöffnet.

Bald jedoch erkannte man, dass die Basis eine
zu breite war, und sah den richtigeren Weg in der
Verfolgung nur eines Zieles: der Förderung der
Kunst im Gewerbe. Diese eine Richtung wurde
insbesondere mit aller Entschiedenheit verfolgt, als
sich das Museum im Jahre 1882 vom Gewerbe-
verein der Stadt Reichenberg loslöste, eine selb-
ständige Verwaltung einrichtete und seinem weiteren
Wirkungskreise auch äußerlich durch die Bezeich-
nung „Nordböhmisches Gewerbemuseum" Ausdruck
gab. Damit war eine gesunde Grundlage für eine
stetige, den Bedürfnissen der Industrie entsprechende
Entwicklung geschaffen, deren Direktive durch die
Industrie einerseits und durch das gewerbliche Bil-
dungswesen des Handelskammerbezirkes andererseits
gegeben ist. Es liegt auf der Hand, dass ein solchen
Bedingungen und so gewaltigen Zahlen entsprechendes
Museum nur ein Arbeits-Museum im eminentesten Sinne
des Wortes und nicht etwa ein sogenanntes „wissen-
schaftlich antiquarisch-historisches" Museum sein kann.
In Beziehung auf das gewerbliche Bildungswesen
hat das Museum den Charakter einer Centralstudien-
mittelsammlung für die Staatsgewerbeschule, die
zahlreichen kunstgewerblichen Fachschulen (23), die
Handwerkerschulen, die gewerblichen Fortbildungs-
schulen etc., deren Unterrichtsmaterial es in liberal-
 
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