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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 4.1893

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Jessen, P.: Der kunstgewerbliche Geschmack in England, [2]: das Flachmuster
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https://doi.org/10.11588/diglit.3942#0015

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DER KUNSTGEWERBLICHE GESCHMACK IN ENGLAND.

geben können1). (Vgl. die Tafel.) Man wird
weitere bezeichnende Beispiele besonders in den
genannten "Werken von L. F. Day finden. (Vgl.
Abb. 7.) Die erste Bedingung liegt nabe: Das
Muster muss mit dem Grunde harmoniren, be-
sonders bei den Tapeten, die ja meist als Hintergrund
für Bilder u. a. bestimmt sind und der ruhigen Wir-
kung besonders bedürfen. Hier thäte oft eine ein-
farbige, ungemusterte Fläche die besten Dienste, wenn
sie nicht so empfindlich
gegen jede Beschä-
digung wäre. Daher
wird die Fläche am ein-
fachsten durch ein Mu-
ster gebrochen, das nur
aus einer oder mehreren

Schattirungen
des Grundtones besteht.
Wenn mehr Farben
zulässig sind, so liebt
man es, zunächst die
Umrisslinien der Zeich-
nung mit einer dunk-
leren Farbe herauszu-
heben, besonders wenn
das Muster hell auf
hellem Grunde steht;
weiter werden dann
Massen von kräftigeren
Farben eingefügt, rich-
tig verteilt und natür-
lich harmonisch zu den
Grundfarben. Wenn der
Grund, der etwa zwi-
schen dem Hauptmuster
frei bleibt, durch ein
kleineres Muster über-
druckt werden soll, so
sucht man es möglichst
in Zusammenhang mit
dem Hauptmuster zu
bringen und etwa die-
selben Motive verkleinert zu wählen. Am liebsten
soll das Hauptmuster in dichter, reicher Zeich-
nung die ganze Fläche decken. Die Hauptsache
ist, dass es nie herausspringe und sich hart vom

Abb. 7. • Flachmuster von L. F. Day. (Aus : Nature in Ornament.)

1) Mit freundlicher Erlaubnis des Fabrikanten und
durch gütige Vermittlung der Tapetenfabrik von Gebrüder
Hildebrandt in Berlin, welche eine große Auswahl guter
englischer Muster auf Lager führt.

Grunde absetze; vor allem darf es keine auffälligen
Streifen oder scharfe diagonale Achsen bilden,
wozu die mittelalterlichen Stoffmuster so leicht ver-
führen. Man erinnert daran, wie ärgerlich es z. B.
im Schlafzimmer oder für einen Kranken sei, die
zackigen Irrgänge dieser Rautenmuster wie ein
unlösbares Rechenexempel wieder und wieder ver-
folgen zu müssen. Das Muster darf eben nicht auf-
dringlich sein.

Der Hauptunter-
schied der englischen
Tapetenmuster gegen
die unserigen ist, dass
bei uns seit Beginn un-
serer Geschmacksreform
die Theoretiker und
Historiker erzählt ha-
ben, die Papiertapete sei
nur ein Ersatz für kost-
barere Wandbeklei-
dungsstoffe, für Damast
oder Sammet oder Go-
belins, und die Tape-
tenmuster müssten dies
ausdrücken, d. h. jene
Stoffe möglichst nach-
ahmen. Unseren Tape-
tenzeichnern schweben
daher immer ältere
Webemuster vor, an-
fangs die schönen Stoffe
aus Orient, Mittelalter
oder guter Renaissance
bald auch die kompli-
cirteren Formen des
Barock und Rokoko. Der
heutige Engländer ver-
langt genau das Gegen-
teil. Er verurteilt jeden
Nachahmungsversuch
als „sham",alsSurrogat;
er will weder Holz-
und Marmortapeten noch Stoffmustertapeten, noch
auch die albernen Imitationen von Sammet oder gar
„Cheviot": für die eigenartige Technik der gedruck-
ten Papiertapete, das „papier peint", will er auch
einen eigenen Stil.

Daher ist es verpönt, durch horizontale
Schraffirung oder abgetreppte Umrisse den Eindruck
eines gewebten Stoffes anzustreben; deshalb auch
gilt das Gold, das Surrogat des Goldbrokats, in der
 
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