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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 17.1905-1906

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Baumgärtner, Georg August: Ein moderner Zeitungsbau
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https://doi.org/10.11588/diglit.4870#0179

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EIN MODERNER ZEITUNGSBAU

Von G. A. Baumgärtner

DER Verlag der Münchener Neuesten Nach-
richten, der hervorragendsten Zeitung Süd-
deutschlands, sah sich veranlaßt zu bedeu-
tender räumlicher Ausdehnung. Der bisherige Be-
triebsplatz im Färbergraben war nicht mehr weiter-
auszunützen; so halte man sich denn entschlossen,
in der bekannten altvaterisch malerischen Send-
lingerstraße aus dem Geschäftsblock der »M. N. N.«
auszubrechen. Fünf Häuser an der Sendlinger-
straße, die in ihrem rückwärtigen Trakt an die
Hofbauten der Zeitung stießen, wurden aufgekauft
und abgetragen. Dem Baumeister des Prinzregenten-
Theaters zu München, der beiden monumentalen
Warenhäuser Emden und Tietz, Prof. Max Litt-
mann, ward die Aufgabe, die Lücke auszufüllen,
dem Verlag, der Redaktion, der Expedition und
der technischen Abteilung der »M. N. N.« ein
neues Heim zu schaffen.

Nun das Werk vollendet steht, lobt es den Mei-
ster. War es schon schwer, einen entsprechenden
Monumentalbau in die unregelmäßige Kurve der
Sendlingerstraße hineinzukomponieren, der voll-
wertigen eigenen Charakter besitzen und doch kein
Störenfried mit erdrückender Aufdringlichkeit, im
Einheitsbilde sein sollte, so hielt es noch viel
schwerer, hinter eine glückliche Fassade praktische
vielseitige Nutzräume so zu gruppieren, wie sie den
Bedürfnissen einer weitverzweigten modernen Tages-
zeitung entsprechen. Durch eine kühne Neuerung
hat sich der Architekt das volle Gelingen seiner Auf-
gabe gesichert; er legte den Setzerraum, der etwa
150 Arbeitskräfte samt Setzmaschinen, moderner
Waschtoilette usw. aufzunehmen hatte, direkt in den
vierten Stock des Hauses, in den als einzige weite
Halle gebauten Dachraum, den Joche in ge-
fälliger Eisenbetonkonstruktion in angenehm wirken-
den Kurven überspannen. Frei ist da der Blick
gegen Nordwesten; hoch über dem Dächermeer Mün-
chens vermag das Auge zu streifen durch die Glas-
wände, die reflexefreies Licht durch den Setzersaal
spielen lassen. Halb ist das Dach mit Glas bedeckt;
die andere Hälfte, die gegen die Sendlingerstraße liegt,
zeigt das Pultdach als Mittel des Hauses zur Be-
krönung der die Fassade so wirksam gliedernden
eckigen Erkertürme; die Ochsenaugen an den Türmen
markieren hier die Südseite des Setzersaales, der von
den beiden Dachvorspringern links und rechts weiteres
Licht erhält. Im dritten Stock des Hauses, in dem
ein breiter eleganter Korridor läuft, sind Redaktions-
räume aufgemacht.

Überreich flutet das Licht in die schönen Zimmer,
die praktisch und doch köstlich dabei ausgestattet sind
durch Erzeugnisse des modernen Kunstgewerbes; ein
reizendes Erkerzimmer, nach Entwürfen von Niemeyer,
ein zweifenstriges großes Zimmer daneben nach Ent-

FASSADE DER MÜNCHENER NEUESTEN NACHRICHTEN
ENTWURF HEILMANN & LITTMANN

würfen von Kflrl Bertsch sind von den Werkstätten
für Wohnungseinrichtungen hergestellt. Überaus ge-
mütlich ist ein weiteres Redakiionszimmer mit an-
stoßendem Bibliotheksraum (Turmzimmer) in lichter
Wandtäfelung von der Firma Pössenbacher. Bruno
Paul hat das in der Front anstoßende zweite Turm-
zimmer und die Stube daneben ruhig und vornehm
möbliert; Beckerath lieh dem letzten Zimmer in der
Reihe seine Kunst und stattete den Erker gar wohn-
lich aus; auch ein weiteres Redaktionszimmer von
Karl Bertsch verdient alle Anerkennung, ebenso der
kleine Konferenzsaal von Ballin. Als besonders her-
vorragend in der Reihe der vielen Räume, die der
ebenfalls für Redaktionsdienst eingerichtete zweite Stock
des Hauses und der vom Verlag der »M. N. N.« be-
anspruchte erste Stock umfassen, ist der großeKonferenz-
und Repräsentationssaal, eine Meisterschöpfung ange-
wandter Kunst, zu nennen, die von den Vereinigten
Werkstätten für Kunst im Handwerk nach Entwürfen
von Bruno Paul ausgeführt worden ist.
 
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