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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 17.1905-1906

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Luthmer, Ferdinand: Buchbindekunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.4870#0171

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146

BUCHBINDEKUNST

SAINT-ANDRE DE LIONEREUX-PARIS. GANZLEDERBAND BEMALTES

UND GOLDEN ANGEHAUCHTES RINDSLEDER, IM VERTIEFTEN FELD

DES DECKELS EIN BAUM IN HOHEM, GLÄNZENDEN RELIEF

Hause ist, wird auch in den Arbeiten der englischen
Aussteller neben direkten Nachbildungen vielfach
geistvoll verarbeitete Anlehnungen finden. So wird
derjenige, der in dieser Ausstellung eine plötzliche
Offenbarung ganz neuer Gedanken, einen Einbandstil
des zwanzigsten Jahrhunderts zu sehen hofft, schwer-
lich auf seine Rechnung kommen. Sicher hat ja die
auf eine Änderung unserer ornamentalen Formen-
sprache gerichtete Bewegung des letzten Jahrzehnts
am kräftigsten und erfolgreichsten beim Flachornament
eingesetzt. Aber wir wissen jetzt, nach der ersten
Überraschung über diese neue, so lebensmutig auf-
tretende Richtung doch schon, daß auch hier das
Neue nur langsam reift, und werden mit dankbarer
Anerkennung die entwicklungsfähigen Keime zu neuer
Gestaltung begrüßen, die uns in den Darbietungen
der Wiener, der Engländer und mancher Deutschen
entgegentreten.

Zuvor sei aber eine besondere Richtung male-
rischen Charakters hervorgehoben, die wir bei einigen
französischen Ausstellern finden. Charles Meunier,
der in seinen ornamentalen Lederauflagen den Über-
lieferungen der Graßetschule folgt, bringt eine An-
zahl Bände in Lederschnitt, die in häufig wilden und
phantastischen Kompositionen den Inhalt des Buches

MMB. ANTOINETTE VALLGREN-PARIS. GANZLEDERBAND. IN LEDER-
PLASTIK FLACH MODELLIERTE UND MEHRFARBIG GETÖNTE MAD-
CHENKÖPFE ZWISCHEN BLUMEN (LES YEUX CLAIRS)

anklingen lassen. Daß er mit einem »Faust«-Einband,
auf dem Faust und Gretchen als Skelette figurieren,
unserem nationalsten Drama gerecht zu werden sucht,
mag als Probe angeführt sein. Saint-Andre-de Lig-
nereux nimmt in Frankreich als Wiedererwecker der
Lederplastik eine sehr angesehene Stellung ein; in
den ausgestellten Arbeiten weiß er dieser Technik
durch Färbung und diskrete Vergoldung hohen
künstlerischen Reiz abzugewinnen. Auch Mme. Vall-
gren bekundet in ihren zartgetönten Lederreliefs einen
durchaus künstlerischen Zug, der an manche der
modernen französischen Medailleure erinnert. Aa-
mditre mit geschickten Ritzarbeiten, »pointo-gravure«,
gehört ebenfalls in diese Gruppe. Im Übrigen
zeichnen sich die französischen Einsendungen mehr
durch die traditionelle, kaum zu übertreffende Technik,
als durch neue Gedanken aus. Die älteren Meister,
Gruel, Cuzin, Lortic sind durch einige Arbeiten in
historischen Stilen aus Privatbesitz vertreten; unter
Chambolle-Dum's vorzüglichen Arbeiten ist einem
Innendeckel in Ledermosaik (die Franzosen lieben bei
einfacher Außenbehandlung die reiche Gestaltung
der »doublure«) der Preis zuzuteilen. Rene Keffer
hat unter einer großen Menge von Einbänden in
farbiger Lederauflage, die etwas an das bei uns
 
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