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DAS NEUE LEIPZIGER RATHAUS
saal, geschmückt mit einer reichgeschnitzten, vergol-
deten Kassettendecke im Stile der italienischen Früh-
renaissance und zwei prächtigen Kaminen aus dunklem
Marmor, über deren einem das hier
recht günstig wirkende Gruppen-
bild der Stadträte von Eugen Urban
hängt. Wieder eine ganz andere
Stimmung herrscht in dem wesent-
lich größeren Stadtverordnetensaale,
dessen größter Schmuck in einer
prächtigen rotbraunen Deckenver-
täfelung besteht mit lebensgroßen,
flachgeschnitzten Frauenfiguren,
offenbar nach Wrba's Entwürfe. Mit
diesem Saale in Verbindung steht der
große Festsaal, ein gewaltiges Recht-
eck von 552 qm Bodenfläche mit
fünf Fenstern Front nach Osten und
einer muschelförmigen Musikempore
an der Nordseite. Sein Tonnenge-
wölbe mit Stichkappen ist durch
eine perspektivische Deckenmalerei
Julius Mössels im Stile Tiepolos ge-
schmückt. Aber es scheint, daß
sich der Maler hier im Maßstabe
versehen hat, denn die verhältnis-
mäßig geringe Höhe läßt nirgends
die Illusion der gemalten Säulen
und Figuren befriedigend zustande
kommen undesgehteine bedrückende
und verwirrende Unruhe von diesen
Gemälden aus. Viel glücklicher,
originell und reizvoll in Formen
und Farben zugleich sind dagegen
seine Deckenmalereien im Lesesaale
und in der Ratstrinkstube.
Wie zum Ersatz für die nicht
einwandfreie Dek-
kenmalerei wird die-
ser Saal bei festlichen
Gelegenheiten ein
höchst apartes, köst-
liches Kunstwerk
zeigen, nämlich
einen silbernen Ta-
felaufsatz von Max
Klingers Hand, ge-
stiftet von Leipziger
Bürgern. Mit voller
Hingabe hat sich
der große Künstler
dieser in seinem
Werke einzigen
kunstgewerblichen
Aufgabe gewidmet
und nun eine Ar-
beit von größter
Schönheit und fest-
lich vornehmer Wir-
kung geschaffen.
Den riesigen Raum-
NEUES LEIPZIGER RATHAUS. ECKE MIT RATSKELLEREINGANO
OBEN: DETAIL (TRUNKENER LÖWE)
Verhältnissen entsprechend erhebt sich dieser Tafel-
aufsatz bis zu der stattlichen Höhe von 1,80 m und
wiegt nicht weniger als zwei Zentner. Das einfache
Motiv eines korbtragenden Mäd-
chens ist hier in höchst origineller
und graziöser Weise verwendet. Ein
schlankes, sehniges, fast lebensgroßes
Mädchen hält sitzend in hocherho-
benen, kräftigen Armen an Hand-
griffen einen in kühnen und schwung-
vollen Linien aus Silberdraht ge-
flochtenen Korb von großem Um-
fang. Als höchst origineller Untersatz
dient ein Ring, der von vier in leb-
haftester Bewegung hintereinander
herjagenden Delphinen von präch-
tigster Durcharbeitung gebildet wird.
Auf ihnen ruht eine runde Onyx-
platte, die Sitzfläche für die Figur,
während vielseitig geschliffene Kri-
stallprismen die Fußstützen für den
ganzen Aufbau bilden. Diese glitzern-
den Prismen heben den Delphinen-
zug gerade genügend von der Tisch-
fläche ab, schaffen ihm Freiheit und
erinnern an das kristallklare Element
der Fische. Durch die einfache
Figur hat der Künstler erreicht, daß
der große Aufbau doch nicht als
Blickhindernis wirkt und etwa einen
stehenden Redner den Gästen ver-
birgt. Der Kopf des Redners wird
ungefähr in der Höhe des Figuren-
kopfes erscheinen und von diesem
und den Armen der Figur sowohl
für die Zuhörer in der Nähe wie
die in der Ferne nur wenig verdeckt
werden. Der milde
Glanz des mattge-
haltenen Silbersmuß
besonders bei künst-
licher Beleuchtung
einen wundervollen
Effekt geben und
der herrlich ge-
schwungene Korb,
mit großen dekora-
tiven Blumen gefüllt,
wird einen höchst
stattlichen und groß-
artigen Mittelpunkt
für eine solch rie-
sige Festtafel dar-
stellen. Die Aus-
führung der Figur
und der Delphine
ist natürlich in Hin-
sicht auf die große
dekorative Gestal-
tung nicht minutiös
und zierlich; auch
DAS NEUE LEIPZIGER RATHAUS
saal, geschmückt mit einer reichgeschnitzten, vergol-
deten Kassettendecke im Stile der italienischen Früh-
renaissance und zwei prächtigen Kaminen aus dunklem
Marmor, über deren einem das hier
recht günstig wirkende Gruppen-
bild der Stadträte von Eugen Urban
hängt. Wieder eine ganz andere
Stimmung herrscht in dem wesent-
lich größeren Stadtverordnetensaale,
dessen größter Schmuck in einer
prächtigen rotbraunen Deckenver-
täfelung besteht mit lebensgroßen,
flachgeschnitzten Frauenfiguren,
offenbar nach Wrba's Entwürfe. Mit
diesem Saale in Verbindung steht der
große Festsaal, ein gewaltiges Recht-
eck von 552 qm Bodenfläche mit
fünf Fenstern Front nach Osten und
einer muschelförmigen Musikempore
an der Nordseite. Sein Tonnenge-
wölbe mit Stichkappen ist durch
eine perspektivische Deckenmalerei
Julius Mössels im Stile Tiepolos ge-
schmückt. Aber es scheint, daß
sich der Maler hier im Maßstabe
versehen hat, denn die verhältnis-
mäßig geringe Höhe läßt nirgends
die Illusion der gemalten Säulen
und Figuren befriedigend zustande
kommen undesgehteine bedrückende
und verwirrende Unruhe von diesen
Gemälden aus. Viel glücklicher,
originell und reizvoll in Formen
und Farben zugleich sind dagegen
seine Deckenmalereien im Lesesaale
und in der Ratstrinkstube.
Wie zum Ersatz für die nicht
einwandfreie Dek-
kenmalerei wird die-
ser Saal bei festlichen
Gelegenheiten ein
höchst apartes, köst-
liches Kunstwerk
zeigen, nämlich
einen silbernen Ta-
felaufsatz von Max
Klingers Hand, ge-
stiftet von Leipziger
Bürgern. Mit voller
Hingabe hat sich
der große Künstler
dieser in seinem
Werke einzigen
kunstgewerblichen
Aufgabe gewidmet
und nun eine Ar-
beit von größter
Schönheit und fest-
lich vornehmer Wir-
kung geschaffen.
Den riesigen Raum-
NEUES LEIPZIGER RATHAUS. ECKE MIT RATSKELLEREINGANO
OBEN: DETAIL (TRUNKENER LÖWE)
Verhältnissen entsprechend erhebt sich dieser Tafel-
aufsatz bis zu der stattlichen Höhe von 1,80 m und
wiegt nicht weniger als zwei Zentner. Das einfache
Motiv eines korbtragenden Mäd-
chens ist hier in höchst origineller
und graziöser Weise verwendet. Ein
schlankes, sehniges, fast lebensgroßes
Mädchen hält sitzend in hocherho-
benen, kräftigen Armen an Hand-
griffen einen in kühnen und schwung-
vollen Linien aus Silberdraht ge-
flochtenen Korb von großem Um-
fang. Als höchst origineller Untersatz
dient ein Ring, der von vier in leb-
haftester Bewegung hintereinander
herjagenden Delphinen von präch-
tigster Durcharbeitung gebildet wird.
Auf ihnen ruht eine runde Onyx-
platte, die Sitzfläche für die Figur,
während vielseitig geschliffene Kri-
stallprismen die Fußstützen für den
ganzen Aufbau bilden. Diese glitzern-
den Prismen heben den Delphinen-
zug gerade genügend von der Tisch-
fläche ab, schaffen ihm Freiheit und
erinnern an das kristallklare Element
der Fische. Durch die einfache
Figur hat der Künstler erreicht, daß
der große Aufbau doch nicht als
Blickhindernis wirkt und etwa einen
stehenden Redner den Gästen ver-
birgt. Der Kopf des Redners wird
ungefähr in der Höhe des Figuren-
kopfes erscheinen und von diesem
und den Armen der Figur sowohl
für die Zuhörer in der Nähe wie
die in der Ferne nur wenig verdeckt
werden. Der milde
Glanz des mattge-
haltenen Silbersmuß
besonders bei künst-
licher Beleuchtung
einen wundervollen
Effekt geben und
der herrlich ge-
schwungene Korb,
mit großen dekora-
tiven Blumen gefüllt,
wird einen höchst
stattlichen und groß-
artigen Mittelpunkt
für eine solch rie-
sige Festtafel dar-
stellen. Die Aus-
führung der Figur
und der Delphine
ist natürlich in Hin-
sicht auf die große
dekorative Gestal-
tung nicht minutiös
und zierlich; auch