66 DIE SAMMLUNG EMILE PEYRE IM MUSEUM FÜR DEKORATIVE KÜNSTE IN PARIS
Die Sammlung Emile Peyre, die sich unaufhörlich
vermehrt und selbst im Laufe der Jahre erneuert
hatte, bildete im Augenblick des Todes des Besitzers
in seinem Hause an der Avenue Malakoff beim ersten
Anblick ein wunderliches Vermächtnis von einer male-
rischen und gelehrt anmutenden Unordnung; nach-
dem sie heute im Museum der dekorativen Künste
durch Mr. Metman und seine Mitarbeiter streng ge-
ordnet ist, hat sie, wenn man einmal vollständige und
methodische Kenntnis davon genommen hat, die Er-
wartung derjenigen nicht getäuscht, die sie ehemals
hatten in Augenschein nehmen können. Der Zahl
nach setzt sie sich aus verschiedenen Serien zusammen,
Gemälden, Skulpturen, Bronzen usw.,
unter denen die Möbel und die deko-
rativen Holztäfelungen, die Holzschnitz-
kunst in all ihren Formen bei weitem
den bedeutendsten Teil bilden. Wir
wollen hier keineswegs ein komplettes
Verzeichnis geben. Wir wollen uns
damit bescheiden, eine bestimmte An-
zahl der französischen und italienischen
Skulpturen anzuzeigen, die besonders
studiert sein wollen und von denen
einige bereits an anderer Stelle publi-
ziert sind, namentlich die Fragmente
vom Grabe des Claude de Lorraine,
ein Werk des Dominique Florentin,
und gewisse Bischofsbilder des 16. Jahr-
hunderts, die aus Rouen stammen.
Unter den Gemälden befindet sich eine
Reihe wertvoller Studien zur Decken-
malerei des 18. Jahrhunderts und ein
Gemälde von Boilly von größtem hi-
storischen Wert, denn es stellt das
Innere des Bildhauerateliers von Hou-
don dar mit dem Porträt des Künstlers
inmitten seiner Familie, wie er eben
damit beschäftigt ist, die Büste des
Gelehrten Laplace zu modellieren. Eine
gewisse Anzahl von sehr interessanten
gotischen Tapisserien vollendet äußerst
glücklich die Sammlungen, die im Mu-
seum für dekorative Künste durch die
Sorgfalt und die Freigebigkeit von Mr.
Jules Maciet gebildet wurden, Keramiken,
Goldschmiedearbeiten,
zahlreiche und hervorra-
gende Kupferplatten haben
sehr vorteilhaft die Samm-
lungen des Museums ver-
mehrt. Auf allen Ge-
bieten sind es besonders
die Epochen des Mittel-
alters und der Renais-
sance, die dadurch ge-
wonnen haben, und be-
sonders unter diesen möch-
ten wir hier die Möbel
und die Holzschneide-
kunst einbeziehen.
Bekanntlich sind die authentischen Beispiele für
die Möbel des frühen Mittelalters heute sehr selten.
Alle entweder in den Büchern oder tatsächlich nach
den Miniaturen oder den Skulpturen dieser Zeit
versuchten Rekonstruktionen enthalten einen großen
Teil von Hypothesen. Dieses Mobiliar setzt sich
übrigens fast durchgängig aus einfachen und selbst
unfertigen Stücken zusammen. Das Leben war roh,
der Wohnort wechselte häufig; der Luxus bestand
hauptsächlich in den Stoffen, von denen viele aus
dem Orient kamen, die man über die Truhen, Bänke,
Bettstellen breitete, die sehr solide gezimmert waren,
mit rohen Fügungen und elementaren Formen. Einige
Schränke haben sich erhalten, die zu
dem liturgischen Gebrauch in der
Kirche dienten, einige Truhen, die sich
hier und dort noch in der Kathedrale
von Noyon vorfinden, im Museum
Carnavalet oder im Museum von Cluny.
Die Spezialbücher haben sehr bald
diese sehr seltenen Beispiele für fran-
zösische Holzarbeiten des 12. und 13.
Jahrhunderts aufgezählt. Zu ihnen
wird man künftighin als Zuwachs noch
die Truhe der Sammlung Peyre hinzu-
rechnen, die wir hier abbilden, und
deren sehr einfache Formen dem ent-
sprechen, was wir soeben sagten, und
bei der der Beschlag, von einem kräf-
tigen und eleganten Stil, einen un-
zweifelhaft künstlerischen Eindruck her-
vorruft.
Diese ursprüngliche Form der
Truhe, die dazu bestimmt war, die
Kleider und die wertvollen Gegen-
stände aufzunehmen und gleichzeitig
als Bank und Schrank und Reisekoffer
zu dienen, entwickelte sich durch Um-
bildung und Vervollkommnung nach
und nach zu dem wesentlichsten Stücke
des französischen Mobiliars des 14.,
15. und 16. Jahrhunderts, zum Büfett
und niedrigem Schrank mit einem oder
zwei Fächern, der an Stelle des oberen
Deckels durch zwei äußere Schieber
geöffnet wurde. Dieser entwickelte
sich zum Wandschrank
_________ (Cabinet) und selbst zur
Kommode, als die Schub-
fächer hinzukamen und
langsam die Oberherr-
schaft gewannen.
Andere Möbel exi-
stierten unterdessen seit
dem 13. Jahrhundert in
ständigem Gebrauch, ohne
daß uns davon irgend
ein altes Beispiel ge-
blieben wäre. Man setzte
sich auf die Truhen, aber
holztruhe mit eisenbeschläoen (13. jahrh.) auch auf die Bänke und
LEHNSTUHL MIT ÜBERBAU
(15. JAHRH.)
ilovrfOVfS
Die Sammlung Emile Peyre, die sich unaufhörlich
vermehrt und selbst im Laufe der Jahre erneuert
hatte, bildete im Augenblick des Todes des Besitzers
in seinem Hause an der Avenue Malakoff beim ersten
Anblick ein wunderliches Vermächtnis von einer male-
rischen und gelehrt anmutenden Unordnung; nach-
dem sie heute im Museum der dekorativen Künste
durch Mr. Metman und seine Mitarbeiter streng ge-
ordnet ist, hat sie, wenn man einmal vollständige und
methodische Kenntnis davon genommen hat, die Er-
wartung derjenigen nicht getäuscht, die sie ehemals
hatten in Augenschein nehmen können. Der Zahl
nach setzt sie sich aus verschiedenen Serien zusammen,
Gemälden, Skulpturen, Bronzen usw.,
unter denen die Möbel und die deko-
rativen Holztäfelungen, die Holzschnitz-
kunst in all ihren Formen bei weitem
den bedeutendsten Teil bilden. Wir
wollen hier keineswegs ein komplettes
Verzeichnis geben. Wir wollen uns
damit bescheiden, eine bestimmte An-
zahl der französischen und italienischen
Skulpturen anzuzeigen, die besonders
studiert sein wollen und von denen
einige bereits an anderer Stelle publi-
ziert sind, namentlich die Fragmente
vom Grabe des Claude de Lorraine,
ein Werk des Dominique Florentin,
und gewisse Bischofsbilder des 16. Jahr-
hunderts, die aus Rouen stammen.
Unter den Gemälden befindet sich eine
Reihe wertvoller Studien zur Decken-
malerei des 18. Jahrhunderts und ein
Gemälde von Boilly von größtem hi-
storischen Wert, denn es stellt das
Innere des Bildhauerateliers von Hou-
don dar mit dem Porträt des Künstlers
inmitten seiner Familie, wie er eben
damit beschäftigt ist, die Büste des
Gelehrten Laplace zu modellieren. Eine
gewisse Anzahl von sehr interessanten
gotischen Tapisserien vollendet äußerst
glücklich die Sammlungen, die im Mu-
seum für dekorative Künste durch die
Sorgfalt und die Freigebigkeit von Mr.
Jules Maciet gebildet wurden, Keramiken,
Goldschmiedearbeiten,
zahlreiche und hervorra-
gende Kupferplatten haben
sehr vorteilhaft die Samm-
lungen des Museums ver-
mehrt. Auf allen Ge-
bieten sind es besonders
die Epochen des Mittel-
alters und der Renais-
sance, die dadurch ge-
wonnen haben, und be-
sonders unter diesen möch-
ten wir hier die Möbel
und die Holzschneide-
kunst einbeziehen.
Bekanntlich sind die authentischen Beispiele für
die Möbel des frühen Mittelalters heute sehr selten.
Alle entweder in den Büchern oder tatsächlich nach
den Miniaturen oder den Skulpturen dieser Zeit
versuchten Rekonstruktionen enthalten einen großen
Teil von Hypothesen. Dieses Mobiliar setzt sich
übrigens fast durchgängig aus einfachen und selbst
unfertigen Stücken zusammen. Das Leben war roh,
der Wohnort wechselte häufig; der Luxus bestand
hauptsächlich in den Stoffen, von denen viele aus
dem Orient kamen, die man über die Truhen, Bänke,
Bettstellen breitete, die sehr solide gezimmert waren,
mit rohen Fügungen und elementaren Formen. Einige
Schränke haben sich erhalten, die zu
dem liturgischen Gebrauch in der
Kirche dienten, einige Truhen, die sich
hier und dort noch in der Kathedrale
von Noyon vorfinden, im Museum
Carnavalet oder im Museum von Cluny.
Die Spezialbücher haben sehr bald
diese sehr seltenen Beispiele für fran-
zösische Holzarbeiten des 12. und 13.
Jahrhunderts aufgezählt. Zu ihnen
wird man künftighin als Zuwachs noch
die Truhe der Sammlung Peyre hinzu-
rechnen, die wir hier abbilden, und
deren sehr einfache Formen dem ent-
sprechen, was wir soeben sagten, und
bei der der Beschlag, von einem kräf-
tigen und eleganten Stil, einen un-
zweifelhaft künstlerischen Eindruck her-
vorruft.
Diese ursprüngliche Form der
Truhe, die dazu bestimmt war, die
Kleider und die wertvollen Gegen-
stände aufzunehmen und gleichzeitig
als Bank und Schrank und Reisekoffer
zu dienen, entwickelte sich durch Um-
bildung und Vervollkommnung nach
und nach zu dem wesentlichsten Stücke
des französischen Mobiliars des 14.,
15. und 16. Jahrhunderts, zum Büfett
und niedrigem Schrank mit einem oder
zwei Fächern, der an Stelle des oberen
Deckels durch zwei äußere Schieber
geöffnet wurde. Dieser entwickelte
sich zum Wandschrank
_________ (Cabinet) und selbst zur
Kommode, als die Schub-
fächer hinzukamen und
langsam die Oberherr-
schaft gewannen.
Andere Möbel exi-
stierten unterdessen seit
dem 13. Jahrhundert in
ständigem Gebrauch, ohne
daß uns davon irgend
ein altes Beispiel ge-
blieben wäre. Man setzte
sich auf die Truhen, aber
holztruhe mit eisenbeschläoen (13. jahrh.) auch auf die Bänke und
LEHNSTUHL MIT ÜBERBAU
(15. JAHRH.)
ilovrfOVfS