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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 17.1905-1906

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Hevesi, Ludwig: Volkskunst und Hausindustrie in Österreich
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https://doi.org/10.11588/diglit.4870#0130

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VOLKSKUNST UND HAUSINDUSTRIE IN ÖSTERREICH

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Sammlungen boten für das Tschechoslavische reichen
Stoff. Besonders glänzend, namentlich im Kostüm,
trat der Stamm der Choden (im Böhmerwald, Um-
gebung von Taus) hervor. Dieses kraft- und phantasie-
volle, poetische und witzige Völkchen hat in neuester
Zeit sogar einen Maler gefunden, der sich bloß seiner
Verherrlichung widmete, den unglücklichen Jaroslav
Spillar, der kürzlich dem Wahnsinn verfallen ist.
Die Choden tragen noch ihre alte Tracht, meist blau

Seide auszeichnet. In Westböhmen (Kralowitz und
Plaß) fallen die reichgestickten Haarbänder und mit
Ornamenten übersäten farbigen Kopftücher auf, in
Pilsen wieder die grotesken Formen und blendend-
weißen Stickereien der Tracht, dazu die weißen
Flügelhauben (holubinsky, Täubchen), wie sie auch
in Smetanas »verkaufter Braut« auf die Bühne ge-
langen. Neben diesen weißen Hauben gibt es aber
auch schwere Gold- und Silberhauben, mit Granaten

FAYENCESCHÜSSEL, BEMALT. GMUNDEN

und über und über mit bunter, Seide gestickt. Auch
die Leitomischler Tracht (»böhmische Brüder«), im
Osten Böhmens, ist reich an Seidenstickerei, besonders
die männliche, mit den reichen grünen Pflanzen-
ornamenten der Weste und Jacke und dem breiten,
mit Pfauenfederstickerei geschmückten Ledergürtel,
der in Hohenmauth gearbeitet wird. In Südböhmen
ist es die Gegend von Blatna, Sobieslau usw.
(Blatensky-Tracht), die sich durch altererbte Pracht-
stickerei von Pflanzenornamenten und Rosen in roter

und Perlen bestickt, dann ein reichgesticktes soge-
nanntes »Karmoisinkopftuch«, dessen Karmoisin aber
auch andere Farben bedeuten kann. Auch die Babys
werden, das heißt wurden einst, mit all ihrem Um
und Auf so reich geschmückt. In den Sammlungen
meldet sich das alles. Die Gegenwart hat damit
aufgeräumt. Nur Spuren von allerlei alter Volkskunst
finden sich, auch von Kürschnerei, Töpferei, Weberei
und von dem im 18. Jahrhundert blühenden Kunst-
schreibe- und Buchmalergewerbe, das dem Volke
 
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