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GARTENKUNST
PERISTYL DER DOMUS VETTIORUM IN POMPEJI
streng architektonisch regelmäßig, das Terrain durch
Terrassen gegliedert, die Rasenflächen mit Buxbaum-
hecken begrenzt, von sorgfältig beschnittenen Bäumen
flankiert, mit Marmorstatuen und plätschernden Fon-
tänen dekoriert. Tulpen, Rosen, Narzissen, Veilchen,
Lilien, sogar Hyazinthen und Chrysanthemen schmückten
die Blumenparterres. »Et cependant un jardin romain
est bien, l'image du genie romain. II est tire au cordeau,
comme une ville nouvelle, regente, gouverne com nie
une province conquise; les allees y sont droites, bien
sablees, harmonieusement reparties; par endroits des
bassins de marbre, un monde de statues attestent le
peuple cossu, ä qui l'on doit le respect; des coupes
savantes, pratiquees en pleine futaie et supprimant
une intimite indignededominateursuniversels, etendent
le regard en des perspectives immenses, vers ces loin-
tains mysterieux oü les aigles partout triomphent.«
Man kann noch weiter gehen: Die Römer haben hier
mit genialem Griff den Typ des romanischen Garten-
ideals für alle Zeiten festgestellt. All die großen Werke
der Gartenkunst, die die lateinische Rasse im Zeitalter
der italienischen Renaissance und im Frankreich Lud-
wigs XIV. hervorgebracht haben, erscheinen nur als
eine Variation des von den Römern gefundenen
Schemas, eine Umgestaltung im Geiste und nach den
Bedürfnissen einer anderen Zeit, keine Urschöpfung.
Die große Welle der Völkerwanderung begrub
mit der gesamten antiken Kultur auch den antiken
Garten. Das Mittelalter ist ein Intermezzo in der
Gartengeschichte. Was wir vom mittelalterlichen
Garten wissen, beschränkt sich darauf, daß auch er
regelmäßig »geviereL und »geschachzabelt«, wie es
im Liederbuch der Klara Hätzler heißt, doch zum
Unterschied von seinem Vorgänger von fast kunst-
loser Bescheidenheit war. Immerhin mag er, wie
unser Bild zeigt, sich seiner architektonischen Um-
gebung gut angeschmiegt haben. Die Renaissance
entdeckt von neuem die antike Kunst. Besser: es
war kein Entdecken, es war ein plötzliches mäch-
tiges Hervorbrechen des lange verdeckt geflossenen
Stromes. So kam auch die alte Gartenkunst wieder.
Auch der Garten der italienischen Renaissance wird
von der Architektur beherrscht. Allein es werden
nicht nur die Grundlinien des Gebäudes in der
Fläche des Gartens gleichsam bloß forlgesetzt; die
Architektur dringt in den Garten selbst ein, beraubt
ihn seiner Selbständigkeit und gestaltet aus den beiden
Elementen, Haus und Garten, ein einheitliches archi-
tektonisches Kunstwerk. Zum Teil ergab sich das
von selbst aus den Terrainverhältnissen. Der italienische
Renaissancegarten liegt auf meist steil ansteigender
Anhöhe. Anfangs suchte man die Höhenlage wohl
nur, um der im Tale lauernden Malaria zu entgehen,
später verband man mit dem praktischen Zweck die
bewußte künstlerische Verwertung der Fernsicht. Dem
steilen Hang mußte alles Gelände erst abgerungen
werden; so kam man von selbst zum Terrassenbau.
Dieser aber machte wieder die Anlage gewaltiger
Stützmauern und Treppenanlagen notwendig, zu deren
Schmuck man endlich die dekorative Plastik nicht
entbehren zu können glaubte. So stellt sich die Er-
oberung des Gartens durch die Architektur in der
italienischen Renaissance als ein naturgesetzlich not-
wendiger Entwickelungsvorgang dar. Diese Natürlich-
keit wird noch gesteigert durch den architektonischen
Charakter der italienischen Vegetation. Der Eindruck
GARTENKUNST
PERISTYL DER DOMUS VETTIORUM IN POMPEJI
streng architektonisch regelmäßig, das Terrain durch
Terrassen gegliedert, die Rasenflächen mit Buxbaum-
hecken begrenzt, von sorgfältig beschnittenen Bäumen
flankiert, mit Marmorstatuen und plätschernden Fon-
tänen dekoriert. Tulpen, Rosen, Narzissen, Veilchen,
Lilien, sogar Hyazinthen und Chrysanthemen schmückten
die Blumenparterres. »Et cependant un jardin romain
est bien, l'image du genie romain. II est tire au cordeau,
comme une ville nouvelle, regente, gouverne com nie
une province conquise; les allees y sont droites, bien
sablees, harmonieusement reparties; par endroits des
bassins de marbre, un monde de statues attestent le
peuple cossu, ä qui l'on doit le respect; des coupes
savantes, pratiquees en pleine futaie et supprimant
une intimite indignededominateursuniversels, etendent
le regard en des perspectives immenses, vers ces loin-
tains mysterieux oü les aigles partout triomphent.«
Man kann noch weiter gehen: Die Römer haben hier
mit genialem Griff den Typ des romanischen Garten-
ideals für alle Zeiten festgestellt. All die großen Werke
der Gartenkunst, die die lateinische Rasse im Zeitalter
der italienischen Renaissance und im Frankreich Lud-
wigs XIV. hervorgebracht haben, erscheinen nur als
eine Variation des von den Römern gefundenen
Schemas, eine Umgestaltung im Geiste und nach den
Bedürfnissen einer anderen Zeit, keine Urschöpfung.
Die große Welle der Völkerwanderung begrub
mit der gesamten antiken Kultur auch den antiken
Garten. Das Mittelalter ist ein Intermezzo in der
Gartengeschichte. Was wir vom mittelalterlichen
Garten wissen, beschränkt sich darauf, daß auch er
regelmäßig »geviereL und »geschachzabelt«, wie es
im Liederbuch der Klara Hätzler heißt, doch zum
Unterschied von seinem Vorgänger von fast kunst-
loser Bescheidenheit war. Immerhin mag er, wie
unser Bild zeigt, sich seiner architektonischen Um-
gebung gut angeschmiegt haben. Die Renaissance
entdeckt von neuem die antike Kunst. Besser: es
war kein Entdecken, es war ein plötzliches mäch-
tiges Hervorbrechen des lange verdeckt geflossenen
Stromes. So kam auch die alte Gartenkunst wieder.
Auch der Garten der italienischen Renaissance wird
von der Architektur beherrscht. Allein es werden
nicht nur die Grundlinien des Gebäudes in der
Fläche des Gartens gleichsam bloß forlgesetzt; die
Architektur dringt in den Garten selbst ein, beraubt
ihn seiner Selbständigkeit und gestaltet aus den beiden
Elementen, Haus und Garten, ein einheitliches archi-
tektonisches Kunstwerk. Zum Teil ergab sich das
von selbst aus den Terrainverhältnissen. Der italienische
Renaissancegarten liegt auf meist steil ansteigender
Anhöhe. Anfangs suchte man die Höhenlage wohl
nur, um der im Tale lauernden Malaria zu entgehen,
später verband man mit dem praktischen Zweck die
bewußte künstlerische Verwertung der Fernsicht. Dem
steilen Hang mußte alles Gelände erst abgerungen
werden; so kam man von selbst zum Terrassenbau.
Dieser aber machte wieder die Anlage gewaltiger
Stützmauern und Treppenanlagen notwendig, zu deren
Schmuck man endlich die dekorative Plastik nicht
entbehren zu können glaubte. So stellt sich die Er-
oberung des Gartens durch die Architektur in der
italienischen Renaissance als ein naturgesetzlich not-
wendiger Entwickelungsvorgang dar. Diese Natürlich-
keit wird noch gesteigert durch den architektonischen
Charakter der italienischen Vegetation. Der Eindruck