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Aus dem Werke: Heiden, Motive.
EINE INDISCHE KUNST.
|S ist nicht zu verkennen,
dass die gewerbliche Kunst
im Deutschen Reiche seit
einigen Jahrzehnten einen
ganz bedeutenden Auf-
schwung genommen hat.
Das Streben nach Vermeh-
rung und Erhöhung der An-
nehmlichkeiten des Daseins durch das Erzeugen und
Anwenden schöner Formen und fein empfundener
Farbenverbindungen bei der Ausstattung der Räume
des Hauses und der mancherlei Gegenstände des täg-
lichen Gebrauches ist bereits in den weitesten Schich-
ten der Bewohner von Stadt und Land bemerkbar.
Allein wenn man zwischen allen diesen wahrnehm-
baren Errungenschaften unseres Volkes und den-
jenigen unserer südlichen Nachbarn auf dem in Rede
stehenden Gebiete ohne Vorurteil einen Vergleich
zieht, so wird man gestehen müssen, dass Deutsch-
land in vielen Zweigen des Kunstgewerbes und be-
sonders auf dem Felde der, mit dem Kunstgewerbe
innig verbundenen Hausindustrie hinter Österreich
wesentlich zurückgeblieben ist.
Unser Schllier sagt zwar: „Zu eurem Volke
steht und eurem Lande", indessen die Erkenntnis,
dass im Deutschen Reiche für viele Gebiete der ge-
werblichen Kunst längst weit mehr hätte geschehen
können, als bis heute geschehen ist, drängt uns
dazu, der Wahrheit die Ehre zu geben, und lenkt
ganz unwillkürlich unsere Blicke immer wieder da-
hin, wo seit längerer Zeit ein ganz vortreffliches
Vorbild zu schauen ist.
Die soeben hervorgehobene Thatsache hat mich
wiederholt veranlasst, längere „Südlandsfahrten" zu
unternehmen, und auf der letzten derselben ist es
mir gelungen, eine Kunsttechnik kennen zu lernen,
Kunstgewerbeblatt. N. F. IV.
deren Wesen und weitere Entwicklung hier zu Nutz
und Frommen meiner Landsleute — weiblichen wie
männlichen Geschlechts — durch Wort und Bild
erläutert werden soll, um dem völlig neuen In-
dustriezweige auch bei uns eine, seinen großen Vor-
zügen entsprechende Ausbreitung zu verschaffen.
Die betreffende Kunst besteht in dem Einlegen
verschiedenfarbiger Metalle in Gegenstände von Holz.
Dieselbe ist ein Kind Ostindiens, ihre Erzeugungs-
stätte ist die alte Stadt Mainpuri in Hindostan,
südlich von dem Flusse Ganges, von wo aus sie
durch den Engländer John Coddington vor zehn
Jahren nach Cortina in Südtirol gebracht wurde.
Seit jener Zeit ist sie unter dem Schutze der öster-
reichischen Regierung zu einer ungeahnten Höhe
gediehen. Dass die genannte Behörde alles auf-
bieten würde, was dem Emporblühen des „Tar-Kashi",
wie der Indier seine Kunst zu nennen pflegt, von
Nutzen sein konnte, ließ sich bei der Art und Weise
ihres Vorwärtsstrebens mit Sicherheit erwarten. Ihr
Augenmerk war unausgesetzt auf das Heranziehen
tüchtiger Lehrkräfte und auf die Erwerbung bezw.
Herstellung vorzüglicher Werkzeuge für ihre „Scuola
industriale per i lavori in legno" im Ampezzothale
gerichtet, und somit konnten denn auch die segens-
reichen Erfolge dieser Bemühungen nicht lange aus-
bleiben.
Alle diese Thatsachen mussten bei einem deut-
schen Wanderer, der die Intarsienschule und deren
höchst bestechende Leistungen in Augenschein nahm,
sobald er die daheim noch immer recht geringe
Opferfreudigkeit für die Förderung des Kunstge-
werbes erwog, sehr ernste Zweifel an der Möglich-
keit erregen, die bewunderte Kunst auch in sein
Vaterland mit gutem Erfolge verpflanzen zu können.
Ich selbst vermochte die Befürchtung, dass ein der-
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Aus dem Werke: Heiden, Motive.
EINE INDISCHE KUNST.
|S ist nicht zu verkennen,
dass die gewerbliche Kunst
im Deutschen Reiche seit
einigen Jahrzehnten einen
ganz bedeutenden Auf-
schwung genommen hat.
Das Streben nach Vermeh-
rung und Erhöhung der An-
nehmlichkeiten des Daseins durch das Erzeugen und
Anwenden schöner Formen und fein empfundener
Farbenverbindungen bei der Ausstattung der Räume
des Hauses und der mancherlei Gegenstände des täg-
lichen Gebrauches ist bereits in den weitesten Schich-
ten der Bewohner von Stadt und Land bemerkbar.
Allein wenn man zwischen allen diesen wahrnehm-
baren Errungenschaften unseres Volkes und den-
jenigen unserer südlichen Nachbarn auf dem in Rede
stehenden Gebiete ohne Vorurteil einen Vergleich
zieht, so wird man gestehen müssen, dass Deutsch-
land in vielen Zweigen des Kunstgewerbes und be-
sonders auf dem Felde der, mit dem Kunstgewerbe
innig verbundenen Hausindustrie hinter Österreich
wesentlich zurückgeblieben ist.
Unser Schllier sagt zwar: „Zu eurem Volke
steht und eurem Lande", indessen die Erkenntnis,
dass im Deutschen Reiche für viele Gebiete der ge-
werblichen Kunst längst weit mehr hätte geschehen
können, als bis heute geschehen ist, drängt uns
dazu, der Wahrheit die Ehre zu geben, und lenkt
ganz unwillkürlich unsere Blicke immer wieder da-
hin, wo seit längerer Zeit ein ganz vortreffliches
Vorbild zu schauen ist.
Die soeben hervorgehobene Thatsache hat mich
wiederholt veranlasst, längere „Südlandsfahrten" zu
unternehmen, und auf der letzten derselben ist es
mir gelungen, eine Kunsttechnik kennen zu lernen,
Kunstgewerbeblatt. N. F. IV.
deren Wesen und weitere Entwicklung hier zu Nutz
und Frommen meiner Landsleute — weiblichen wie
männlichen Geschlechts — durch Wort und Bild
erläutert werden soll, um dem völlig neuen In-
dustriezweige auch bei uns eine, seinen großen Vor-
zügen entsprechende Ausbreitung zu verschaffen.
Die betreffende Kunst besteht in dem Einlegen
verschiedenfarbiger Metalle in Gegenstände von Holz.
Dieselbe ist ein Kind Ostindiens, ihre Erzeugungs-
stätte ist die alte Stadt Mainpuri in Hindostan,
südlich von dem Flusse Ganges, von wo aus sie
durch den Engländer John Coddington vor zehn
Jahren nach Cortina in Südtirol gebracht wurde.
Seit jener Zeit ist sie unter dem Schutze der öster-
reichischen Regierung zu einer ungeahnten Höhe
gediehen. Dass die genannte Behörde alles auf-
bieten würde, was dem Emporblühen des „Tar-Kashi",
wie der Indier seine Kunst zu nennen pflegt, von
Nutzen sein konnte, ließ sich bei der Art und Weise
ihres Vorwärtsstrebens mit Sicherheit erwarten. Ihr
Augenmerk war unausgesetzt auf das Heranziehen
tüchtiger Lehrkräfte und auf die Erwerbung bezw.
Herstellung vorzüglicher Werkzeuge für ihre „Scuola
industriale per i lavori in legno" im Ampezzothale
gerichtet, und somit konnten denn auch die segens-
reichen Erfolge dieser Bemühungen nicht lange aus-
bleiben.
Alle diese Thatsachen mussten bei einem deut-
schen Wanderer, der die Intarsienschule und deren
höchst bestechende Leistungen in Augenschein nahm,
sobald er die daheim noch immer recht geringe
Opferfreudigkeit für die Förderung des Kunstge-
werbes erwog, sehr ernste Zweifel an der Möglich-
keit erregen, die bewunderte Kunst auch in sein
Vaterland mit gutem Erfolge verpflanzen zu können.
Ich selbst vermochte die Befürchtung, dass ein der-
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