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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 4.1893

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Jessen, P.: Der kunstgewerbliche Geschmack in England, [2]: das Flachmuster
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https://doi.org/10.11588/diglit.3942#0014

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G

DER KUNSTGEWERBLICHE GESCHMACK IN ENGLAND.

hat. Ein ordentlicher Zeichner müsse seinen eigenen
Garten haben, sagt man; die besseren besitzen ein
eigenes Gewächshaus. Man geht der Natur unmittel-
bar zu Leibe; man verspricht sich nicht viel von
theoretischen Studien, verbietet sogar, die Natur-
formen mit Zirkel und Lineal zu schematisiren, und
verlangt auch von den Lehrern, dass sie das freie
Naturzeichnen stets parallel mit der ornamentalen
Verwertung üben. Auf diesem Studium baut sich
der neue Stil des englischen Flachmusters auf.

Die Schöpfer dieses neuen Stils waren aber nicht
die Professoren,

sondern jene
Gruppe unab-
hängiger Künst-
ler, die wir schon
früher nannten.

Voran neben
Walter Crane der
geistesverwandte
William Morris,
der mit einem
Kunstgenossen
die Firma Morris
& Co. gründete,
die führende An-
stalt für den

künstlerischen
Zeug- und Ta-
petendruck.
Nach und nach
haben die mei-
sten großen Fa-
brikanten der Ge-
schmacksreform
Rechnung ge-
tragen , so dass
heute die eng-
lischen Kattune,

Cretonnes, gepressten Plüsch- und Sammetstoffe und
Tapeten ein sehr mannigfaches Bild bieten.

Man sagt, dass England mehr Kattun fabrizirt
als alle übrigen Nationen zusammen; es hat ja vor
allem den großen Bedarf Indiens zu decken. Für
Europa kommen künstlerisch nicht nur die Kleider-
stoffe, sondern besonders die Stoffe für Möbel, Vor-
hänge und Wandbekleidungen in Betracht. Hierin
fertigen, um nur einige Namen zu nennen, neben
Morris & Co. z. B. die bekannten Dekorateure Collin-
son & Lock anziehende Streublumenmuster mit An-
klang an indische Vorbilder, die Firma Hindley mehr

naturalistische Motive, Turnbull & Stockdale beson-
ders die schönen, dichtgefüllten Pflanzenmuster, wie
sie Lewis F. Day u. a. zeichnen. Im Tapetendruck
zählen zu den ersten Firmen (wieder neben Morris &Co.)
Jeffrey & Co. (Vgl. Abb. 5, die künstlerisches Eigen-
tum von Jeffrey & Co. ist), Ch. Knowles & Co.,
Essex & Co. u. a.; hier sucht man sich nicht auf den
billigeren Walzendruck (roll-printing) zu beschränken,
sondern stellt die kostbarsten Muster mittelst des
mühsamen Handdrucks (block-printing) her. Imitirte
Ledertapeten in Reliefdruck mit reicher Vergoldung

hat besonders W.
Crane mehrfach
gezeichnet. Auch
für das Linoleum
hat man schon
den neuen Ge-
schmack verwer-
tet. Für die
Musterung des
gepressten Sam-
mets zeichnen
sich wiederum
Morris &Co. und
daneben beson-
ders Thomas
Wardle aus; doch
beklagt man es,
dass diese Stoffe
jetzt für Kleider
wenig in der
Mode sind. Die

Seidenmalerei
hält sich auch
heute noch gern
langge-

an die

übte Tradition
des Rokoko und
des Louis-Seize.
Dagegen ist die Stickerei, welche seit 1872 besonders
in der Royal School of Art Needlework in South
Kensington künstlerisch gepflegt wurde und sich
zunächst im neugotischen Stil bewegte, neuer-
dings der modernsten Richtung mehr und mehr
gefolgt.

Wir wollen jetzt versuchen, die wesentlichen
Grundsätze dieses modernen Flachmusters in aller
Kürze darzulegen.

Seine Vielseitigkeit kann durch die Abbil-
dungen nur sehr unvollkommen deutlich werden,
obwohl wir ein Tapetenmuster auch farbig wieder-

Abb. 6. Gepresster Sammet, von TH. Wardle.
 
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