KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU
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und an der künstlerischen Atmosphäre. Die Vorbereitung
aufs Baufach, für welches keine besonderen Bildungsan-
stalten bestehen, ist durchaus unzulänglich.
Landesgewerberat Gürtler, dessen Bericht über die
Textilindustrie sich zunächst mit den Verhältnissen auf
der Ausstellung beschäftigt, bedauert, daß Deutschland auf
diesem Gebiete kein seiner Leistungsfähigkeit entsprechen-
des Gesamtbild bot. Das von deutschen Firmen Ausge-
stellte kam aber dennoch nicht zur Geltung. Darunter
fielen besonders auf Gobelins einer Berliner Firma, Plauener
Spitzen und die Kunstseidenausstellung Elberfelder Arbeiten.
Amerika hatte wenig ausgestellt, wußte aber durch um-
fassende Reklame die Aufmerksamkeit auf seine Industrie-
erzeugnisse zu lenken. Baumwollstoffe waren in ansprechen-
den Mustern vorhanden, Wollstoffe dagegen unansehnlich.
Möbelstoffe und Teppiche verstießen erheblich gegen unsern
Geschmack.
ui Die amerikanischen Textiljachschalen sind alle Privat-
unternehmungen, welche Subventionen aus öffentlichen
Mitteln beziehen. Die älteste Schule dieser Art ist in Phila-
delphia. Sie hat Tages- und Abendabteilungen mit 100
bezw. 200 Schülern. Das Schulgeld beträgt 150 bezw.
15 Dollar pro Jahr. In der Folge ist eine ganze Reihe
von Textilschulen entstanden, unter anderen auch eine
Korrespondenzschule für die Textilindustrie — zur brief-
lichen Unterrichtserteilung — die von einem ehemaligen
Direktor einer Textilfachschule mit Unterstützung mehrerer
Assistenten geführt wird und deren Schülerzahl auf über
1000 angewachsen sein soll. Der Verfasser besichtigte
zahlreiche Arbeiten der Textilbranche, Baumwoll-, Woll-,
Seiden- und Teppicharbeiten, Kattundruckereien usw. und
er faßt sein Urteil über dieselben dahin zusammen. Die
Textilfabriken sind nach den in europäischen Betrieben
gesammelten Erfahrungen aufs praktischste eingerichtet.
Die Maschinen und Arbeitsmethoden boten indes nichts
Neues. Amerika liefert die Spinnmaschine noch nicht
selbst, die Arbeiten müssen noch von England und mit
diesen Maschinen versehen werden. Die außergewöhnlich
umfangreichen Absatzgebiete nötigen zu Massenleistungen.
Um die Ausgaben für die hohen Arbeitslöhne auszugleichen,
sucht man durch die Maschine und zweckdienliche Spe-
zialisierung der Arbeit die größtmögliche Leistung zu er-
zielen.
Dr. Pakall, Direktor der Königl. keramischen Fach-
schule zu Bunzlaw, berichtet über die keramischen Erzeug-
nisse auf der Weltausstellung, alsdann über die Fabrikation.
Die in Amerika geübten Arbeitsmethoden sind zumeist aus
England geholt. Unter den amerikanischen Terrakotten
stehen die Erzeugnisse der Rookwood-Pottery in Cincinnati
mit der vorzüglich gelungenen Mattglasur obenan. Die
Terrakotten, wie sie zur Verkleidung der in Eisengerüsten
hergestellten Bauten verwendet werden, bestehen oft aus
kolossalen Werkstücken von 2:3 cm Stärke, die innen durch
gekreuzte Bänder gehalten werden. Die Außenseite ist
aufgerauht. Die Stücke sind vielfach mit ornamentalem
und figürlichem Schmuck versehen. Die bedeutendste Fa-
brik für Bauterrakotten ist die American Terra Cotta and
Ceramic Co. Chicago. Die Sanitaryware, in deren Fabri-
kation Amerika große Fortschritte und England empfindlich
Konkurrenz macht, kann hier übergangen werden. Weit
voran ist Amerika auch in der Glasindustrie, für welche
es vorzügliches Material, namentlich in Pennsylvanien be-
sitzt. Hinsichtlich der Reinheit und Schönheit des Glases
und der Sorgfalt der Bearbeitung wird es schwerlich über-
troffen werden.
Daß von außereuropäischen Staaten China durch sein
Porzellan glänzte und Japan ebensowohl durch die Fülle
als durch die Schönheit seiner keramischen Erzeugnisse
hervorragte, ist bekannt. Weniger bekannt, aber wichtig
für die europäischen Staaten, ist das methodische Vor-
gehen der /apaner in der Schaffung von Fachschulen zur
Hebung ihrer keramischen Industrie. Diese Anstalten sind
mit Werkstätten und Laboratorien aufs Zweckdienlichste
ausgestattet und dazu angetan, Japans keramischer In-
dustrie, die sich europäischem Geschmack anzupassen
sucht, einen weiteren Vorsprung gegenüber der anderen
Staaten zu verschaffen.
»An der Spitze nicht nur der dänischen«, so urteilt
dieser Berichterstatter, »sondern an der ganzen keramischen
Ausstellung, stand auch diesmal wieder die Königl. dä-
nische Porzellanmanufaktar«.. Ihre Arbeiten waren durch-
aus stilgerecht, das heißt Zweck, Technik und Material
entsprechend. Die Formen ließen innige Vertiefung in das
Tier- und Pflanzenleben erkennen und sie wirkten an-
ziehend durch die Einfachheit der Darstellung.
Daß die bekannten Staats - Porzellanmanufakturen
Deutschlands und Frankreichs hervorragend vertreten waren,
bedarf kaum noch der Erwähnung. In bezug auf Porzellan
stand Deutschland an dritter Stelle; in Steinzeug war
Frankreich voran, ihm folgte Japan, dann Deutschland; in
Steingut und Knochenporzellan hatte England den Vorrang,
dann kam Belgien und hierauf Deutschland. In Irden-
waren standen die Vereinigten Staaten in erster Reihe.
Keramische Schulen sind als selbständige Institute nicht
vorhanden, sie sind Hochschulen und Universitäten ange-
schlossen und zwar als Unterabteilungen des Bergfachs
und der Hüttenkunde. Da den Amerikaner die Baukeramik
zunächst interessiert, herrscht unter den Zeichenfächern
das technische Zeichnen vor. Der Unterricht, in welchem
Chemie, Mineralogie und Geologie, auch Bernsteinkunde
wichtige Unterrichtsfächer sind, wird in vierjährigen Kursen
verteilt. Auf die Kenntnis einer oder mehrerer fremden
Sprachen wird besonders Gewicht gelegt, da es von Be-
deutung ist, sich aus wissenschaftlichen Zeitschriften über
alle Neuerungen auf dem Gebiete der Keramik rechtzeitig
zu unterrichten.
Die erste Schule fraglicher Art ist in Columbus (Ohio)
1896 entstanden, die übrigen Institute sind aus neuerer
Zeit. —
Das gesamte Fachschulwesen ist in den Vereinigten
Staaten, wie aus sämtlichen Berichten hervorgeht, ver-
hältnismäßig jung. Dementsprechend sind heute auch die
Leistungen auf diesem Schulgebiete.
Alle Berichterstatter stimmen aber in der Annahme
überein, daß es den Amerikanern gelingen wird, die vor-
handenen Unzulänglichkeiten ihres Schulwesens zu über-
winden und das, was sie jetzt schon europäischen Schulen
voraus haben, noch weiter auszugestalten. Mit ihrem
Unternehmungsgeiste, ihrer Energie und Arbeitsfreudigkeit,
namentlich aber mit ihren großartigen Hilfsmitteln aller
Art werden sie, auf der vorhandenen Grundlage weiter-
bauend, im Unterrichtswesen zweifellos weitgesteckte Ziele,
zum Teil auf ganz neuen Bahnen, zu erreichen wissen.
Daß ein gut ausgebildetes Fachschulwesen seiner Kunst-
industrie eine wirksame Stütze sein wird, davon ist der
Amerikaner abenso sehr überzeugt, wie die Bewohner
europäischer Industriestaaten, und er wird es deshalb an
Aufwendungen für seine Fachschulen, wie für das Schul-
wesen überhaupt, nach den gemachten Wahrnehmungen
zum Nutzen seines Landes nicht fehlen lassen.
Herausgeber und verantwortliche Redaktion: E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13
Druck von Ernst Hedrich Nachf., a. m. b. h., Leipzig
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und an der künstlerischen Atmosphäre. Die Vorbereitung
aufs Baufach, für welches keine besonderen Bildungsan-
stalten bestehen, ist durchaus unzulänglich.
Landesgewerberat Gürtler, dessen Bericht über die
Textilindustrie sich zunächst mit den Verhältnissen auf
der Ausstellung beschäftigt, bedauert, daß Deutschland auf
diesem Gebiete kein seiner Leistungsfähigkeit entsprechen-
des Gesamtbild bot. Das von deutschen Firmen Ausge-
stellte kam aber dennoch nicht zur Geltung. Darunter
fielen besonders auf Gobelins einer Berliner Firma, Plauener
Spitzen und die Kunstseidenausstellung Elberfelder Arbeiten.
Amerika hatte wenig ausgestellt, wußte aber durch um-
fassende Reklame die Aufmerksamkeit auf seine Industrie-
erzeugnisse zu lenken. Baumwollstoffe waren in ansprechen-
den Mustern vorhanden, Wollstoffe dagegen unansehnlich.
Möbelstoffe und Teppiche verstießen erheblich gegen unsern
Geschmack.
ui Die amerikanischen Textiljachschalen sind alle Privat-
unternehmungen, welche Subventionen aus öffentlichen
Mitteln beziehen. Die älteste Schule dieser Art ist in Phila-
delphia. Sie hat Tages- und Abendabteilungen mit 100
bezw. 200 Schülern. Das Schulgeld beträgt 150 bezw.
15 Dollar pro Jahr. In der Folge ist eine ganze Reihe
von Textilschulen entstanden, unter anderen auch eine
Korrespondenzschule für die Textilindustrie — zur brief-
lichen Unterrichtserteilung — die von einem ehemaligen
Direktor einer Textilfachschule mit Unterstützung mehrerer
Assistenten geführt wird und deren Schülerzahl auf über
1000 angewachsen sein soll. Der Verfasser besichtigte
zahlreiche Arbeiten der Textilbranche, Baumwoll-, Woll-,
Seiden- und Teppicharbeiten, Kattundruckereien usw. und
er faßt sein Urteil über dieselben dahin zusammen. Die
Textilfabriken sind nach den in europäischen Betrieben
gesammelten Erfahrungen aufs praktischste eingerichtet.
Die Maschinen und Arbeitsmethoden boten indes nichts
Neues. Amerika liefert die Spinnmaschine noch nicht
selbst, die Arbeiten müssen noch von England und mit
diesen Maschinen versehen werden. Die außergewöhnlich
umfangreichen Absatzgebiete nötigen zu Massenleistungen.
Um die Ausgaben für die hohen Arbeitslöhne auszugleichen,
sucht man durch die Maschine und zweckdienliche Spe-
zialisierung der Arbeit die größtmögliche Leistung zu er-
zielen.
Dr. Pakall, Direktor der Königl. keramischen Fach-
schule zu Bunzlaw, berichtet über die keramischen Erzeug-
nisse auf der Weltausstellung, alsdann über die Fabrikation.
Die in Amerika geübten Arbeitsmethoden sind zumeist aus
England geholt. Unter den amerikanischen Terrakotten
stehen die Erzeugnisse der Rookwood-Pottery in Cincinnati
mit der vorzüglich gelungenen Mattglasur obenan. Die
Terrakotten, wie sie zur Verkleidung der in Eisengerüsten
hergestellten Bauten verwendet werden, bestehen oft aus
kolossalen Werkstücken von 2:3 cm Stärke, die innen durch
gekreuzte Bänder gehalten werden. Die Außenseite ist
aufgerauht. Die Stücke sind vielfach mit ornamentalem
und figürlichem Schmuck versehen. Die bedeutendste Fa-
brik für Bauterrakotten ist die American Terra Cotta and
Ceramic Co. Chicago. Die Sanitaryware, in deren Fabri-
kation Amerika große Fortschritte und England empfindlich
Konkurrenz macht, kann hier übergangen werden. Weit
voran ist Amerika auch in der Glasindustrie, für welche
es vorzügliches Material, namentlich in Pennsylvanien be-
sitzt. Hinsichtlich der Reinheit und Schönheit des Glases
und der Sorgfalt der Bearbeitung wird es schwerlich über-
troffen werden.
Daß von außereuropäischen Staaten China durch sein
Porzellan glänzte und Japan ebensowohl durch die Fülle
als durch die Schönheit seiner keramischen Erzeugnisse
hervorragte, ist bekannt. Weniger bekannt, aber wichtig
für die europäischen Staaten, ist das methodische Vor-
gehen der /apaner in der Schaffung von Fachschulen zur
Hebung ihrer keramischen Industrie. Diese Anstalten sind
mit Werkstätten und Laboratorien aufs Zweckdienlichste
ausgestattet und dazu angetan, Japans keramischer In-
dustrie, die sich europäischem Geschmack anzupassen
sucht, einen weiteren Vorsprung gegenüber der anderen
Staaten zu verschaffen.
»An der Spitze nicht nur der dänischen«, so urteilt
dieser Berichterstatter, »sondern an der ganzen keramischen
Ausstellung, stand auch diesmal wieder die Königl. dä-
nische Porzellanmanufaktar«.. Ihre Arbeiten waren durch-
aus stilgerecht, das heißt Zweck, Technik und Material
entsprechend. Die Formen ließen innige Vertiefung in das
Tier- und Pflanzenleben erkennen und sie wirkten an-
ziehend durch die Einfachheit der Darstellung.
Daß die bekannten Staats - Porzellanmanufakturen
Deutschlands und Frankreichs hervorragend vertreten waren,
bedarf kaum noch der Erwähnung. In bezug auf Porzellan
stand Deutschland an dritter Stelle; in Steinzeug war
Frankreich voran, ihm folgte Japan, dann Deutschland; in
Steingut und Knochenporzellan hatte England den Vorrang,
dann kam Belgien und hierauf Deutschland. In Irden-
waren standen die Vereinigten Staaten in erster Reihe.
Keramische Schulen sind als selbständige Institute nicht
vorhanden, sie sind Hochschulen und Universitäten ange-
schlossen und zwar als Unterabteilungen des Bergfachs
und der Hüttenkunde. Da den Amerikaner die Baukeramik
zunächst interessiert, herrscht unter den Zeichenfächern
das technische Zeichnen vor. Der Unterricht, in welchem
Chemie, Mineralogie und Geologie, auch Bernsteinkunde
wichtige Unterrichtsfächer sind, wird in vierjährigen Kursen
verteilt. Auf die Kenntnis einer oder mehrerer fremden
Sprachen wird besonders Gewicht gelegt, da es von Be-
deutung ist, sich aus wissenschaftlichen Zeitschriften über
alle Neuerungen auf dem Gebiete der Keramik rechtzeitig
zu unterrichten.
Die erste Schule fraglicher Art ist in Columbus (Ohio)
1896 entstanden, die übrigen Institute sind aus neuerer
Zeit. —
Das gesamte Fachschulwesen ist in den Vereinigten
Staaten, wie aus sämtlichen Berichten hervorgeht, ver-
hältnismäßig jung. Dementsprechend sind heute auch die
Leistungen auf diesem Schulgebiete.
Alle Berichterstatter stimmen aber in der Annahme
überein, daß es den Amerikanern gelingen wird, die vor-
handenen Unzulänglichkeiten ihres Schulwesens zu über-
winden und das, was sie jetzt schon europäischen Schulen
voraus haben, noch weiter auszugestalten. Mit ihrem
Unternehmungsgeiste, ihrer Energie und Arbeitsfreudigkeit,
namentlich aber mit ihren großartigen Hilfsmitteln aller
Art werden sie, auf der vorhandenen Grundlage weiter-
bauend, im Unterrichtswesen zweifellos weitgesteckte Ziele,
zum Teil auf ganz neuen Bahnen, zu erreichen wissen.
Daß ein gut ausgebildetes Fachschulwesen seiner Kunst-
industrie eine wirksame Stütze sein wird, davon ist der
Amerikaner abenso sehr überzeugt, wie die Bewohner
europäischer Industriestaaten, und er wird es deshalb an
Aufwendungen für seine Fachschulen, wie für das Schul-
wesen überhaupt, nach den gemachten Wahrnehmungen
zum Nutzen seines Landes nicht fehlen lassen.
Herausgeber und verantwortliche Redaktion: E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13
Druck von Ernst Hedrich Nachf., a. m. b. h., Leipzig