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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 4.1893

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Kleine Mitteilungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.3942#0023

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Füllung. Holzschnitzerei. Aus dem Bericht des Hamhurger Museums für Kunst und Industrie.

KLEINE MITTEILUNGEN.

BUCHERSCHAU.

x. Volkskunst. In Hamburg erscheinen seit mehr als Jah-
resfrist „Beiträge zu einer Volkskunst", herausgegeben von
0. Schivindrazlieim, deren Absicht es ist, die Bethätigung
des Kunsttriebes auch in den tieferen Schichten des Volkes
zu wecken. Es sind anspruchslos ausgestattete Hefte mit
allerhand Motiven, die sich nicht brüsten, Renaissance oder
Rokoko zu scheinen, sondern unbekümmert um zünftige
Klassifikation das schlicht Gefällige suchen. Man findet
darin einfache Motive für einen unverwöhnten Sinn, aller-
lei Zier werk, bemalte kräftige Möbel, Pflanzenstudien, .Flech-
tereien und Kleinkunst aller Art, wie sie ein leidlich ver-
anlagter Naturbursche, der nicht die Seinpersche hohe Schule
reitet, wohl üben kann. Es ist ein Bildersaal für unbefan-
gene Gemüter und manches darin ausgestreute Samenkorn
mag wohl abseits von der großen Heerstraße lustig keimen
und die Absicht des Herausgebers erfüllen. Ob aber dieses
Unternehmen, das die Kunstübung bei Ungeschulten wecken
soll, erheblichen Einfluss erlangen wird, mag fraglich sein.
Dazu ist von vornherein seine Ausstattung nicht bestechend
genug, und die ganze, an sich ja sehr lobenswerte Idee, un-
versehens die Kunst allenthalben bei den „kleinen Leuten",
bei Handarbeitern, bei Schneidern und Handschuhmachern
einzuschmuggeln, dürfte kaum mehr als ein schönes Projekt
sein. Es ist heutzutage ein eigentümlicher Reiz in allem,
was die Vorsilbe „Volk" trägt: Volkslitteratur, Volkskunst,
Volkstheater, Volksbeglückung. Man berauscht sich manch-
mal geradezu an dieser Silbe und meint damit nicht etwa
das gesamte Volk: dazu gehört ja auch Bismarck, wie er
einmal selbst zum preußischen Abgeordnetenhause sagte,
sondern man meint damit denjenigen Teil des Volkes, der
übrig bleibt, wenn man die Sahne abgeschöpft hat. Man
rechnet keinen Adligen dazu, keinen Kommerzienrat, keinen
Leiter einer größeren Zahl von Menschen und keinen, der
mehr als 3000 M. Einkommen hat. Kurz keinen, der irgend-
wie aus dem Schwärm ragt: also keinen Dichter, keinen
Maler, nicht einmal einen Tenoristen, der übrigens über die
Zumutung, zum Volk zu gehören zu sollen, selber nicht
wenig entrüstet sein würde. Nun ist es aber eine eigene
Sache, dem stumpfer und dumpfer empfindenden Teile des
Volkes eine Volkskunst einzuimpfen, von der Art, wie die
gegenwärtige, die doch immer das Erzeugnis einzelner ist.
Es verhält sich damit wie mit der sogenannten Volkslitte-
ratur. Man hat gut schelten auf die Kolportageromane mit

Unthaten und rohen Spannungseffekten, aber es scheint schier
unmöglich, diese Hintertreppenlektüre zu vertreiben. Die
Leute, welche wirklich verbreitungsfähige Volksschriften schrei -
ben, wie Peter Hebel und Geliert, sind außerordentlich rar.
Gerade die, die sich vorsetzen, etwas fürs „Volk" zu schrei-
ben können es oft am wenigsten. Das „Volk" hat nämlich
eine sehr feine Nase für das, was aus seinem Geiste heraus
geschaffen ist und wendet sich erbarmungslos von allem
weg, was diesen Geist nicht hat. Alles Gequälte, mit unklarer
Volksbegeisterung mühselig kritisch Gebraute fällt aufs Steinige.
"Was dem Volke zusagt, verbreitet sich aber mit großer Ge-
schwindigkeit und hat zwar ein kurzes, aber sehr intensives
Leben. Genau das Gleiche gilt von einer Yoikslcunst. Ist
das Dargebotene der Natur des Volkes, seinem Instinkte
genehm, so wird es sich rasch ausbreiten. Wo nicht —
nicht. Beiträge zur Volkskunst zu liefern ist daher eine
Aufgabe, deren Lösung zu den allerschwierigsten gehört.
Wer sie unternimmt, „verdient für seine Kühnheit schon den
Kranz", den wir denn dem Herausgeber hiermit gespendet
haben wollen.

VEREINE UND MUSEEN.

P. Hamburg. Museum für Kunst und Industrie. Der
Bericht über die Thätigkeit und Entwickelung des Museums
für das Jahr 1S91 steht unter dem Zeichen der Schenkungen.
Von allen Seiten sind dem Institut Kunstgegenstände zuge-
gangen, meist allerersten Ranges. Man scheint in Hamburg
geradezu zu wetteifern, das Museum zu fördern, woran sich
die Bürger anderer Städte ein Beispiel nehmen könnten.
Dabei muss allerdings auch eine gute Portion Glück mit-
spielen, wie denn der Ankauf einer kostbaren Wegdwood-
Vase zur Stiftung des Gegenstückes geführt hat, das in
einem Privathaus verborgen war. Glück gehört auch dazu,
wenn einem Museumsdirektor ein Buchrelief von Hans'Kels
von seinem Sohn ins Haus gebracht wird: das mag wohl in
der Geschichte der Museen einzig dastehen. Gelegentlich des
Übergangs der bekannten Sammlung F. Falcke in London
in den Besitz des Hamburger Hrn. Alfred Beit flössen dem
Museum zwei Stücke allerersten Ranges zu: ein italienischer
Lederhelm des 16. Jahrhunderts und eine sog. Betnuß in Dop-
pelkapsel; besondere kostbare Stücke konnten aus alten und
neuen Vermächtnissen angekauft werden und Einzelschen-
kungen von Kunstwerken aus Privatbesitz gingen reichlich
zu. Als wichtigste Zuwendung an das Museum aber ist ohne
Zweifel der Überschuss der Ausstellung von 1889 im Betrag


 
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