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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 4.1893

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Kleine MItteilungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.3942#0206

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KLEINE MITTEILUNGEN.

Stoffe, mit Ausnahme der Kölner Zeugdrucke, die als Spezia-
lität gesammelt werden, und wurde überhaupt mehr Gewicht
auf die Beschaffung von Stickereien, Passementerieen, Spitzen
und sonstigen Nadelarbeiten gelegt als auf Stoffe. Zur Be-
gründung der Textilsammlung stellte der Kölnische Kunst-
gewerbeverein, der im Jahre 1888 eigens um ein Kunst-
gewerbemuseum ins Leben zu rufen begründet wurde, einen
sehr erheblichen Betrag zur Verfügung; auch später hat er
sich die Erweiterung der Sammlung nach jeder Richtung
hin angelegen sein lassen. So umfasst heute die Textil-
sammlung des Museums eine große Zahl Stoffe, Nadelarbeiten,
Passementerieen und Quasten, Spitzen und Weißnäharbei-
ten. Seit Begründung des Museums lagen diese kostbaren
Schätze wohl verpackt in Schränken, da irgend welche Räume
zur Ausstellung nicht vorhanden waren. Immer dringender
wurde das Verlangen laut, dieses wertvolle Vorbildermate-
rial nutzbar zu machen, und so wurde denn zunächst die
Sammlung der Stickereien und Passementeriearbeiten als
geschlossene Gruppe der Kölner Bürgerschaft, vor allem
der Damenwelt vorgeführt. Als nach jeder Richtung dafür
geeignet erwies sich der sog. Stimmsaal des Gürzenich. Die
Sammlung enthält zunächst eine große Anzahl kompletter
Stücke: Vorhänge, Antependien, Decken, Gewänder etc. Da-
neben auf Tafeln gezogene kleinere Abschnitte von Sticke-
reien aller Art, nach Techniken und zeitlich geordnet. Unter
den ersteren befinden sich eine Anzahl Prachtstücke ersten
Ranges, namentlich unter Applikationsarbeiten überragt alles
in jeder Richtung ein Venezianer Altarbehang, der vielleicht
als das kostbarste Erzeugnis der Kunststickerei der italieni-
schen Renaissance zu bezeichnen; hinsichtlich der Kom-
position, technischen Ausführung der Passementeriearbeiten
und vor allem der unvergleichlichen Erhaltung. Nicht minder
kostbar ist ein Antependium, Aachener Arbeit von 1709, an
dem alle Techniken der Goldstickerei vertreten sind. Die
umfangreiche Gruppe der Aufnäharbeiten, die den Glanz-
punkt der Ausstellung bildet, setzt sich vorwiegend aus Ar-
beiten spanischer und' italienischer Herkunft zusammen:
neben einzelnen großen Stücken, wie einer herrlichen italie-
nischen Decke aus gelber Seide mit blauen Auflagen in edel-
ster Zeichnung, sind namentlich Kaselstäbe, Bordüren und
Füllungen in reicher Zahl vertreten. Eine Venezianer Appli-
kation in weiß auf schwarzem Grunde mit Gold umrändert
und eine spanische, weiß auf blau, dürften zu den ersten
Arbeiten auf diesem Gebiete zählen. Reich sind die Sticke-
reien in Seide und Gold auf Leinen vertreten. Dem oben
erwähnten Aachener Antependium von 1709 gehen zeitlich
vorher eine große Anzahl Stickereien italienischer und deut-
scher Herkunft. Der kunstreichen Hand einer Schweizerin
verdankt das Hauptstück dieser Gruppe, eine Tischdecke mit
Ornamentbordüren von bewunderungswürdiger Komposition:
Wappen und Darstellungen aus der Biblischen Geschichte,
ihre Entstehung. Italien vorwiegend entstammen auch die
in reicher Zahl vorhandenen farbigen Seidenstickereien auf
Netzgrund, die sog. Filetarbeiten, durch reiche Farbenwir-
kung und schöne Muster ausgezeichnet: die ausgestellten
Stücke bilden nur einen Teil der Sammlung, da die in
gleicher Technik hergestellten Arbeiten aus Garn, die sog.
Weißnäharbeiten, erst später mit der Spitzensammlung aus-
gestellt werden sollen. An diese Gruppe schließt sich die
Abteilung der Leinenslickereien an, die in nicht sehr großer
Anzahl, aber vorzüglichen Mustern vertreten sind. Neben
größeren Stücken, wie Handtücher, Decken etc., finden sich
kleine zahlreiche Abschnitte. Das Leinengewand gestattet
ohne Rücksicht auf die Textur in allen Techniken zu sticken.
Die Besonderheit entsteht erst, wenn der grobe Leinengrund

mit seinen abzählbaren Fäden ein Netz bildet: die quadra-
tische Textur führt zu eckigen, geknickten Linien, die nur
geometrische oder streng stilisirte Muster gestatten: um
die WTaschbarkeit zu wahren, verwendet man nur wasch-
echte Farben, wie rot und blau. Die Leinenstickerei ist, da
sie vorwiegend zur Verzierung der Leibwäsche Verwendung
findet, fast bei allen Völkern geübt worden und wird heute
noch geübt, namentlich in Italien und auf den griechischen
Inseln. Im Orient finden wir auch Seide verwandt, wie die
kostbaren persischen Durchzugarbeiten und marokkanischen
Handtücher und Decken in der Sammlung beweisen. Als
hervorragende Prachtstücke orientalischer Stickkunst mögen
drei große Vorhänge genannt werden: zwei zeigen die Tam-
bourirarbeit Vorderasiens und Kaschmirs in vollendetster
Technik, ein dritter neben einem Prachtgewand mit Schmetter-
lingen die Stickkunst der Chinesen auf der höchsten Stufe.
Die Stickereien der griechischen Inseln, die schöne gezeich-
nete Muster in Seide auf Leinen zeigen, die wallachischen
Wollstickereien mit mustergültigen Pleinairmustern, endlich
die zahlreichen Tischdecken, Bezüge in den verschiedensten
Techniken spanischer Herkunft mögen hier nur kurz erwähnt
werden. Eine kleine Gruppe bilden die Stickereien des Mittel-
alters: meist Leinenstickereien mit Darstellungen aus der
heil. Geschichte, symbolische Darstellungen in edelster Orna-
mentik. Auch die Wollstickerei ist durch einige Rücklaken
vertreten. Eine umfangreiche Gruppe bilden die sog. Kölner
Borten: es sind das gewirkte lange Streifen zum Besatz von
Kasein, Antependien und anderen kirchlichen Zwecken be-
stimmt. Sie zeigen meist auf Goldgrund Inschriften, Orna-
menten, symbolische Zeichen, Wappen in farbiger Seide.
Das Museum besitzt eine reiche Kollektion, zum Teil aus
der Sammlung Wallraf stammend, die fortwährend vermehrt
wird. Die Verwendung zeigen zwei hervorragende Stücke:
eine Kasel mit vortrefflich erhaltenem Stab und ein Ante-
pendium von rotem Sammet mit Granatmuster, wie die
Wappen besagen, aus dem Besitz des Grafen von Eberstädt.
An die Kölner Borten, die eine Spezialität der Sammlung
bilden, schließen sich weitere gewirkte Borten an, zu denen
Spanien mit schönen Mustern ein reiches Kontingent gestellt
hat. Von außerordentlichem Umfang und Bedeutung stellt
sich die Gruppe der Posamentirarbeiten dar: sie enthält
Quasten, Fransen, Durchzugarbeiten aller Art und nament-
lich die Kollektion der Quasten dürfte von unvergleichlicher
Vollständigkeit sein. Sie enthält Arbeiten vom Mittelalter
bis zum Ende des 18. Jahrhunderts italienischer, spanischer,
französischer und deutscher Herkunft, in zierlichsten und
mannigfaltigsten Formen von schönster Farbenwirkung. Be-
sonders reizend sind die Quästchen aus weißem Leinengarn.
In reicher Zahl und mannigfaltigster Technik sind weiter
die Fransen vertreten. Zum Schluss möge noch der kleinen,
aber gewählten Kollektion von kirchlichen Bildstickereien
des Mittelalters gedacht werden. Es sind figürliche Dar-
stellungen der göttlichen Personen und Heiligen, seltener
in ornamentaler Umrahmung, die versuchen, der Malerei
möglichst nahe zu kommen, wie denn auch oft mit Farben
nachgeholfen wird. Die Benutzung der Gewänder zu Kultus-
zwecken gestattet die Anwendung starker Reliefs in Gold,
und so kann man diese Arbeiten wohl als die Plastik der
Stickkunst bezeichnen. Die Sammlung enthält unter den
Erzeugnissen der Kölner Kunst des 15. Jahrhunderts einige
überaus reizende Arbeiten, denen sich italienische und nord-
deutsche anreihen. An diese reiche und umfassende Kollek-
tion alter Kunststickereien schließt sich eine kleine Gruppe
moderner Arbeiten kunstreicher Kölner Damen, zum Teil
angeregt durch die Sammlung des Museums. Die moderne
 
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