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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 4.1893

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Kleine Mitteilungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.3942#0063

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KLEINE MITTEILUNGEN.

Kunstgegenständen aus Elfenbein, allerdings meistens nach
England und Amerika verkauft, aber, einige wenige große
Firmen abgerechnet, liegt das Geschäft und fast ausschließ-
lich der Verdienst in den Händen der Zwischenhändler. Der
eigentliche Verfertiger, der Künstler bleibt meistens hinter
den Koulissen verborgen und muss sich in vielen Fällen mit
einem äußerst kärglichen Lohn begnügen. Um in dieser
Hinsicht Änderung zu schaffen, um die Elfenbeinindustrie in
Deutschland zu heben, ihr Anregung zu geben, hatte es die
Direktion des Königl. Kunstgewerbemuseums zu Dresden
unternommen — wie wir bereits kurz berichteten — vom
9. Oktober bis mit 4. Dezember d. J. eine Elfenbeinaus-
stellung in ihren Räumen zu veranstalten. Die Gesichts-
punkte, welche für die Leiter der Ausstellung hierbei maß-
gebend waren, lassen sich in folgenden Sätzen zusammen-
fassen. Es galt hierbei zunächst eine Anzahl vorzüglicher
Kunstschöpfungen früherer Zeiten einmal unsern heutigen
Elfenbeinschneidern als belehrende Beispiele vorzuführen.
Sodann die fast verschwundene Liebhaberei des Publikums
für Elfenbeinarbeiten wieder zu frischem Leben zu entfachen.
Ferner die trefflichen, vielfach noch ungekannten Leistungen
unserer Zeit auf diesem Gebiete weiteren Kreisen vor Augen
zu führen und endlich bei Bearbeitung dieses edlen Materials
durch neue seiner Eigenart angepasste Verwendungen der
Industrie vermehrte Absatzgebiete zu eröffnen. Es fällt dem-
gemäß die Ausstellung in eine historische und eine moderne
Abteilung. Beide sind in ihrer Art trefflich beschickt, wenn
auch die erstere, mit der wir es hier allein zu thun haben,
sich aus leicht ersichtlichen Gründen zum größten Teil aus
dem Königreich Sachsen zusammensetzte. Das Interesse,
welches das Publikum dem Unternehmen entgegenbringt, ist
ein großes. Der Besuch der Ausstellung hat die kühnsten
Erwartungen der Leiter bei weitem übertroffen. Das Mittel-
alter ist, wenn auch nur durch einige wenige Arbeiten, doch
immerhin gut vertreten. An erster Stelle müssen hier ge-
nannt werden zwei byzantinische Diptychen von ganz her-
vorragender Schönheit, beide der Stadtbibliothek zu Leipzig
gehörig. Das eine, welches in eine mächtige Eichenholztafel,
die als Decke eines Evangeliariums aus dem 10. Jahrh. dient,
eingelassen ist, stellt die Gottesmutter im Brustbild, das
Jesuskind auf dem Schöße haltend, in einer von prächtigen,
durchbrochenen Säulen getragenen Bogennische dar. Die
faltenreichen Gewänder, die mandelförmigen Augen, über-
haupt die ganze Behandlung der Köpfe, die eigenartige
architektonische Umrahmung, verbunden mit der Höhung
durch Gold in den Heiligenscheinen, in den Gewändern und
in den Säulen, dies alles zeigt recht deutlich die charakte-
ristischen Merkmale des späteren byzantinischen Stiles. Etwas,
wenn auch nicht viel später ist wohl die zweite schmale,
lange Elfenbeintafel anzusetzen, auf der in gleichfalls außer-
ordentlich charakteristischer Behandlung der mit Schild und
Lanze bewehrte Erzengel Michael als Besieger des Drachens
dargestellt ist. Der romanischen Periode gehört ein im Be-
sitze des Kunstgewerbemuseums zu Dresden befindliches
Diptychon an, das entweder als Altärchen oder — der ur-
sprünglichen Bedeutung mehr angemessen — als Schmuck
eines Einbanddeckels gedient haben mag. Dies kleine, außer-
ordentlich fein gestaltete Kunstwerk, das wir wohl in die
erste Hälfte des 12. Jahrhunderts zu setzen haben, zeigt
Christus „sub draconem et leonem", in der einen Hand den
Kreuzstab, in der andern die heilige Schrift haltend. Aus
etwa der gleichen Zeit stammt eine, vor einigen Jahren in
Leipzig ausgegrabene Siegelkapsel (Besitz des Herrn Anders,
Leipzig), welche einen trefflich stilisirten Löwen, bei dem
ehemals wahrscheinlich die Augen durch eingesetzte Glas-

stücke hervorgehoben waren, zeigt. Hierher gehört endlich
eine Schachfigur, die die Deutsche Gesellschaft in Leipzig zur
Ausstellung gesandt hatte. Dargestellt ist hier in der be-
kannten Weise ein thronender Bischof von 2 Ministranten
umgeben. Solche, verhältnismäßig große Figuren wurden
früher an Stelle unserer Läufer verwandt. Als Besonder-
heit will ich erwähnen, dass hier das Material nicht das
eigentliche Elfenbein, sondern Walrosszahn ist. Aus der
gotischen Periode finden wir wieder mehrere Diptychen
(Deutsche Gesellschaft und von Mansberg, Dresden), von denen
einzelne noch die alte, überaus reizvolle farbige Behandlung
zeigen, und endlich einen kleinen, doppelflügigen Reisealtar
(Triptychon), auf dem Mittelbild eine Kreuzigung Christi,
auf den Flügeln Petrus und Andreas zeigend (von Gagern,
Neuenburg). Die großen Entdeckungen zur See und die da-
durch bewirkte leichtere Erlangung von Elfenbein hat es
wohl vorzugsweise bewirkt, dass die Renaissance mehr noch
als die früheren Perioden dies Material in der mannigfaltigsten
Weise verwertet hat, wobei indessen die kirchlichen Geräte
gegen die profanen mehr in den Hintergrund traten. Natur-
gemäß finden wir auch auf der Ausstellung die Arbeiten von
der Renaissance an bedeutend zahlreicher vertreten. Rund-
figuren, Reliefs, Pokale und die verschiedensten Geräte, ge-
schnitzte, gedrehte und gravirte Arbeiten wechseln in bunter
Reihenfolge miteinander ab. Es ist bekannt, dass mit dem
Beginn der Renaissance das Elfenbein auch in einer neuen
Art und zwar zur Belebung von Holzflächen an Schränken,
Waffen und ähnlichem mehr verwandt wurde, als Intarsia,
eine Technik, die wohl von Indien und Persien nach Italien
und Spanien, dann aber auch nach Deutschland und Frank-
reich gebracht worden war. Auch hierfür bot die Aus-
stellung eine stattliche Anzahl schöner Beispiele (S. K. Hoheit
Prinz Georg, von Mansberg, Hauschild in Dresden etc.). Die
Art, wie man hierbei vielfach in Spanien verfahren ist, näm-
lich Elfenbein in Verbindung mit Perlmutter in Schildpatt-
fournier einzulegen, davon zeugten die der Sammlung Ulrici,
Dresden, entnommenen Schränke und Bilderrahmen. Aus dem
17. Jahrhundert, für Deutschland die eigentliche Blütezeit
der Elfenbeinschnitzerei und -Dreherei, stammte eine Fülle
hervorragender Werke. Hier müssen an erster Stelle zwei
Werke Balthasar Permoser's genannt werden. Das eine ist
ein der Jakobigemeinde zu Freiberg gehöriges Kruzifix, bei
dem eine großartige Milde in der Autfassung mit einer
staunenswerten Beherrschung der menschlichen Formen und
natürlich auch der technischen Behandlung verbunden ist.
Das andere ist eine Komposition von größerem Umfange, aus
dem Besitze der Stadtbibliothek zu Leipzig. Christus am
Kreuze mit mächtigem Strahlennimbus, von einem Kranze
reizend gestalteter Engel und Engelsköpfe umgeben, ist
hier dargestellt als Überwinder von Welt und Tod, von dem
Dämon der Hölle und der fleischlichen Lust, in deren Be-
gleitung sich der Jähzorn, die Eitelkeit und die Wollust
befinden. Kaum minder großartig in der Auffassung und in
dem Verständnis des menschlichen Körpers sind zwei Kunst-
werke aus dem Besitze des Kunstgewerbemuseums zu Leipzig,
von denen wir leider den Verfertiger nicht kennen. Es sind
dies Christus an der Martersäule und der heilige Sebastian,
Figuren, welche auf ehemaligen kleinen Reliquienschreinen
angebracht sind. Es kann hier natürlich nicht der Ort sein,
die vielen Pokale (ein besonders kunstvoller aus dem Besitze
Sr. Majest. des Königs), Fächer, von denen Ihre Majest. die
Königin, Ihre K. H. Prinzessin Mathilde und Frau von War-
burg die schönsten beigesteuert hatten, gedrehte Arbeiten
(besonders aus Sammlung Minutoli) und von anderen mehr
hier einzeln aufzuzählen. Hier möge zum Schlüsse nur noch
 
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