Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 17.1905-1906

DOI Artikel:
Kunstgewerbliche Rundschau
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4870#0252

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

AUS DEN REISEBERICHTEN DER VOM KÖNIGL.
PREUSS. MINISTERIUM FÜR HANDEL UND GE-
WERBE 1904 NACH AMERIKA ENTSANDTEN
KOMMISSARE

Die Weltausstellung in St. Louis erscheint uns heute
in der Reihe einander schnell folgender bedeutsamer Er-
eignisse weit zurückliegend. Es ist erklärlich, daß das
allgemeine Interesse für jene große Veranstaltung all-
mählich erlischt, aber jedes vertiefte fachliche Urteil über
ihren Erfolg wird stets willkommen sein, um so mehr als
man annehmen kann, daß es gegenwärtig objektiver und
zutreffender ist, als zur Zeit der Ausstellung oder kurz nach
dem Schluß derselben.

Durch die nunmehr veröffentlichten Berichte der vom
preuß. Handelsminister im Jahre 1904 aus Anlaß der Welt-
ausstellung nach Amerika entsandten Kommissare werden
die Gedanken aller, welche an den Fortschritten und
Leistungen deutschen Qewerbefleißes interessiert sind,
wiederum zurückgelenkt auf die Arena jenes friedlichen
Wettstreites der Völker.

Ein 480 Seiten umfassender QuartbandJ) enthält 14 Einzel-
berichte nebst ausführlichem Sachregister. Unter den in
sieben Kapiteln nach fachlichen Gesichtspunkten gruppierten
Berichten dürften an dieser Stelle die über »Kunstgewerb-
liche Erziehung und Unterricht«-, »Textilindustrie« und »Kera-
mik«- vorwiegend von Interesse sein.

In seinem der ersten dieser Gruppen zugeteilten Be-
richte zieht Landesgewerberat Dr. ing. Muthesius in ein-
gehender Darlegung zunächst einen Vergleich zwischen
dem außerdeutschen und deutschen Kunstgewerbe auf der
Ausstellung. — Das amerikanische Kunstgewerbe war un-
vollständig vertreten. Selbst das, was der bekannte Kunst-
gewerbe Tiffany an schönen Glasgefäßen bot, war in
weit größerer Mannigfaltigkeit in seinem New Yorker Ge-
schäftshause zu besichtigen. Auch die an sich hervor-
ragende amerikanische Buchkunst hatte, im Gegensatz zur
Keramik, nur wenige hervorragende Leistungen aufzuweisen.
In der Kunstindustrie waren Silbergeräte, freilich in Nach-
ahmung französischer und englischer Vorbilder, bemerkens-
wert, ferner Teller, Gläser und Tafelaufsätze aus geschliffenem
Glase.

Frankreichs kunstgewerbliche Erzeugnisse bewegten
sich in den dort üblichen historischen Stilen und wiesen
keine Fortschritte gegen das Jahr 1900 auf. Eine Aus-
nahme machte die Metallkunst, namentlich Bronzeindustrie.
Figürliche Kleinplastik und ziselierter Möbelbeschlag zeigten
hervorragende Proben, sowohl hinsichtlich der Ausführung
als auch des Geschmackes. Neuartige kunstgewerbliche
Formen, die vorbildlich hätten wirken können, waren nicht
wahrzunehmen. Künstlerisch hervorragend waren der Edel-
metallschmuck und die Arbeiten der Staatsmanufaktur von
Sevres. — Englands Ausstellung gewährte keinen Eindruck
von dem kunstgewerblichen Schaffen dieses Landes. —
Die österreichische Abteilung war in kunstgewerblicher Hin-
sicht unvollkommen. Die Exportindustrie war durch billige
Phantasieartikel gut vertreten und die gebogenen Möbel
in durch Künstlerhand verfeinerten Formen. Die Räume

1) Erschienen bei W. Moeser, Hof buchdruckerei; Ber-
lin 1906.

Kunstgewerbeblatt. N. F. XVII. H. 11

des österreichischen Hauses waren fein abgestimmt und
mit vielem Geschmack ausgestattet. — Die Ausstellung
Belgiens war unbedeutend und die Italienische Abteilung
war in künstlerischer Hinsicht geringwertig; hauptsächlich
waren geschnitzte Möbel und Genreplastik in Marmor und
Terrakotta in endloser Reihe zu sehen.

Japan und Deutschland waren nach übereinstimmen-
dem Urteil der Berichterstatter auf der Ausstellung am
vorteilhaftesten vertreten. Japans Abteilung zeigte eine
scharfe Trennung von Kunstgewerbe und Kunstindustrie.
Es hat sich in der Ausführung seiner Arbeiten europäischem
Geschmack anzupassen gewußt. Die Emailleindustrie war
teilweise zu bunt und überladen. Hoch entwickelt in der
Feinheit der technischen Behandlung und Naturbeobachtung
wurde vielfach eine wahrhaft künstlerische Wirkung nicht
erreicht.

Interessant war, nach dem Bericht von Dr. Muthesius,
der Japan durch mehrjährigen Aufenthalt kennen gelernt
hat, der Wandel in der Behandlung der Wohnräume und
Wohnungsausstattung Japans. Mit der Einführung euro-
päischer Sitten und Kleidung haben sich auch europäische
Bedürfnisse geltend gemacht, denen das alte japanische
Zimmer dauernd nicht genügen konnte. Das Sitzen auf
den Fußbodenmatten wurde aufgegeben. Das Zimmer
umziehen nun mit dicken Strohmatten belegte Bänke zum
Sitzen und Liegen. Das Mobiliar wurde dem europäischen
(englischen) ähnlich, das von Europa bezogen, aber auch
von japanischen Tischlern nachgeahmt wurde. Diesen
modernen Forderungen entsprach eine Anzahl in Form
und Farbe harmonischer Innenräume und sehr geschickt
hergestellter Zimmereinrichtungen, die von neuem be-
zeugten, daß »dem japanischen Volke ein fast unerschöpf-
liches Kunstvermögen innewohnt, das vor den verwickeltsten
Aufgaben nicht versagt«. Die Japaner regten nicht nur
die Kauflust der Besucher an, sondern sie suchten auch
namentlich die Achtung vor ihrer Leistungsfähigkeit zu
steigern. Der Markt Japans in Amerika wird zweifellos,
besonders in feinsten Kunstgewerbeerzeugnissen, bedeutend
erweitert werden, denn Japan findet bei den Amerikanern
große Sympathie.

Die erfolgreichen Bestrebungen zur Förderung des
Kunstgewerbes in Deutschland geben der deutschen Ab-
teilung ein neues, charakteristisches Gepräge. Deutschland
zeigte, daß es auf allen Gebieten einer jugendfrischen
Kunst sich einen Platz auf dem Weltmarkte erkämpfen
will. Diese Tatsache wirkte ebenso eindringlich auf die
Besucher, besonders auf die Amerikaner, wie die gesamte
nach künstlerischen Gesichtspunkten angeordnete Aus-
stellung.

Trotz der Verschiedenartigkeit in der künstlerischen
Erfassung der Aufgaben ließen die Ausstellungsgegen-
stände inmancherHinsichtgemeinsameGrunderscheinungen
erkennen: Einfachheit in Mobiliar und Raumausstattung
ohne den ornamentalen Schmuck der bekannten historischen
Kunststile, harmonische Raumgestaltung. Bei den Möbeln
kamen Schönheit und Eigenart des Materials in verschiedenen
Behandlungsweisen zu schönster Geltung. An Stelle von
Reliefschnitzereien gab es farbige Einlagen in großer Ab-
wechselung unter Verwendung von Metallen, Steinen,
Elfenbein usw. Die vorzügliche Ausführung der Ausstellungs-
gegenstände im Verein mit der Art ihrer Vorführung haben
der Ausstellung den glänzenden Erfolg gebracht.

33
 
Annotationen