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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 17.1905-1906

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Dülberg, Franz: Die Münchener Ausstellung für angewandte Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.4870#0021

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DIE MÜNCHENER AUSSTELLUNO FÜR ANGEWANDTE KUNST

man den Leichnam Christi mit der knienden Mutter
sieht, die nach der Brust des Toten greift. Dagegen
geht E. Beyrers Relief eines Auferstehungsengels gar
nicht über die herkömmliche Friedhofsplastik hinaus.

Die Ausstellung hat auch einen anderen Garten,
in dem man nicht an den Tod zu denken braucht.
Man wird dort aber ebensowenig an das Leben
unserer Zeit zu denken veranlaßt. Wenn man be-
denkt, mit welchem reichen Gelingen das 18. Jahr-
hundert seine Sehnsüchte und Erfüllungen in den
Gärten von Wörlitz, Wilhelmshöhe, Tiefurt Gestalt
werden ließ, so wird man betrauern, daß hier nicht
wenigstens andeutungsweise versucht wurde, der ge-
hegten Flora das Gesicht unserer Zeit aufzuprägen. —
In der Mitte steht ein weißbunter Brunnentempel
(von Peter Birkenholz) mit merkwürdigen dorischen
Säulen, deren oberer Abschluß nicht durch ein Kapital,
sondern nur durch Aufsetzen einer etwas breiteren
Säulentrommel und durch farbige, abwechselnd blaue
und gelbe Betonung der Kanneluren gegeben wird.
Die herkömmliche Kapitälform dürfte den meisten
besser gefallen. Ein gutes Stück figürlicher Plastik
ist eine Brunnenfigur von Karl Kiefer an einem
Wasserbassin. Eine marmorne Frau (»Susanna«), die
auf einem Felsblocke kauert und sich umschaut. Die
Gesichtszüge sind persönlich, hübsch, etwas kalt, die
Behandlung des Haares besonders gut flächenhaft.
Als Versuche zu neuen Formen sind zu begrüßen:
eine Blumenpyramide von H. Obrist, einer Pfeilspitze
oder einem Pinienzapfen ähnlich, vielleicht etwas zu
schwer für die in die einzelnen Nischen des Aufbaues
hineinzusetzenden Blumentöpfe, und eine stark im
Obrist-Stile gehaltene weiße Gartenbank von F. Adler,
mit trefflichen zum Niederlassen einladenden Aus-
buchtungen, in Form und Farbe fast ein wenig an
Knochen eines urweltlichen Riesentieres erinnernd.

Auf dem Wege zu den oberen Räumen der Aus-
stellung begrüßt uns ein Treppenpodest (P. Thiersch
und W. Koppen), der mit dem angenehm stillen
Glänze des besten Empire (etwa wie das Mobiliar im
Wilhelmshöher Schlosse) wirkt. Ein grobkörniges,
kräftiges Wandmosaik, in dem Rosen und auf der
Spitze stehende Dreiecke abwechseln, steht mit seinen
blaugrauen und rosigen Tönen gut zu den kleinen
schwarzen, nahe der Wand angebrachten Laternen
und zu dem leuchtend grünen, mit einfachen Linien
und Kugelmustern gegliederten Vorhang.

Der erste Raum im oberen Stock, eine Küche
von R. Rochga, tritt gar zu bescheiden auf. Ein Fries,
der die Fronherrschaft des Menschen über Tiere
und Pflanzen ausdrückt, etwa in durchbrochenem
Kupfer vor dem weißen Tünchgrunde, hätte da nicht
fehlen dürfen. Hübsch und sauber macht sich die
Zusammenstellung von Naturholz mit dem blinkenden
Metall der Geschirre ja immer. Angenehm einheit-
lich sind auch die Vorratstöpfe, graugrün mit spar-
samem blauen Dekor.

Reicher erscheint naturgemäß die von Julius Diez
entworfene Diele. Ein messingbeschlagener Kamin,
dessen abwechselnd blaue und graue Fliesen sich bis
zur Mannshöhe erheben, der sehr große kreisrunde

Kronleuchter, die hohen olivengrünen Wandschränke,
ein nicht großer, aber in den Farben um so kräftigerer
Wandteppich, der vor tiefblauem Grunde Raben an
einem assyrisch vereinfachten braunen Baum mit
spärlichem grünen Laubwerk vorführt, die an den
Wänden hängenden, fein auf die heraldische Linie
geführten Exlibris des Künsters, alles dies gibt eine
volle Stimmung von festlichem Gehobensein und
sicherer Geborgenheit. Ein hier aufgestellter, beson-
ders schön gelungener Topf, durchsichtig patinierte
gehämmerte Bronze sei ausdrücklich hervorgehoben.
— In einem Nebenraum hängt von J. Diez noch ein
glücklich erfundenes Aquarell »Fortuna«. Ein mäch-
tiger herrschaftlicher Kutscher fährt sie eifrig peitschend
davon. Sie ist nackt, hat aber nicht vergessen, eine
riesige grauweiße Perücke aufzusetzen.

Fein und einheitlich, aber recht wenig eigen ist
das von Th. Th. Heine gezeichnete Empire-Herren-
zimmer. Selbst ein Kenner würde vor dieser karmin-
roten, kleingemusterten Tapete, vor diesen grünen,
senkrecht gestreiften Möbelstoffen, vor diesem hell-
olivbraunen, glatteckigen Holzwerk, ja vielleicht selbst
vor den hier aufgehängten Handzeichnungen Heines
einen Augenblick nicht wissen, ob er mit einer
Tapeziererkopie alter Stücke oder mit einer angeblich
freien Kunstschöpfung zu tun hat. Meister Thomas
Theodor, hat dich dein Teufel diesmal so ganz und
gar im Stich gelassen?

Mehr freie Einfälle findet man schon in dem von
Bruno Paul ersonnenen Speisezimmer. Der Erker
mit seinen grünen Fliesen, die Strohmattenverkleidung
des Hauptraumes, das dunkelbraune in die Wand
eingelassene Büfett mit vorspringender Anrichte, vor
allem aber der grüngelbe, braunmarmorierte Leder-
bezug der apart in den Lehnen fast A-förmig zu-
gehenden Stühle vermögen schon das Auge angenehm
zu beschäftigen. Hübsch, wenn auch etwas spielerig,
wird abends auch der ovale Kronleuchter wirken,
mit Kerzenbeleuchtung, auf die Spiegelung zahlloser
irisirender Glaströpfchen eingerichtet. Warum hängt
aber Bruno Paul seine, mit der Zeit übrigens arg
manieriert werdenden Simplizissimuskarikaturen in
diesen ruhig eleganten Raum? Diese Gesellen mit
ihren meist maßlos großen und groben Händen lädt
man doch selbst im Bilde nicht gern in sein Speise-
zimmer ein.

Das Damenzimmer von F. A. O. Krüger wird
manchen an die gedrehten grauen Löckchen und die
gebauschten schwarzen Seidenkleider einer Urgroß-
tante erinnern. Der dunkelrotbraun polierte Schrank,
ein ebensolcher runder Tisch, hell violette Polster-
möbel, hoch und steif, tief aufgepufft, die Wände
silbergrau bespannt — in einem solchen Räume muß
man alt sein, einen schlimm verzogenen, sehr teuren
Mops besitzen und voll kleinlichen Hochmuts über
seine Mitmenschen schmälen.

An dem von vielen gepriesenen großen Musik-
zimmer Bruno Pauls wüßte ich eigentlich nur das
hübsche achteckige, spinnwebartig durchbrochene
Muster in den weißen Stores zu loben. Der Raum
hat nichts Festliches, gibt nichts von dem fortziehen-
 
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