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MEISTERWERKE DER KUNST AUS SACHSEN UND THÜRINGEN
HEILIGENFIGUR VON TILMAN RIEMENSCHNEIDER
(ABGELAUGT)
Medaille mit seinem Selbstporträt vom Jahre 1568 zu
bereichern nicht einwandfrei.
Nächst den Gemälden beanspruchten auf der Er-
furter Ausstellung die Werke der Bildnerei
das größte Interesse. Es ist nur recht und
billig, wenn sich diejenigen, die von Amts-
wegen mit der Kunstpflege in den sächsisch-
thüringischen Landen zu tun haben, wenn
die Inventarisatoren des Gebietes selbst be-
müht gewesen sind, das bodenständige,
gewöhnlich schwerbewegliche Material in
reicher Auswahl zusammenzubringen und
auch selbst zu bearbeiten. Doering und
Voß haben sich in diese dankenswerte
Arbeit geteilt.
Doering hat die Besprechung der Bild-
hauerkunst seit der Zeit des späten Mittel-
alters übernommen und sein ausführlicher
Bericht wächst aus zu einer Skizze der
obersächsischen Plastik überhaupt. Wie
die vor- und frühcranachische Malerei
mannigfacher Beeinflussung von Westen
und Süden (Franken) ausgesetzt gewesen
ist, so erscheint auch die Skulptur in der-
selben Weise abhängig von den blühen-
den Schulen der Nachbargebiete. Nament-
lich die Grabmalplastik zeigt vielfach frän-
kischen Einfluß. Interessant ist der Hinweis
auf das von Nürnberger Art zeugende
hübsche Sakramentshaus der Kemberger
Stadtkirche und der Vergleich mit dem ver-
wandten Sakramentar aus Weinböhla im
Dresdener Altertumsmuseum. Auch die
Verbreitung von Werken der Vischerschen
Gußhütte wird gebührend hervorgehoben;
bei der Besprechung des in Wittenberger
Privatbesitz befindlichen Holzreliefs (Taf.
64 a) mit der Kreuzigung und anderen
biblischen und symbolischen Darstellungen
möchten wir aber eher an die Weise Rein-
harts, der unter Cranachschem Einfluß stand,
denn an den jüngeren Vischer denken.
Doch das näher zu begründen, soll einer anderen
Gelegenheit vorbehalten bleiben.
Der Art des Tilman Riemenschneider, von dem in der
Veste Coburg eine anscheinend eigenhändige Madonna
bewahrt wird, werden ein paar weibliche Figuren im
Erfurter Dom zugeschrieben (Taf. 61), eine hl. Anna
selbdritt und die hl. Elisabeth, unseres Erachtens ohne
zwingenden Grund. Für diesen Typus der Kopf-
bildung und diesen besonderen Gefühlsausdruck, auch
für die Haltung und Gewandfältelung der beiden sehr
eindrucksvollen Figuren fehlt es in dem Werke Riemen-
schneiders und seiner direkten Schule an ausschlag-
gebenden Analogien. Was Doering über den Gesichts-
schnitt der zum Vergleich mit der Coburgerin herange-
zogenen Madonnen aus dem Münchner Nationalmuseum
von »größerer Herbigkeit« sagt, bedarf, wie die betref-
fenden Angaben in dem Buche von Toennies sorgfäl-
tiger Revision — wenigstens sind uns genug Riemen-
schneidersche Madonnen mit »weichlicherem« oder
vielmehr milderem Typus bekannt, die dem Würzburger
Meister mit gutem Grunde zugeschrieben sind. Wenn
in der Beurteilung dieser im letzten Grunde nur vor
BILDNIS DES JOHANN STEPHAN REUSS VON LUKAS CRANACH D. Ä.
NÜRNBERG, GERMANISCHES MUSEUM
1503
MEISTERWERKE DER KUNST AUS SACHSEN UND THÜRINGEN
HEILIGENFIGUR VON TILMAN RIEMENSCHNEIDER
(ABGELAUGT)
Medaille mit seinem Selbstporträt vom Jahre 1568 zu
bereichern nicht einwandfrei.
Nächst den Gemälden beanspruchten auf der Er-
furter Ausstellung die Werke der Bildnerei
das größte Interesse. Es ist nur recht und
billig, wenn sich diejenigen, die von Amts-
wegen mit der Kunstpflege in den sächsisch-
thüringischen Landen zu tun haben, wenn
die Inventarisatoren des Gebietes selbst be-
müht gewesen sind, das bodenständige,
gewöhnlich schwerbewegliche Material in
reicher Auswahl zusammenzubringen und
auch selbst zu bearbeiten. Doering und
Voß haben sich in diese dankenswerte
Arbeit geteilt.
Doering hat die Besprechung der Bild-
hauerkunst seit der Zeit des späten Mittel-
alters übernommen und sein ausführlicher
Bericht wächst aus zu einer Skizze der
obersächsischen Plastik überhaupt. Wie
die vor- und frühcranachische Malerei
mannigfacher Beeinflussung von Westen
und Süden (Franken) ausgesetzt gewesen
ist, so erscheint auch die Skulptur in der-
selben Weise abhängig von den blühen-
den Schulen der Nachbargebiete. Nament-
lich die Grabmalplastik zeigt vielfach frän-
kischen Einfluß. Interessant ist der Hinweis
auf das von Nürnberger Art zeugende
hübsche Sakramentshaus der Kemberger
Stadtkirche und der Vergleich mit dem ver-
wandten Sakramentar aus Weinböhla im
Dresdener Altertumsmuseum. Auch die
Verbreitung von Werken der Vischerschen
Gußhütte wird gebührend hervorgehoben;
bei der Besprechung des in Wittenberger
Privatbesitz befindlichen Holzreliefs (Taf.
64 a) mit der Kreuzigung und anderen
biblischen und symbolischen Darstellungen
möchten wir aber eher an die Weise Rein-
harts, der unter Cranachschem Einfluß stand,
denn an den jüngeren Vischer denken.
Doch das näher zu begründen, soll einer anderen
Gelegenheit vorbehalten bleiben.
Der Art des Tilman Riemenschneider, von dem in der
Veste Coburg eine anscheinend eigenhändige Madonna
bewahrt wird, werden ein paar weibliche Figuren im
Erfurter Dom zugeschrieben (Taf. 61), eine hl. Anna
selbdritt und die hl. Elisabeth, unseres Erachtens ohne
zwingenden Grund. Für diesen Typus der Kopf-
bildung und diesen besonderen Gefühlsausdruck, auch
für die Haltung und Gewandfältelung der beiden sehr
eindrucksvollen Figuren fehlt es in dem Werke Riemen-
schneiders und seiner direkten Schule an ausschlag-
gebenden Analogien. Was Doering über den Gesichts-
schnitt der zum Vergleich mit der Coburgerin herange-
zogenen Madonnen aus dem Münchner Nationalmuseum
von »größerer Herbigkeit« sagt, bedarf, wie die betref-
fenden Angaben in dem Buche von Toennies sorgfäl-
tiger Revision — wenigstens sind uns genug Riemen-
schneidersche Madonnen mit »weichlicherem« oder
vielmehr milderem Typus bekannt, die dem Würzburger
Meister mit gutem Grunde zugeschrieben sind. Wenn
in der Beurteilung dieser im letzten Grunde nur vor
BILDNIS DES JOHANN STEPHAN REUSS VON LUKAS CRANACH D. Ä.
NÜRNBERG, GERMANISCHES MUSEUM
1503