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KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU
auch im Flächenschmuck versucht haben. Vieles ist ge-
schaffen worden, was mehr durch Außergewöhnlichkeit
als durch Schönheit auffällt, anderes auch wieder, was sich
einen mehr bleibenden Wert zuschreiben kann. Bemerkens-
wert und neu in der ganzen Richtung ist der gänzliche
Mangel eines durchgehenden Zuges durch die Musterung.
Jeder Künstler schafft streng persönlich, er kümmert sich
nicht um Mode und Tagesgeschmack, und so bieten denn
die Sammlungen moderner Möbelstoffe ein buntscheckiges
Bild der verschiedensten Geschmacksrichtungen. Es kann
hier mit großem Recht gesagt werden: der Grundzug im
heutigen Geschmack liegt im Persönlichen. Bei all den
vielen Verschiedenheiten der heutigen Musterung läßt sich
jedoch ein Zug verfolgen, der zu einer immer größeren
Vereinfachung der Formensprache führt. Wie z. B. in der
Möbelindustrie eine ausgesprochene Neigung zum Ein-
fachen zu erkennen ist, die Möbel in den einfachsten Werk-
und Zweckformen ohne jede Schmuckbeigabe herzustellen,
so ist auch in der Möbelstofferzeugung stellenweise eine
Einfachheit der Muster, die aus Dreiecken, Vierecken,
Linien und Punkten bestehen, zu finden, die keine weitere
Steigerung mehr zuläßt. Es ist ja nur folgerichtig, daß
zum Bezug von Möbeln oder als schmückende Beigabe für
Zimmer mit Möbeln, die durch Einfachheit in der Er-
scheinung jedes Auf- oder Vordrängen vermeiden, keine
Stoffe genommen werden, die nun ihrerseits diese von den
Möbeln glücklich vermiedenen Eigenschaften besitzen. Es
ist sehr möglich, mit einfach gemusterten Stoffen in schönen
Farben, zusammen mit bescheiden auftretenden Möbeln,
harmonisch und wohltuend wirkende Innenräume zu
schaffen, in denen der Mensch sich behaglich und vor allen
Dingen als Hauptsache fühlt. Der moderne Mensch, be-
sonders der Mann in seiner farblosen, dunklen Kleidung
geht leicht in einem überreich ausgeschmückten Zimmer
in der Erscheinung verloren. Es paßt z. B. der spitzen-
besetzte Herr aus der Zeit Ludwigs XIV. mit unterrock-
artig erweiterten Pantalons und buntseidenem Wams besser
zu den wuchtigen, prunkhaft vergoldeten Barockmöbeln
mit großen, reichen, bunten Mustern, als der moderne,
ganz in schwarz gehüllte Frackmensch. Und wie es durch
die Jahrhunderte hindurch zu erweisen ist, daß jeder Stil
mehr oder weniger ein Ausdruck des Zeitgeistes ist, so sind
auch diese soeben angedeuteten kleinen und einfachen
Muster der Ausdruck unserer Zeit, die infolge der Riesen-
fortschritte der Technik mehr und mehr anfängt, das tech-
nisch Gebotene, das großzügig Wesentliche zu betonen
und von kleinlichem, falsch aufgesetztem Zierat absieht.
Dieses Zurückgehen zur Einfachheit bringt auch die Mög-
lichkeit nahe, für reichere Schmuckformen von vorne an
wieder neu aufzubauen und so vielleicht zu dem zu kommen,
was allseitig angestrebt wird, zu einem neuen Stil auch
im Flächenschmuck, der den Bedürfnissen und Eigenheiten
unserer Zeit entspricht.
Es bleibt noch übrig, kurz auch von dem künstle-
rischen Einfluß auf die Musterung der Damenkleiderstoffe
und der Stoffe zu sprechen, die, für Herren bestimmt, eine
künstlerische Beeinflussung zulassen; es sind dies die Kra-
wattenstoffe. Als bekannt kann wohl die Schaffung der
sogenannten Künstlerseide in rheinischen Fabriken vor drei
bis vier Jahren angenommen werden; Firmen, wie Deuß &
Oetker in Krefeld, C. Lange, ebendaselbst, und die schon
wieder eingegangene Cristiansen-Seidenweberei in Rheydt
webten seidene Damenkleiderstoffe nach Entwürfen mo-
derner Nutzkünstler, wie Eckmann, Van de Velde, Leistikow,
von Berlepsch, Mohrbutter, Endell und anderer. Wenn die
Bemühungen, auch auf diesem Gebiete umgestaltend und
künstlerisch veredelnd zu wirken, nicht den Erfolg gehabt
haben, den man ihnen gewünscht hat, so lag dies an dem
vorhin berührten Mangel an webereitechnischen Kennt-
nissen der musterzeichnenden Künstler. Mehr, als Möbel-
stoffe, verlangt das Seidengewebe ein Eingehen auf die
Möglichkeiten, mehr oder weniger glänzende Wirkungen
mit Hilfe der verschiedenartigsten Bindungen hervorzu-
bringen. Es genügt hierzu nicht eine originelle, zu Papier
gebrachte Umrißzeichnung, es muß bei der Zeichnung des
Musters die Wirkung der Flächen und Musterformen gegen-
einander abgewogen und dem Patroneur und Weberei-
techniker in die Hand gearbeitet werden, damit sie im-
stande sind, das schöne, glänzende Seidenmaterial nachher
durch die verschiedensten Bindungen voll zur Wirkung
kommen zu lassen. Es bleibt den Künstlern, die wohl
nie sich diese eingehenden technischen Kenntnisse an-
eignen werden, doch noch ein großes Feld zur Bearbeitung,
und zwar, indem sie mittelbar durch den beruflichen Muster-
zeichner ihren Einfluß geltend machen. Der Allgemein-
künstler, der unabhängig von Überlieferung und Modestil
schafft, kann jenem mit neuen Anschauungen und neuen
Anregungen zu Hilfe kommen, ihm vorher unbekannte und
verschlossene Wege weisen, so daß, in der richtigen Art
vom Berufszeichner verarbeitet, neue, künstlerische Formen-
kreise erstehen. In sehr glücklicher Weise ist dieser Weg
in der Krefelder Krawattenstoffindustrie von der Firma
Audiger & Meyer beschritten worden, und die Ergebnisse sind
recht erfreuliche. Bei derartig entstandenen Stoffen ist zu
beobachten, wie durch die Technik die Wirkung des Ma-
terials mit dem Muster zu einem organischen Ganzen ver-
einigt worden ist. Es ist dies der Weg, wie auch auf
anderen Gebieten der Seidenindustrie den Künstlern der
richtige Einfluß eingeräumt werden kann.
Wird nun noch die Leinenindustrie erwähnt, für welche
die verschiedensten Künstler in gelungenster Weise ge-
arbeitet haben, dann das ganze große Gebiet der Stickerei,
die in den letzten Jahren außerordentlich künstlerisch be-
einflußt worden ist, so kann mit Recht gesagt werden,
daß die moderne künstlerische Bewegung, die der Jetztzeit
in so bedeutendem Maße ihren Stempel aufdrückt, nicht
spurlos an der Textilindustrie vorübergegangen ist; sie
hat sich vielmehr der verschiedensten Zweige bemächtigt
und eine Umwandlung der für sie gebrauchten Zierformen
geschaffen, die von dem alten, ausgetretenen Geleise weit
abgeführt hat und jedem sehenden und künstlerisch empfin-
denden Menschen zur Freude gereichen muß.
PAUL SCHULZE,
Konservator der Kgl. Gewebesammlung Krefeld.
KIRCHLICHE KUNST AUF DER KUNST-
GEWERBEAUSSTELLUNG DRESDEN
Die Abteilung für kirchliche Kunst bildet den Mittel-
punkt der Ausstellung. Sie verdankt ihre Entstehung dem
Wunsche der Künstler, zu zeigen, daß auch bei moderner
Formgebung dem kirchlichen Gedanken ein würdiger Aus-
druck verliehen werden kann und daß in dem vielfachen
Widerstreit der Ansichten zwischen Theologen und Künst-
lern durch ein Darlegen der Ansichten der letzteren in
einer vom Bauherrn unbeeinflußten Weise ein Mittel zur
Verständigung gefunden werden kann. Der große Mittel-
saal der Ausstellung wurde zu diesem Zweck in zwei
etwa gleichgroße Teile abgetrennt, neben denen sich noch
einige kleinere Gelasse befinden. Die Hauptteile sollen
kirchlich ausgestattet werden, und zwar baut Dresden den
protestantischen kirchlichen Raum und München den katho-
lischen. Ersterer wird einheitlich ausgebildet, mit einer
Kanzel und einer Orgel, sowie mit Gestühl versehen sein.
Es sollen hier kirchliche Konzerte intimer Art zur Auf-
führung kommen. Auf Aufstellung eines Altars hat man
KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU
auch im Flächenschmuck versucht haben. Vieles ist ge-
schaffen worden, was mehr durch Außergewöhnlichkeit
als durch Schönheit auffällt, anderes auch wieder, was sich
einen mehr bleibenden Wert zuschreiben kann. Bemerkens-
wert und neu in der ganzen Richtung ist der gänzliche
Mangel eines durchgehenden Zuges durch die Musterung.
Jeder Künstler schafft streng persönlich, er kümmert sich
nicht um Mode und Tagesgeschmack, und so bieten denn
die Sammlungen moderner Möbelstoffe ein buntscheckiges
Bild der verschiedensten Geschmacksrichtungen. Es kann
hier mit großem Recht gesagt werden: der Grundzug im
heutigen Geschmack liegt im Persönlichen. Bei all den
vielen Verschiedenheiten der heutigen Musterung läßt sich
jedoch ein Zug verfolgen, der zu einer immer größeren
Vereinfachung der Formensprache führt. Wie z. B. in der
Möbelindustrie eine ausgesprochene Neigung zum Ein-
fachen zu erkennen ist, die Möbel in den einfachsten Werk-
und Zweckformen ohne jede Schmuckbeigabe herzustellen,
so ist auch in der Möbelstofferzeugung stellenweise eine
Einfachheit der Muster, die aus Dreiecken, Vierecken,
Linien und Punkten bestehen, zu finden, die keine weitere
Steigerung mehr zuläßt. Es ist ja nur folgerichtig, daß
zum Bezug von Möbeln oder als schmückende Beigabe für
Zimmer mit Möbeln, die durch Einfachheit in der Er-
scheinung jedes Auf- oder Vordrängen vermeiden, keine
Stoffe genommen werden, die nun ihrerseits diese von den
Möbeln glücklich vermiedenen Eigenschaften besitzen. Es
ist sehr möglich, mit einfach gemusterten Stoffen in schönen
Farben, zusammen mit bescheiden auftretenden Möbeln,
harmonisch und wohltuend wirkende Innenräume zu
schaffen, in denen der Mensch sich behaglich und vor allen
Dingen als Hauptsache fühlt. Der moderne Mensch, be-
sonders der Mann in seiner farblosen, dunklen Kleidung
geht leicht in einem überreich ausgeschmückten Zimmer
in der Erscheinung verloren. Es paßt z. B. der spitzen-
besetzte Herr aus der Zeit Ludwigs XIV. mit unterrock-
artig erweiterten Pantalons und buntseidenem Wams besser
zu den wuchtigen, prunkhaft vergoldeten Barockmöbeln
mit großen, reichen, bunten Mustern, als der moderne,
ganz in schwarz gehüllte Frackmensch. Und wie es durch
die Jahrhunderte hindurch zu erweisen ist, daß jeder Stil
mehr oder weniger ein Ausdruck des Zeitgeistes ist, so sind
auch diese soeben angedeuteten kleinen und einfachen
Muster der Ausdruck unserer Zeit, die infolge der Riesen-
fortschritte der Technik mehr und mehr anfängt, das tech-
nisch Gebotene, das großzügig Wesentliche zu betonen
und von kleinlichem, falsch aufgesetztem Zierat absieht.
Dieses Zurückgehen zur Einfachheit bringt auch die Mög-
lichkeit nahe, für reichere Schmuckformen von vorne an
wieder neu aufzubauen und so vielleicht zu dem zu kommen,
was allseitig angestrebt wird, zu einem neuen Stil auch
im Flächenschmuck, der den Bedürfnissen und Eigenheiten
unserer Zeit entspricht.
Es bleibt noch übrig, kurz auch von dem künstle-
rischen Einfluß auf die Musterung der Damenkleiderstoffe
und der Stoffe zu sprechen, die, für Herren bestimmt, eine
künstlerische Beeinflussung zulassen; es sind dies die Kra-
wattenstoffe. Als bekannt kann wohl die Schaffung der
sogenannten Künstlerseide in rheinischen Fabriken vor drei
bis vier Jahren angenommen werden; Firmen, wie Deuß &
Oetker in Krefeld, C. Lange, ebendaselbst, und die schon
wieder eingegangene Cristiansen-Seidenweberei in Rheydt
webten seidene Damenkleiderstoffe nach Entwürfen mo-
derner Nutzkünstler, wie Eckmann, Van de Velde, Leistikow,
von Berlepsch, Mohrbutter, Endell und anderer. Wenn die
Bemühungen, auch auf diesem Gebiete umgestaltend und
künstlerisch veredelnd zu wirken, nicht den Erfolg gehabt
haben, den man ihnen gewünscht hat, so lag dies an dem
vorhin berührten Mangel an webereitechnischen Kennt-
nissen der musterzeichnenden Künstler. Mehr, als Möbel-
stoffe, verlangt das Seidengewebe ein Eingehen auf die
Möglichkeiten, mehr oder weniger glänzende Wirkungen
mit Hilfe der verschiedenartigsten Bindungen hervorzu-
bringen. Es genügt hierzu nicht eine originelle, zu Papier
gebrachte Umrißzeichnung, es muß bei der Zeichnung des
Musters die Wirkung der Flächen und Musterformen gegen-
einander abgewogen und dem Patroneur und Weberei-
techniker in die Hand gearbeitet werden, damit sie im-
stande sind, das schöne, glänzende Seidenmaterial nachher
durch die verschiedensten Bindungen voll zur Wirkung
kommen zu lassen. Es bleibt den Künstlern, die wohl
nie sich diese eingehenden technischen Kenntnisse an-
eignen werden, doch noch ein großes Feld zur Bearbeitung,
und zwar, indem sie mittelbar durch den beruflichen Muster-
zeichner ihren Einfluß geltend machen. Der Allgemein-
künstler, der unabhängig von Überlieferung und Modestil
schafft, kann jenem mit neuen Anschauungen und neuen
Anregungen zu Hilfe kommen, ihm vorher unbekannte und
verschlossene Wege weisen, so daß, in der richtigen Art
vom Berufszeichner verarbeitet, neue, künstlerische Formen-
kreise erstehen. In sehr glücklicher Weise ist dieser Weg
in der Krefelder Krawattenstoffindustrie von der Firma
Audiger & Meyer beschritten worden, und die Ergebnisse sind
recht erfreuliche. Bei derartig entstandenen Stoffen ist zu
beobachten, wie durch die Technik die Wirkung des Ma-
terials mit dem Muster zu einem organischen Ganzen ver-
einigt worden ist. Es ist dies der Weg, wie auch auf
anderen Gebieten der Seidenindustrie den Künstlern der
richtige Einfluß eingeräumt werden kann.
Wird nun noch die Leinenindustrie erwähnt, für welche
die verschiedensten Künstler in gelungenster Weise ge-
arbeitet haben, dann das ganze große Gebiet der Stickerei,
die in den letzten Jahren außerordentlich künstlerisch be-
einflußt worden ist, so kann mit Recht gesagt werden,
daß die moderne künstlerische Bewegung, die der Jetztzeit
in so bedeutendem Maße ihren Stempel aufdrückt, nicht
spurlos an der Textilindustrie vorübergegangen ist; sie
hat sich vielmehr der verschiedensten Zweige bemächtigt
und eine Umwandlung der für sie gebrauchten Zierformen
geschaffen, die von dem alten, ausgetretenen Geleise weit
abgeführt hat und jedem sehenden und künstlerisch empfin-
denden Menschen zur Freude gereichen muß.
PAUL SCHULZE,
Konservator der Kgl. Gewebesammlung Krefeld.
KIRCHLICHE KUNST AUF DER KUNST-
GEWERBEAUSSTELLUNG DRESDEN
Die Abteilung für kirchliche Kunst bildet den Mittel-
punkt der Ausstellung. Sie verdankt ihre Entstehung dem
Wunsche der Künstler, zu zeigen, daß auch bei moderner
Formgebung dem kirchlichen Gedanken ein würdiger Aus-
druck verliehen werden kann und daß in dem vielfachen
Widerstreit der Ansichten zwischen Theologen und Künst-
lern durch ein Darlegen der Ansichten der letzteren in
einer vom Bauherrn unbeeinflußten Weise ein Mittel zur
Verständigung gefunden werden kann. Der große Mittel-
saal der Ausstellung wurde zu diesem Zweck in zwei
etwa gleichgroße Teile abgetrennt, neben denen sich noch
einige kleinere Gelasse befinden. Die Hauptteile sollen
kirchlich ausgestattet werden, und zwar baut Dresden den
protestantischen kirchlichen Raum und München den katho-
lischen. Ersterer wird einheitlich ausgebildet, mit einer
Kanzel und einer Orgel, sowie mit Gestühl versehen sein.
Es sollen hier kirchliche Konzerte intimer Art zur Auf-
führung kommen. Auf Aufstellung eines Altars hat man