KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU
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ständnis jener einsamen und aus Mangel an Bewunderung
und kennerhaftem Verständnis darbenden Schönheit er-
ziehen, die in den alten barocken Gärlen, wenn auch in
etwas verwilderten und verwahrlosten Zügen, aufbewahrt
ist. Der Tag, an dem diese Entdeckung gemacht sein
wird, wird ein Tag der Freude und der Trauer sein. Denn
er wird uns bei allem Glück über das wiedergefundene
Göttergeschenk mit einer tiefen Beschämung über unsere
heruntergekommene Kultur erfüllen, die es zuwege brachte,
daß wir uns mit den traurigen Karikaturen, die unsere
meisten Villen und öffentlichen Stadtgärten darstellen, zu-
friedenstellen konnten.
An den barocken alten Gartenschöpfungen mag uns
die Erkenntnis aufgehen, daß der kleine Raum groß aus-
sehen kann, wenn er streng architektonisch behandelt ist.
Die geschnittenen Laubwände, die gerade Linien ergeben,
dürften das Beispiel dafür geben, wie man städtische An-
lagen herstellt, daß sie mitten in der
lärmenden Großstadt eine grüne Insel
bilden und das Gefühl der Entrücktheit
gewähren. Edle Plastiken, Denkmäler,
Brunnen, Teiche mögen darin würdig
aufgestellt werden. Nicht nur den
öffentlichen Gärten, auch den Haus-
gärten dürften sie das beherzigenswerte
Beispiel vor Augen rücken, wie man
den Raum ergiebig ausnützen kann, daß
nicht die wilde Parklandschaft, sondern
der Blumengarten, das Beet, die Hecke
und der Laubengang in solchen Gärten
die Hauptrolle spielen müssen. Diese
und noch viele andere Erfahrungen
werden hier zu schöpfen sein, von der
Anlage der Wege, der geschickten Aus-
nützung des Terrains, der entsprechen-
den Anlage der Terrassen und der gan-
zen architektonischen Unterlage ange-
fangen bis zur Pflege der Blumenbeete,
der Anlage der Hecken, der geschickten
Verwendung der Laubwände und der
Aufstellung geeigneter Gartenplastiken,
Fontänenfiguren und Denkmäler. Daß
Gebäude und Garten architektonisch
eine Einheit darstellen müssen, wird
sowohl für den Hausgarten als für
den Stadtgarten eine wichtige Erkennt-
nis sein. Ganz besonders aber wird
man wichtige Lehren in bezug auf die
schöne Wasserkunst, die ja einstmals
auch den Architekten zum Meister hatte, ziehen können, denn
gerade in den Wasserkünsten haben wir alles vergessen,
was schönes Besitztum der einstigen Gartenkünstler war.
Der geneigte Leser hat nun ein Recht zu fragen, wie
das Beispiel der alten Gartenplastiken für moderne Ge-
staltungen fruchtbar werden könnte. Eine feine Lehre liegt
in der Überlieferung. Die Künstler der Barockzeit waren
Dekorateure, aber sie verloren niemals den Blick aufs
Ganze. Sie hatten ein Architekturgefühl, das uns heute
noch in Erstaunen versetzt. Was immer der allegorische
Begriff der einzelnen Gartenplastiken sein mochte, für die
Gesamtanlage des Gartens besaßen diese Werke die raum-
künstlerische Bedeutung eines Architekturteiles. Das ist eines
der ewigen Grundprinzipe, die wir uns behalten müssen.
Die Gartenplastiken waren als weiße Punkte an den grünen
Laubwandungen aufgestellt, um als Stützpunkte für das
Auge die architektonische Zusammenfassung sichtbar zu
machen. An den Kreuzungspunkten, wo die Alleen und
geschnittenen Hecken zentral verliefen, schimmerte das
Kunstgewerbeblatt. N. F. XVII. H. 10
blendende Weiß der Figuren auf, um nicht vergessen zu
lassen, daß die künstlerische Ordnung des Gartenbezirkes
im Gegensatz zu der draußen liegenden, wild wachsenden
Natur, noch nicht zu Ende ist. Es ist ganz gut zu denken,
daß diese Gartenplastiken als architektonische Werte durch
weiße Pfeiler oder weiße Bänke ersetzt werden können,
ohne der architektonischen Einheit einen Schaden zu be-
reiten. Der moderne Gartenplastiker wird künstlerische
Wirkungen erreichen, wenn er das architektonische Prinzip
zur Grundlage seiner Schöpfungen macht. Diese Wahrheit,
aus dem Antlitz schöner, alter Gärten abgelesen, ermög-
licht es, die maßlose Verirrung zu ermessen, der die neu-
zeitliche Gartenplastik anheim gefallen ist. Was die durch-
schnittliche heutige Gartenplastik der Vergangenheit ent-
gegenzustellen hat, ist in der Regel eine geistlose Anhäufung
von Riesengnomen, Riesenpilzen, Hirschen, in möglichst
naturalistischer Nachbildung, und ähnliche Geschmacklosig-
keiten. Diese Dinge sind nun in einer
willkürlichen, romantischen Art auf-
gestellt, von der kein Mensch zu sagen
weiß, was sie bezwecken sollen. Sie
ist ein deutlicher Beweis, daß die Fähig-
keit, das Ganze zu sehen und die Viel-
heit der Teile zu einer ausdrucksvollen
Einheit zu verbinden, abhanden ge-
kommen ist. Die künstlerische Zukunft
der Gartenplastik wird gesichert sein,
wenn sie sich ihrer architektonischen
Funktion wieder bewußt geworden ist.
Die allegorischen Formen, mit welchen
die barocken Künstler schalten durften,
werden allerdings nicht das Ziel der
neuen Plastiker sein können. Immerhin
wird der moderne Künstler Symbole
von Naturmächten zu verkörpern suchen,
in freier, individueller Auffassung. Seine
Phantasie kann sich jede Freude an
grotesken Bildungen gestatten. Er kann
aber auch an besonderen Punkten den
Ausdruck einer großartigen Weihestim-
mung verdichten. Der berühmte Brunnen
von George Minne würde, in einem Hain
aufgestellt, als Mittelpunkt einer entspre-
chenden Gartenarchitektur eine Offen-
barung bewirken, wie ein heiliger Hain.
Wir dürfen auch nicht vergessen, daß
Böcklins künstlerische Visionen das Ge-
heimnis edler Plastik in Verbindung
mit der Architektur enthüllt hat. Es ist
unserer Zeit nicht möglich, mit solcher spielerischen
Leichtigkeit allegorische Gartenplastiken hervorzuzaubern,
wie es die barocken Skulptoren verstanden haben. Der
Grundsatz schöner Sachlichkeit muß uns heute wichtiger
sein als die pomphafte Herstellung von größenhaften
Dekorationsstücken. Der erlesene Geschmack wird eine
einfache, aber tektonisch richtige Lösung verlangen. Wenn
wir uns aber in neuen Gärten Plastiken zur symbolischen
Betonung des architektonischen Elementes im Namen der
Schönheit gewähren können, dann sollen diese Plastiken
erlesene Kunstwerke sein. Die heutige Zeit ist zwar nicht
mehr gewöhnt, Götterbilder in den Gärten aufzustellen,
aber sie stellt Denkmäler auf, Standbilder unserer Herren.
Um zu charakterisieren, in welcher unverständigen und
wirkungslosen Weise dies in der Regel geschieht, müßte
ich weit über den Rahmen dieser Arbeit hinausgreifen.
Vielleicht werde ich diesem Gegenstande ein besonderes
Kapitel widmen. Es genügt vorläufig zu sagen, daß un-
geahnte Wirkungen erschlossen werden können, wenn die
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ständnis jener einsamen und aus Mangel an Bewunderung
und kennerhaftem Verständnis darbenden Schönheit er-
ziehen, die in den alten barocken Gärlen, wenn auch in
etwas verwilderten und verwahrlosten Zügen, aufbewahrt
ist. Der Tag, an dem diese Entdeckung gemacht sein
wird, wird ein Tag der Freude und der Trauer sein. Denn
er wird uns bei allem Glück über das wiedergefundene
Göttergeschenk mit einer tiefen Beschämung über unsere
heruntergekommene Kultur erfüllen, die es zuwege brachte,
daß wir uns mit den traurigen Karikaturen, die unsere
meisten Villen und öffentlichen Stadtgärten darstellen, zu-
friedenstellen konnten.
An den barocken alten Gartenschöpfungen mag uns
die Erkenntnis aufgehen, daß der kleine Raum groß aus-
sehen kann, wenn er streng architektonisch behandelt ist.
Die geschnittenen Laubwände, die gerade Linien ergeben,
dürften das Beispiel dafür geben, wie man städtische An-
lagen herstellt, daß sie mitten in der
lärmenden Großstadt eine grüne Insel
bilden und das Gefühl der Entrücktheit
gewähren. Edle Plastiken, Denkmäler,
Brunnen, Teiche mögen darin würdig
aufgestellt werden. Nicht nur den
öffentlichen Gärten, auch den Haus-
gärten dürften sie das beherzigenswerte
Beispiel vor Augen rücken, wie man
den Raum ergiebig ausnützen kann, daß
nicht die wilde Parklandschaft, sondern
der Blumengarten, das Beet, die Hecke
und der Laubengang in solchen Gärten
die Hauptrolle spielen müssen. Diese
und noch viele andere Erfahrungen
werden hier zu schöpfen sein, von der
Anlage der Wege, der geschickten Aus-
nützung des Terrains, der entsprechen-
den Anlage der Terrassen und der gan-
zen architektonischen Unterlage ange-
fangen bis zur Pflege der Blumenbeete,
der Anlage der Hecken, der geschickten
Verwendung der Laubwände und der
Aufstellung geeigneter Gartenplastiken,
Fontänenfiguren und Denkmäler. Daß
Gebäude und Garten architektonisch
eine Einheit darstellen müssen, wird
sowohl für den Hausgarten als für
den Stadtgarten eine wichtige Erkennt-
nis sein. Ganz besonders aber wird
man wichtige Lehren in bezug auf die
schöne Wasserkunst, die ja einstmals
auch den Architekten zum Meister hatte, ziehen können, denn
gerade in den Wasserkünsten haben wir alles vergessen,
was schönes Besitztum der einstigen Gartenkünstler war.
Der geneigte Leser hat nun ein Recht zu fragen, wie
das Beispiel der alten Gartenplastiken für moderne Ge-
staltungen fruchtbar werden könnte. Eine feine Lehre liegt
in der Überlieferung. Die Künstler der Barockzeit waren
Dekorateure, aber sie verloren niemals den Blick aufs
Ganze. Sie hatten ein Architekturgefühl, das uns heute
noch in Erstaunen versetzt. Was immer der allegorische
Begriff der einzelnen Gartenplastiken sein mochte, für die
Gesamtanlage des Gartens besaßen diese Werke die raum-
künstlerische Bedeutung eines Architekturteiles. Das ist eines
der ewigen Grundprinzipe, die wir uns behalten müssen.
Die Gartenplastiken waren als weiße Punkte an den grünen
Laubwandungen aufgestellt, um als Stützpunkte für das
Auge die architektonische Zusammenfassung sichtbar zu
machen. An den Kreuzungspunkten, wo die Alleen und
geschnittenen Hecken zentral verliefen, schimmerte das
Kunstgewerbeblatt. N. F. XVII. H. 10
blendende Weiß der Figuren auf, um nicht vergessen zu
lassen, daß die künstlerische Ordnung des Gartenbezirkes
im Gegensatz zu der draußen liegenden, wild wachsenden
Natur, noch nicht zu Ende ist. Es ist ganz gut zu denken,
daß diese Gartenplastiken als architektonische Werte durch
weiße Pfeiler oder weiße Bänke ersetzt werden können,
ohne der architektonischen Einheit einen Schaden zu be-
reiten. Der moderne Gartenplastiker wird künstlerische
Wirkungen erreichen, wenn er das architektonische Prinzip
zur Grundlage seiner Schöpfungen macht. Diese Wahrheit,
aus dem Antlitz schöner, alter Gärten abgelesen, ermög-
licht es, die maßlose Verirrung zu ermessen, der die neu-
zeitliche Gartenplastik anheim gefallen ist. Was die durch-
schnittliche heutige Gartenplastik der Vergangenheit ent-
gegenzustellen hat, ist in der Regel eine geistlose Anhäufung
von Riesengnomen, Riesenpilzen, Hirschen, in möglichst
naturalistischer Nachbildung, und ähnliche Geschmacklosig-
keiten. Diese Dinge sind nun in einer
willkürlichen, romantischen Art auf-
gestellt, von der kein Mensch zu sagen
weiß, was sie bezwecken sollen. Sie
ist ein deutlicher Beweis, daß die Fähig-
keit, das Ganze zu sehen und die Viel-
heit der Teile zu einer ausdrucksvollen
Einheit zu verbinden, abhanden ge-
kommen ist. Die künstlerische Zukunft
der Gartenplastik wird gesichert sein,
wenn sie sich ihrer architektonischen
Funktion wieder bewußt geworden ist.
Die allegorischen Formen, mit welchen
die barocken Künstler schalten durften,
werden allerdings nicht das Ziel der
neuen Plastiker sein können. Immerhin
wird der moderne Künstler Symbole
von Naturmächten zu verkörpern suchen,
in freier, individueller Auffassung. Seine
Phantasie kann sich jede Freude an
grotesken Bildungen gestatten. Er kann
aber auch an besonderen Punkten den
Ausdruck einer großartigen Weihestim-
mung verdichten. Der berühmte Brunnen
von George Minne würde, in einem Hain
aufgestellt, als Mittelpunkt einer entspre-
chenden Gartenarchitektur eine Offen-
barung bewirken, wie ein heiliger Hain.
Wir dürfen auch nicht vergessen, daß
Böcklins künstlerische Visionen das Ge-
heimnis edler Plastik in Verbindung
mit der Architektur enthüllt hat. Es ist
unserer Zeit nicht möglich, mit solcher spielerischen
Leichtigkeit allegorische Gartenplastiken hervorzuzaubern,
wie es die barocken Skulptoren verstanden haben. Der
Grundsatz schöner Sachlichkeit muß uns heute wichtiger
sein als die pomphafte Herstellung von größenhaften
Dekorationsstücken. Der erlesene Geschmack wird eine
einfache, aber tektonisch richtige Lösung verlangen. Wenn
wir uns aber in neuen Gärten Plastiken zur symbolischen
Betonung des architektonischen Elementes im Namen der
Schönheit gewähren können, dann sollen diese Plastiken
erlesene Kunstwerke sein. Die heutige Zeit ist zwar nicht
mehr gewöhnt, Götterbilder in den Gärten aufzustellen,
aber sie stellt Denkmäler auf, Standbilder unserer Herren.
Um zu charakterisieren, in welcher unverständigen und
wirkungslosen Weise dies in der Regel geschieht, müßte
ich weit über den Rahmen dieser Arbeit hinausgreifen.
Vielleicht werde ich diesem Gegenstande ein besonderes
Kapitel widmen. Es genügt vorläufig zu sagen, daß un-
geahnte Wirkungen erschlossen werden können, wenn die
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