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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 17.1905-1906

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Graul, Richard: Bemerkungen zur dritten deutschen Kunstgewerbeausstellung Dresden 1906
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https://doi.org/10.11588/diglit.4870#0260

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BEMERKUNGEN ZUR 3. DEUTSCHEN KUNSTGEWERBEAUSSTELLUNO DRESDEN 1906 227

interessierte Nachfrage zu konstatieren, so wird darüber
geklagt, daß gerade die stolzen Luxusräume der Mo-
dernen, wie sie uns auf den Ausstellungen gezeigt wer-
den, bei den oberen Tausenden erstaunten Gesichtern be-
gegnen. Diese sich derart äußernde Skepsis entspringt
aber nicht nur einer rückständigen konservativen
Grundanschauung in Fragen des Geschmackes. Keines-
wegs. Vielmehr scheint mir der wahre Grund darin
zu liegen, daß der wirklich vornehme Mann oder
auch schon der hochgradig begüterte in den kunst-
reichen Versuchen unserer Modernen noch nicht die
Ansprüche an elegantem Komfort und gediegenstem
Luxus befriedigt findet, die er aus alter Kultur oder
aus internationalem Verkehr schätzen gelernt hat.
Um das Rokoko und Louis XVI. aus den Schlössern
zu bannen und die Quattrocento- oder Chippendale-
einrichtungen der Nabobs zu ersetzen, bedarf es
eines ganz anderen Einfühlens in die Lebensweise
und Stimmungsbedürfnisse dieser Glücklichen, als
selbst die verwöhntesten unserer Wohnungskünstler
bekunden. In der Einrichtung der Zimmer, in ihrer
Form und namentlich auch in der Farbengebung
vermag ihre Kunst mit den Vorbildern jener älteren
Stilperioden nur selten zu konkurrieren, wenn sie
auch in der Qualität-der Arbeit gleich gutes leisten
mögen.

Ganz auffallend scheint mir die moderne Sucht im
Zusammenspiel der Töne möglichst matte Nuancen
aufzusuchen, als wäre das das Allervornehmste. Man
dekoloriert mit Absicht — ob aus überfeinerter

»Reizsamkeit« oder aus Schwäche des Farbensinnes?
Auf der ganzen Ausstellung ist nichts, das an Heiter-
keit und gesunder Kraft sich messen kann mit den
Dekorationen des Franzosen Maurice Denis in einem
Bibliothekzimmerchen van de Veldes. Daneben scheint
allesauf trübseliges Grau gestimmt oder auf nüchternes
Weiß. Hoffentlich folgt dieser koloristischen Fadheit
nicht der Rückschlag einer koloristischen Biedermeierei,
die mit ihrer verletzenden Buntheit den ganzen wüsten
Naturalismus der fünfziger Jahre des vorigen Jahr-
hunderts heraufbeschwören würde!

Davor bewahre uns das bischen gesunder Men-
schenverstand, dem oft so kleinlaut unter dem Sprüh-
regen neuester künstlerischer Eindrücke in der Dres-
dener Kunstgewerbeausstellung zumute geworden ist.

Welcher Aufwand! Welche Anstrengungen und
bei so vielen, die sich bemüht haben, welche Un-
eigennützigkeit und freudige Aufopferung zum Ge-
lingen des Ganzen! Mögen sie draußen als Bund,
Gesellschaft und Sezessionen einander in die Haare
fahren, hier in Dresden haben sich die Künstler
vertragen, haben sich alle in den Dienst einer großen
und schönen Aufgabe gestellt. Und sie haben durch
dieses Zusammenfassen der wesentlichen werktätigen
Kräfte gezeigt, daß die moderne dekorative Bewe-
gung nicht nur im Umfang, sondern auch in der
Zielsicherheit gewachsen ist. Die Freudigkeit und
der Ernst, mit dem Künstler und Handwerker bei
der Arbeit sind, wird ohne Zweifel das Erreichte
zu weiteren Erfolgen führen.

Gruppe Nordamerika. Von Hösel in Meißen. Kgl. Porzellanmanufaktur Meißen

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