Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 17.1905-1906

DOI Artikel:
Zeitler, Julius: Über künstlerischen Städtebau
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.4870#0098

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
ÜBER KÜNSTLERISCHEN STÄDTEBAU

81



B^-iL

-UsyE



1* %* -

mm

1



HOHENSTAUFENRINO IN KÖLN

nutzt werden. Die Unterscheidung zwischen Fahr-
wegen, Richtwegen und Gehwegen ist selbstverständ-
lich. Auch bei Plätzen, die auf unebenes Terrain
fallen, kommt diese sorgfältige Beachtung der hori-
zontalen Gliederung in Betracht. Vielleicht ist es so-
gar notwendig, für Hügelgebiete besondere Baube-
stimmungen zu erlassen.

Über die praktischste und schönste Einmündung
von Straßen, ob rechtwinklig, ob in einem davon ab-
weichenden Winkel, darüber kann kein Rezept ge-
geben werden. Als ein Mittel zur Geschlossenheit
aber ergibt sich jedenfalls das Verschieben der Straßen-
kreuzungen, oder auch ihre Ausbildung in Weichen-
formen. Festzuhalten ist, daß Straßen schon bei einer
geringen Gekrümmtheit Geschlossenheit erhalten, und
daß nach diesen Prinzipien, die sich durchgehends auf
bewegte Linien beziehen, der Abschluß einer Straße
mit einem dominierenden Schauobjekt, mit einem
Prunkbau, nur ein übler Ausweg ist. Eine geringe
Biegung der Straße an ihrem Ende erzielt einen weit
schöneren Abschluß. Und dazu ist schon ein ganz
minimaler Grad von Gekrümmtheit genügend.

Als Hauptverkehrsadern des aufzuschließenden Ge-
biets bieten sich die alten Landstraßen, die teilweise
schon besiedelt sind und durch die der natürliche
Verkehr geht, von selbst an. Ist diese Ansiedelung
an der alten Straße eine Vorortsgemeinde, so wird die
größte Kunst des Städtebauers dadurch herausgefordert,
daß er sein Plannetz gerade von diesem alten Dorf-
kern aus zu entwerfen, diesen in die Gesamtbeziehungen
seiner Planung hineinzuweben hat. Es wäre die
größte Verkehrtheit, der absurdeste Reißbrettschema-
tismus, den Verkehr künstlich um so einen alten Dorf-
kern herumleiten zu wollen. Genau, wie es Leute
gibt, die für Radialstraßen der Außenstadt solche
Kurven verlangen, daß sich ihre Bewegung als Welle
dem Stadtinnern mitteile! Umgekehrt! Die Außen-

Kunstgewerbeblatt. N. F. XVII. H. 4

stadt hat ihre Kurven von den Verkehrswellen
der Innenstadt her zu bekommen.

Nach dem Vorhergehenden sind Platzanlagen
eine Folge der Straßen. Beim Anlegen von
Plätzen ist ebenfalls ein nicht geringes Gefühl
für die Gestalt des Geländes erforderlich. Nach
der vorhergegangenen Verteilung des Gebietes
zu Verkehrs-, zu Wohnungs- und zu gewerblichen
Zwecken, nach dem Entwerfen der Hauptstraßen-
linien bekommen auch Plätze ihren organischen
Raum bestimmt. Danach richtet sich auch die
Größe der Plätze wie die Form nach dem Ge-
lände. Ein tüchtiger Planleger wird Verlockungen
zur perspektivischen Anordnung eines Platzes
nicht anheimfallen. Sternplätze gar verdienen
bloß als die schlimmsten Ausgeburten der Geo-
meterphantasie gebrandmarkt zu werden. Wir
haben es leider ganz verlernt, die große ästheti-
sche Wirkung unregelmäßiger Plätze zu empfinden.
So ist uns mit einer Aufstellung von Regeln über
Breitenplätze und Tiefenplätze, und über ihr Ver-
hältnis zu den dominierenden Gebäuden daran,
gar nicht gedient. Auch gegenüber den belieb-
ten Riesenabmessungen von Plätzen wird man
wohl wieder zur Nüchternheit kommen. Was gefordert
werden kann, ist nur die strenge Auseinanderhaltung
von Verkehrsplätzen und Ruheplätzen, und dazu in
ästhetischem Sinn eine möglichste Geschlossenheit der
gesamten Platzanlage. Betreffs der Aufstellung von
Denkmälern und Brunnen gilt das früher gesagte:
sie gehören nicht in die Mittelachsen, überhaupt nicht
an Kreuzungspunkte, sondern an aus dem Verkehr
weggerückte Stellen.

Nach solchen Prinzipien, wie ich sie hier etwas
summarisch zusammenzufassen suchte, sind schon ver-
schiedene Stadterweiterungen vorgenommen worden,

FLEET DEICHSTRASSE IN HAMBURG

12
 
Annotationen