GARTENKUNST
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Gärten hatte man es nicht verschmäht, mit den
plumpsten Requisiten sentimental-romantischer Back-
fisch-Biedermeierei zu arbeiten. Meine Überzeugung
ist es also, daß wir mit einem Rückschritt zur Garten-
kunst unserer Großahnen nicht vorwärts kommen.
Nun gibt es aber auch noch eine andere Partei, der
alles Heil aus England kommt. In England hat die
künstlerische Tradition ja niemals einen solchen Bruch
erfahren, wie bei uns auf dem Festlande. Eine un-
unterbrochene Linie verbindet das moderne englische
Haus mit dem früherer Jahrhunderte. Der natürliche
Garten, den England erfunden, ist dennoch dort nie-
mals mit einer solchen zerstörenden Konsequenz
durchgeführt worden wie bei uns. In neuerer Zeit
hat gerade England zuerst wieder die Regelmäßigkeit
im Garten besonders gepflegt. Also, warum sollen
wir nicht davon lernen? Gewiß sollen wir lernen,
und wir können viel lernen in England, aber nach-
ahmen sollen wir nicht. Wir sollen uns stets der
Verschiedenheit der Verhältnisse bewußt bleiben.
Auch der englische Garten ist ein Herrschaftsgarten,
mit großen Mitteln angelegt und gepflegt, kein Bürger-
garten wie unserer. Er ist ein Landsitzgarten, unserer
meist ein städtischer. Die traditionelle große Haus-
terrasse ist bei uns meist unmöglich, wenn aber
TERRASSE IN DEN GÄRTEN VON DRUMMOND CASTLE
Aus »Gardens old and new«, Georges Newnes limited, London
Kunstgewerbeblatt. N. F. XVII. H. 2
möglich, jedenfalls sinnlos, weil die Veranda unseren
Bedürfnissen weit mehr entspricht. Der große Rasen-
platz, der im feuchten Klima Englands herrlich ge-
deiht und außerdem dem praktischen Zweck eines
Spielplatzes dient, kommt bei uns nur kümmerlich
fort und ist nicht zu verwerten. Infolge der großen
Ausdehnung der Güter hat die englische Anlage,
von der unmittelbaren Umgebung des Hauses abge-
sehen, fast durchweg Parkcharakter; bei uns steht
ein so großes Terrain nur in den allerseltensten
Fällen zur Verfügung. Im einzelnen werden wir uns
also nicht allzu viel absehen können. Was wir lernen
können, ist; die Augen aufmachen, aufhören, ge-
dankenlos zu sein, zunächst die von der Natur ge-
gebenen Unterlagen zu erfassen, dann sich über die
eigenen Wünsche klar zu werden, schließlich mit
Vernunft und Ehrlichkeit an die Arbeit zu gehen.
Wie stellt sich die Praxis zu der Frage? Was
sagen unsere Künstler? Von Künstlern entworfene
Gärten erschienen auf Ausstellungen zum erstenmal
1904. Die Dresdener Ausstellung dieses Jahres zeigte
einen Garten von Kreis, die Düsseldorfer allgemeine
Gartenbauausstellung desselben Jahres den schnell
bekannt gewordenen von Peter Behrens. Kreis
nahm die Diagonale des Vierecks zur Hauptachse
und füllte die beiden Dreiecke mit einer sehr
originellen und anscheinend1) äußerst reizvollen,
architektonischen Komposition. Doch war das
Ganze offenbar mehr ein Architekturwerk mit
Pflanzendekoration, als ein Garten. Kreis hatte
sich also eine Aufgabe gestellt, wie sie wohl ein-
mal vorkommen mag, jedenfalls aber so selten
vorkommt, daß selbst die beste Lösung dieses
Spezialfalles für die allgemeine Entwickelung nur
von geringer Bedeutung sein kann. In weiteren
Grenzen hielt sich Behrens. Die Architektur in
Holz und Stein bildet bei ihm nur das Skelett,
das Gestalt erst durch das füllende Fleisch von
Pflanzen erhält. Der Grundriß ist äußerst ein-
fach. Auf einem breiteren Mittelweg, der das
Rechteck des Gartens der Länge nach teilt, tritt
man vom Hause her ein. Rechtwinklig zweigen
Seitenpfade ab, die, der Umzäunung folgend, zu
zwei vollkommen gleichmäßig gestalteten Garten-
lauben führen. Von diesen ausgehend, wiederum
rechtwinklig, begleiten Nebenwege parallel zu
beiden Seiten die Hauptachse. Der letzteren
folgen wir, und erreichen, an zwei rechts und
links aufgestellten Marmorbänken vorbei, die Mitte
des Gartens, die durch reichere Gestaltung
hervorgehoben ist. Links erblicken wir ein großes,
breites Marmorbecken, hinter dem eine Jünglings-
figur vor grünender Pergola steht. Rechts steigen
wir zu einer versenkten, auf Säulen und Pi-
lastern von weiß und rot glasierten Ziegeln
ruhenden Laube hinab, in deren Mitte sich
1) Ich kenne den Garten selbst leider nur aus
Abbildungen.
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Gärten hatte man es nicht verschmäht, mit den
plumpsten Requisiten sentimental-romantischer Back-
fisch-Biedermeierei zu arbeiten. Meine Überzeugung
ist es also, daß wir mit einem Rückschritt zur Garten-
kunst unserer Großahnen nicht vorwärts kommen.
Nun gibt es aber auch noch eine andere Partei, der
alles Heil aus England kommt. In England hat die
künstlerische Tradition ja niemals einen solchen Bruch
erfahren, wie bei uns auf dem Festlande. Eine un-
unterbrochene Linie verbindet das moderne englische
Haus mit dem früherer Jahrhunderte. Der natürliche
Garten, den England erfunden, ist dennoch dort nie-
mals mit einer solchen zerstörenden Konsequenz
durchgeführt worden wie bei uns. In neuerer Zeit
hat gerade England zuerst wieder die Regelmäßigkeit
im Garten besonders gepflegt. Also, warum sollen
wir nicht davon lernen? Gewiß sollen wir lernen,
und wir können viel lernen in England, aber nach-
ahmen sollen wir nicht. Wir sollen uns stets der
Verschiedenheit der Verhältnisse bewußt bleiben.
Auch der englische Garten ist ein Herrschaftsgarten,
mit großen Mitteln angelegt und gepflegt, kein Bürger-
garten wie unserer. Er ist ein Landsitzgarten, unserer
meist ein städtischer. Die traditionelle große Haus-
terrasse ist bei uns meist unmöglich, wenn aber
TERRASSE IN DEN GÄRTEN VON DRUMMOND CASTLE
Aus »Gardens old and new«, Georges Newnes limited, London
Kunstgewerbeblatt. N. F. XVII. H. 2
möglich, jedenfalls sinnlos, weil die Veranda unseren
Bedürfnissen weit mehr entspricht. Der große Rasen-
platz, der im feuchten Klima Englands herrlich ge-
deiht und außerdem dem praktischen Zweck eines
Spielplatzes dient, kommt bei uns nur kümmerlich
fort und ist nicht zu verwerten. Infolge der großen
Ausdehnung der Güter hat die englische Anlage,
von der unmittelbaren Umgebung des Hauses abge-
sehen, fast durchweg Parkcharakter; bei uns steht
ein so großes Terrain nur in den allerseltensten
Fällen zur Verfügung. Im einzelnen werden wir uns
also nicht allzu viel absehen können. Was wir lernen
können, ist; die Augen aufmachen, aufhören, ge-
dankenlos zu sein, zunächst die von der Natur ge-
gebenen Unterlagen zu erfassen, dann sich über die
eigenen Wünsche klar zu werden, schließlich mit
Vernunft und Ehrlichkeit an die Arbeit zu gehen.
Wie stellt sich die Praxis zu der Frage? Was
sagen unsere Künstler? Von Künstlern entworfene
Gärten erschienen auf Ausstellungen zum erstenmal
1904. Die Dresdener Ausstellung dieses Jahres zeigte
einen Garten von Kreis, die Düsseldorfer allgemeine
Gartenbauausstellung desselben Jahres den schnell
bekannt gewordenen von Peter Behrens. Kreis
nahm die Diagonale des Vierecks zur Hauptachse
und füllte die beiden Dreiecke mit einer sehr
originellen und anscheinend1) äußerst reizvollen,
architektonischen Komposition. Doch war das
Ganze offenbar mehr ein Architekturwerk mit
Pflanzendekoration, als ein Garten. Kreis hatte
sich also eine Aufgabe gestellt, wie sie wohl ein-
mal vorkommen mag, jedenfalls aber so selten
vorkommt, daß selbst die beste Lösung dieses
Spezialfalles für die allgemeine Entwickelung nur
von geringer Bedeutung sein kann. In weiteren
Grenzen hielt sich Behrens. Die Architektur in
Holz und Stein bildet bei ihm nur das Skelett,
das Gestalt erst durch das füllende Fleisch von
Pflanzen erhält. Der Grundriß ist äußerst ein-
fach. Auf einem breiteren Mittelweg, der das
Rechteck des Gartens der Länge nach teilt, tritt
man vom Hause her ein. Rechtwinklig zweigen
Seitenpfade ab, die, der Umzäunung folgend, zu
zwei vollkommen gleichmäßig gestalteten Garten-
lauben führen. Von diesen ausgehend, wiederum
rechtwinklig, begleiten Nebenwege parallel zu
beiden Seiten die Hauptachse. Der letzteren
folgen wir, und erreichen, an zwei rechts und
links aufgestellten Marmorbänken vorbei, die Mitte
des Gartens, die durch reichere Gestaltung
hervorgehoben ist. Links erblicken wir ein großes,
breites Marmorbecken, hinter dem eine Jünglings-
figur vor grünender Pergola steht. Rechts steigen
wir zu einer versenkten, auf Säulen und Pi-
lastern von weiß und rot glasierten Ziegeln
ruhenden Laube hinab, in deren Mitte sich
1) Ich kenne den Garten selbst leider nur aus
Abbildungen.