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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 17.1905-1906

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Hevesi, Ludwig: Volkskunst und Hausindustrie in Österreich
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https://doi.org/10.11588/diglit.4870#0132

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VOLKSKUNST UND HAUSINDUSTRIE IN ÖSTERREICH

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Holzgerät, seine Truhen insbesondere, sind aus freier
Hand und freiem Kopfe mit der mühsamsten Klein-
oder Großschnitzerei bedeckt. Auch als Gelbgießer
(Knöpfe, Schmuckgegenstände in durchbrochener und
gravierter Arbeit) sind sie sehr begabt. Alles wird
ohne Vorlagen gemacht, auch die Stickereien, die oft
mit Glasperlen und Metallflittern belebt sind. Der
»Kilim« (Teppich), den sie weben, stammt aus dem
Orient, europäisiert und anilinisiert sich aber bereits.
Er wird auf einfachen wagerechten Leinenwebstühlen
aus Hanf- oder Flachsfäden und Wolle gewebt. Ost-
galizien hat auch als Spezialität die Bachminskischen
Keramiken (weiße Engobe mit bunten Blumen und

usw. Das Tatra-Museum in Zakopane sammelt die
Motive; eine Publikation haben Fachschuldirektor
Stanislaus Barabasz und Maler Stanislaus Witkiewicz
herausgegeben. Von der Zakopaner Volkskunst er-
warten weite Kreise in Galizien einen nationalen
Kunststil. Ein anderes Stilzentrum ist Sandez, wo
namentlich das reiche Kostüm eine Fundgrube von
Ornamentik für die ganze Umwelt des Menschen ist.
Es sind meist Wellenlinien, kombinierte Kurven und
stilisierte Pflanzen. Zu den reichfarbigen Völkern
gehören auch die Ruthenen und Rumänen der Buko-
wina. Die Kinder auf der Gänseweide stochern
schon an ihren Stickereien herum. Fast in jedem

BRAUTZUOSKOSTÜME AUS DER GEGEND VON KRAKAU

geometrischen Figuren). Über die Huzulen hat Pro-
fessor Wladimir Schuchewicz ein ausführliches Werk
geschrieben. In Westgalizien hat sich besonders der
Zakopaner Stil bemerklich gemacht. Zakopane ist ein
Dorf am Nordfuß der Tatra, wo jetzt auch eine
Fachschule besteht. Die Goralen (Bergbewohner) der
Gegend haben tatsächlich einen autochthonen Stil, der
ihrem ganzen Milieu eigen und auch allen modernen
Zumutungen gewachsen ist. Es ist ein ernster, ein-
facher, folgerichtiger Stil, der seine wenigen primi-
tiven Formen von bäuerlichen auf bürgerliche Zwecke
zu übertragen gestattet, indem z. B. aus dem Hinter-
teile eines Goralenschlittens die Lehne eines Fauteuils,
aus dem Henkel eines Holzgefäßes eine Konsole wird

Schließlich gebührt
Istrien und Dalmatien.

Bauernhause steht ein Webstuhl und es war früher
der Ehrgeiz jedes Hauses, nur sein eigenes Erzeugnis
zu benutzen.

ein Blick dem Küstenland,
Im Caglio bei Görz sind
noch Reste alter Tracht und Wohnweise zu finden,
Pirano war noch vor kurzem ein Hauptort für
bodenwüchsiges Gold- und Silberfiligran, die Tschit-
schen haben ihre eigene Lodentracht mit originellen
Wirkmotiven usw. Die allverbreiteten Spinnstäbe sind
bei den verschiedenen Volksstämmen immer anders
geschnitzt. Die altertümlichen Schiffswimpelzieraten
der Fischerbarken von Veglia und Cherso erfreuen
sich einer bisher noch ganz rätselhaften Ornamentik.
 
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