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DER KUNSTGEWERBLICHE GESCHMACK IN ENGLAND.
Tapete nicht als fein.1) Für diesen eigenartigen
Flachmusterstil der bedruckten Baumwollen oder
Papiere haben nun die führenden Erfinder auch
eigenartige Motive gefunden, die Pflanzenwelt.
Da man, wie oben ausgeführt, die Natur allge-
mein als die Hauptquelle der Zierformen anerkannt
hat, so ist die prinzipielle Frage nur: Wo ist die
Grenze zwischen der natürlichen Freiheit und den
tektonischen Ansprüchen der Zeichnung?
Dass man dieses Kompromiss auf verschiedene
Art schließen könne, wird zugegeben; man lässt
verschiedene Stufen des Naturornaments gelten. Aber
Hindernis, sondern vielmehr ein neuer Antrieb für
die Erfindung sein.
Bei wiederkehrenden Mustern kann sich die
Struktur, das Gerüst, gerne scheinbar unter dem
ornamentalen Schmuck verbergen, aber ein Gerippe
muss vorhanden sein. „Das Flachmuster gehört zu
den Wesen mit festem Rückgrat, zur Klasse der
Wirbeltiere", sagt ein Autor. „Das Ziel sollte sein,
die Klarheit des Grundgerüstes zu vereinigen mit
dem geheimnisvollen Reize, der in der Fülle des
Details liegt." Die englischen Zeichner verstehen es
meisterhaft, die technisch vorgeschriebene recht-
Abb. 8. Gruppe von Majoliken von De Mokgan.
die allgemeinen Grundsätze aller Dekoration will
man durchaus gewahrt wissen: das Ornament soll
sich der Stelle, an der es verwendet wird, und der
Technik des Stoffes anpassen; es soll im Verhältnis
stehen zur Umgebung und in sich selbst; es soll
gefällig sein in Form und Farbe und soll möglichst
auch einen sinnvollen Bezug haben. Die Beschrän-
kungen', welche das Material auferlegt, sollen kein
1) Ober den Unterschied der deutschen und der englisch-
amerikanischen Tapete vergl. das fachmännische Urj^il von
E. Graul, Kunstgewerbeblatt I, 171 und II, 25.
winklige Grundlage ihrer Muster vergessen zu ma-
chen ; dem praktischen Zeichner empfiehlt Day, beim
Entwerfen die Rautenform (das übereck gestellte
Viereck) zu Grunde zu legen. Übrigens haben die
Engländer das eigentümliche Flachornament der
Japaner, das bei uns noch wenig bekannt ist, mit
gutem Nutzen studirt und namentlich in den kleinen
Druckmustern der Fayencen und des Porzellans ge-
fällig verwendet.
Jedenfalls gilt es als zweifellos, dass man eine
Naturstudie nie ohne weiteres als Muster gebrauchen
kann. Man soll im Muster keine Imitation der Natur