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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 17.1905-1906

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Baer, J.: Zwei Leipziger Wettbewerbe
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https://doi.org/10.11588/diglit.4870#0183

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158

ZWEI LEIPZIGER WETTBEWERBE

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WETTBEWERB FÜR DEN NASCHMARKT.

PREISGEKRÖNTER ENTWURF DER ARCHITEKTEN WEIDENBACH & TSCHAMMER
»AM NASCHMARKT«

Entwürfe für die i. Konkurrenz hier wiedergegeben wer-
den, beide Male den ersten Preis davontrugen, es verdient
aber ebensosehr Anerkennung, daß Architekt Herold bei
beiden Wettbewerben mit je zwei Projekten vertreten war
und hierfür beide Male einen zweiten und vierten Preis
erhalten konnte.

Wenn nun in eine Besprechung des erstgenannten Wett-
bewerbes eingetreten werden soll, so ist für die Würdigung
der Meßpalastentwürfe nötig, zunächst den in Betracht
kommenden Bauplatz, seine seitherige Bebauung und
seine Umgebung etwas näher anzusehen, da diese von
größtem Einfluß auf die Gestaltung der Neuanlage sein
müssen, soll nicht das schöne alte Stadtbild in uner-
wünschter Weise verändert werden. Es ist historischer
Boden, der hier in Frage kommt, denn der Baublock ist
im Osten von der Reichsstraße, das ist die alte via imperii
oder Reichsmeßstraße, begrenzt, die wohl neben der sie
rechtwinklig schneidenden Grimmaisclien Straße, welche
die südliche Grenze des Baublockes bildet, als der älteste
Straßenzug Leipzigs angesehen werden muß. Hier liegt
der Burgkeller, ein 1560 — 1578 erbautes stattliches Gebäude
mit interessantem Giebel, der leider nun dem Untergang
geweiht ist, da die geplante Straßenverbreiterung den Ab-
bruch unvermeidlich macht. Es wäre wünschenswert, wenn
seine Erhaltung durch Aufbau an anderer Stelle möglich
würde. Auf der Westseite schließt sich an den Baublock
der Naschmarkt an, der von der 1678—1687 erbauten
Börse und dem 1556—1558 von Hieronymus Lotter er-
richteten Rathaus umgeben wird. Beide historisch und
künstlerisch so außerordentlich wertvollen Gebäude be-
herrschen jetzt den Naschmarkt und bilden im Verein mit
der bewegteren Gebäudegruppe der Ostseite und dem an
der Grimmaischen Straße liegenden weltbekannten »Auer-
bachs Hof« ein höchst reizvolles Städtebild. Dasselbe ge-
winnt noch an Anziehung durch eine Gruppe alter Bäume,
die das neuerrichtete Denkmal des jungen Goethe umgeben
und durch ein altes von zwei ehernen Löwen flankiertes
Brunnenhäuschen, welches den Platz von dem regen Ver-
kehr der Grimmaischen Straße abschließt. Wir finden hier
im Mittelpunkt der Stadt unmittelbar an der belebtesten

Verkehrsader ein Fleckchen von so fein poetischer Stimmung
und so eigenartigem Reiz, daß der lebhafteste Wunsch
bestehen muß, diesen Platz in seiner schönen, ruhigen
Wirkung zu erhalten. Hierauf die größte Rücksicht zu
nehmen war bei Gestaltung des Neubaues unbedingt ge-
boten. Man möchte wünschen, daß auch in Zukunft der
Naschmarkt ein buen retiro mitten im Großstadigetriebe
sein möge, daß er auch ferner von der Grimmaisclien
Straße etwa durch eine Balustrade in Verbindung mit
Bänken und einem Brunnen abgeschlossen würde, falls
die alte Plumpe nicht mehr als zeitgemäß betrachtet wird.
Die Platzfläche sollte nicht durch Fahrstraßen und einen
mühsam gepflegten Rasenplatz mit Blumenrabatten zerteilt
werden, der inmitten der hohen Häuser doch nur ein
kümmerliches Dasein fristen kann, sondern einen einheit-
lichen Belag von Steinplatten erhalten. Wenn dann an
schönen Sommerabenden dem Burgkellerwirt gestattet
würde, Tische und Bänke herauszustellen und der Bürger
sich nach des Tages Arbeit hier am frischen Trunk laben
könnte, wenn das Rauschen des Brunnens sich melodisch
mit dem Zwitschern der Vögel in den alten Baumkronen
mischt, zwischendurch ein paar fröhliche Musikanten (keine
Militärmusik mit Pauken und Trompeten) Volksliederweisen
ertönen lassen und von den ehrwürdigen Bauten rings-
umher ein Flüstern und Raunen von der Vergangenheit,
ein verklärender Hauch von Harmonie und Schönheit
auszugehen scheint, dann würde hier im künstlerisch-
architektonischen Rahmen eine Stätte traulichen Volks-
lebens erstehen, die einen Ausgangspunkt zur Belebung
des Empfindens für Volkspoesie und Heimatkunst bilden
könnte.

Sollen diese verlockenden Zukunftsbilder jemals zur
schönen Wirklichkeit werden, so muß man vor allem ver-
meiden, den Meßverkehr durch Anlegung von Ein- oder
Ausfahrten auf den Naschmarkt zu lenken, es muß ferner
die Architektur des Neubaues so gestaltet werden, daß
sie sich derjenigen des Rathauses und der Börse möglichst
unterordnet und müssen schließlich auch die Größen- und
Massenverhältnisse für eine intimere Wirkung an dem
ziemlich kleinen Platz berechnet werden, um denselben
 
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