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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 17.1905-1906

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Lessing, Julius: Zwei Ausstellungen alter Kunstwerke in Belgien 1905
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https://doi.org/10.11588/diglit.4870#0015

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ZWEI AUSSTELLUNGEN ALTER KUNSTWERKE IN BELGIEN 1905

Wirker nur eine Hausmarke. Die Ausstellung führt
uns gewissenhaft bis zum Schluß dieser Kunst im
18. Jahrhundert, als man nur noch Landschaften,
Gärten mit etwas Blumen und buntem Getier wirkte,
die bekannten Verdures, die einen so herrlichen Hinter-
grund für intimes Mobiliar bilden. Für große figu-
rale Werke hatten die Niederlande den Pariser
Gobelins weichen müssen und ahmten nur gelegent-
lich die dort geschaffenen Werke von Lebrun und
Genossen nach. Auch hierhin führt uns die Aus-
stellung von Brüssel, sie lehrt uns auch, wie im
17. und 18. Jahrhundert in dem Bemühen, es den
Gemälden möglichst gleich zu tun, die alte kräftige
Einfachheit der Farben zugrunde ging. Ebenso
wie in Paris, bemüht man sich jetzt in Brüssel, von
der überreichen Skala von Farben, die in ihrer Licht-
beständigkeit unsicher, zum mindesten ungleich sind,
wieder zu der knappen Zahl des 15.— 16. Jahrhunderts
zurückzukehren; die jetzt in Brüssel im Betrieb vor-
geführte Wirkschule von Heverle-Ies-Louvain braucht
für große Figurenbilder nicht mehr als zehn Wollen.

Neben dieser sehr verdienstlichen Entfaltung der
Wandteppiche bietet Brüssel in den anderen Gruppen
nur Bescheidenes, das Beste noch in den holz-
geschnitzten Altarwerken, mit welchen um 1500 die
Niederlande ganz Deutschland und selbst die süd-
lichen Länder versorgten. Hierfür haben die kleineren
flandrischen Städte mancherlei hergegeben, was man
sonst nur schwer zusammenfindet, aber die besten
Stücke entstammen doch den Brüsseler Sammlungen.

Die Metallarbeiten sind an Zahl gering, wir sehen
wieder den herrlichen, fast sechs Meter hohen Oster-
leuchter der Kirche von Leau, einen Messingguß,
den wir den Werkstätten von Dinand zurechnen
würden, der aber nachweislich 1483 in Brüssel ent-
standen ist; der Dom von Köln hat das köstliche
Epitaph des Jacques de Croy hergegeben, von den
Porträtstatuetten des Rathauses von Amsterdam sind
zwei vorhanden, dann noch einige Schützenketten
und Abzeichen, im ganzen nur wenig. Die Samm-
lung von Brüsseler Fayencen des 18. Jahrhunderts
ist gemischt, im ganzen unbedeutend. Damit ist es
mit der art Bruxellois zu Ende. Im wesentlichen
also nur eine Ausstellung von Wandteppichen, nicht
entfernt so gründlich wie die Ausstellung der Ge-
mälde in Brügge 1903, aber immerhin erfreulich und
lehrhaft.

Liittich. Die Ausstellung alter Kunstwerke, deren
Katalog gegen Ende August leider noch nicht er-
schienen war, macht einen recht gefälligen Eindruck,
ist auf keinem Gebiete erschöpfend, aber bringt doch
allerlei Sehenswertes. Man hat im schönsten Teil der
Ausstellung neben dem Kunstpalast ein hübsches Ge-
bäude in altflandrischer Art errichtet und alles über-
sichtlich aufgestellt. In der Hauptachse eine hohe Halle,
die an Kirchenbauten anklingt, mit meist kirchlichen
Gegenständen, zu beiden Seiten Reihen von Zimmern
und Kabinetten, annähernd wie Wohnräume angelegt.

Die Ausstellung ist nicht, wie es sonst leicht ge-
schieht, mit bedenklicher Ware unbedenklicher Privat-
sammler belastet, sondern zumeist aus Kirchen und

öffentlichem Besitz zusammengestellt. Bemerkenswert
ist, daß man nicht, wie sonst in Belgien, den Haupt-
nachdruck auf das Mittelalter gelegt hat, sondern daß
zumeist das Barock und die Folgezeit zu Worte
kommen. Dies gilt selbst von der kirchlichen Ab-
teilung. In das frühe Mittelalter führen uns nur
wenige Stücke, darunter allerdings die ausgezeichneten,
freilich schon öfters ausgestellten Schätze der Nonnen
von Namur. Sehr erfreulich sind die zahlreichen
Betpulte aus Messingguß, die Arbeiten von Dinand
und vielerlei Gerät aus Messing getrieben in den aus
Friesland bekannten Typen. Das Hauptstück ist die
bekannte Figurengruppe Karls des Kühnen mit seinem
Schutzheiligen, in purem Golde ausgeführt. Der
biedere König hatte im Zorn einen Geistlichen am
Altar erschlagen und fühlte sich zu einer so kost-
spieligen Sühne an die Kirche veranlaßt. Die pein-
lich genaue Ausführung der beiden Figuren mit allen
Einzelheiten der Rüstung und Gewandung macht die
Gruppe zu einem reizenden Dokument der Zeit. Die
großen Reliquienschreine von Nivelles und anderen
Orten verdienen höchste Beachtung. Die Emails von
Stavelot werden ergänzend in die Studien der Düssel-
dorfer Ausstellung eingreifen. In großer Zahl finden
wir das Kirchengerät des 16.-—17. Jahrhunderts und
es ist lehrreich zu sehen, wie die Grundformen der
gotischen Monstranzen usw. sich unter allem Gekringel
des Barockstils fest erhalten haben. Allerdings ist im
einzelnen nichts Hervorragendes; an Enthüllungen, wie
sie uns die Ausstellung von Münster mit den Werken
des Eisenhoidt brachte, darf man nicht denken. In
den Zimmerreihen ist manches spätmittelalterliche
Möbel, auch Figuren und Altärchen, von Reiz, aber
auch hier keine Überraschungen. Auch das 17. Jahr-
hundert bewegt sich in bekannten Formen. Erst das
18. Jahrhundert zeigt sich in besonderer Art: wir sind
im Kreise des wohlbekannten meuble liegois. Es ist
merkwürdig, wie sich in Lüttich dieser besondere
Typus hat entwickeln können. Natürlich war auch
Lüttich, wie das ganze übrige Europa, abhängig von
der Stilbildung, die sich in Paris vollzog, und man
wird auch in Lüttich von den Formen Louis XV.,
Louis XVI. usw. sprechen. Aber innerhalb dieser
Ornamenltypen behält Lüttich doch seine Eigenart.
Die Möbel sind fast durchweg von Eichenholz, nicht
furniert oder vergoldet, auch nicht mit Bronzen be-
schlagen, sondern derb und einfach in der Er-
scheinung, vorzüglich und rein sachgemäß, dem Ge-
brauchszweck entsprechend, aufgebaut, ohne irgend-
welche architektonische Anmaßungen und auch ohne
kokette Schweifung; das Rokoko mit seinen ge-
schwungenen Linien ist an dem Körper der Möbel
fast spurlos vorbeigegangen und hat höchstens die
Form einzelner Ornamente beeinflußt Alle diese
Ornamente sind aus dem Grund des Holzes ge-
schnitzt, ganz flach, so daß sie die Hauptlinien in
keiner Weise stören. Die eigentümliche Seßhaftigkeit
des Geschmacks kommt auch darin zum Ausdruck,
daß man in der Mitte des 18. Jahrhunderts, als die
Glasschränke Mode wurden, die alten halbhohen
Kredenzschränke beibehielt und mit verglasten Auf-
 
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