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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 26.1983

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Nr. 3
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Burnikel, Walter: Latein für Eltern?
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https://doi.org/10.11588/diglit.33083#0070

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Latein für Eltern?
Unter diesem Titel (aber ohne das Fragezeichen) fand im Herbst 1982 am
Gymnasium Wendalinum in St. Wendel/Saar eine Veranstaltungsreihe statt,
deren Ziel es war, eine „Einführung in Sprache und Kultur des antiken Rom“
zu geben (so der Untertitel). Eingeladen waren die Eltern der eben angemelde-
ten Sextaner, unabhängig davon, ob sie Latein oder Französisch als 1. Fremd-
sprache gewählt hatten. Durch diese Offenheit wurde der Eindruck vermieden,
die Teilnehmer sollten zu Nachhilfelehrern für ihre Kinder herangebildet wer-
den — weil „Latein so schwer“ sei. Vielmehr war beabsichtigt, das unbefangene
Interesse der Eltern an dem zu wecken, was ihre Kinder in der Schule treiben.
(Es ist ja im Bewußtsein der Eltern viel zu wenig verankert, daß sie ihr ursprüng-
liches Erziehungs- und Ausbildungsrecht sehr weitgehend an den Staat und
seine Lehrer delegiert und daher einen legitimen Anspruch haben, Einblick zu
nehmen.) Zu diesem Zweck eignet sich das Fach besonders gut, das als gymna-
siumspezifisch gilt und von dem aus der Grundschule vertrauten Unterrichts-
rahmen am weitesten entfernt ist, weil es einer fremden Kultur zugeordnet ist:
das Latein.
Ein Experiment und ein Wagnis zugleich wurde damit unternommen, denn
es gibt weder Curricula dafür noch war sicher, ob es — wenn es überhaupt zu-
stande käme — nicht mangels Masse einen unrühmlichen Tod durch Schwind-
sucht sterben würde. Es war wohl der Reiz des Neuen, der in den ersten 2—3
der vorgesehenen 10 Sitzungen für starken Besuch sorgte: gut 25 Teilnehmer
(die Basis: 2 Latein- und 1 Französischklasse zu je 22 Schülern). Zum Reiz des
Neuen gehörte sicher auch das Gefühl, abends dort zu sein, wo die Kinder mor-
gens sitzen: auf den Schulbänken. Andererseits war zu erwarten, daß gewisse
lästige Umstände rasch für ein kräftiges drop out sorgen würden: Woche für
Woche nach getaner Arbeit in die Kreisstadt zu reisen (die meisten Teilnehmer
hatten 5—15 km Anfahrtsweg), um nach so vielen Jahren für eine Stunde wie-
der Schüler zu sein — dazu gehört mehr als ein bloß allgemeines Interesse. Das
Unerwartete geschah, in doppelter Hinsicht: Zum einen pendelte sich die Teil-
nehmerzahl auf 20 ein und blieb konstant so bis zum Ende. Zum anderen er-
gab sich, daß nur 3 Kursmitglieder irgend wann einmal in ihrer Schulzeit dem
Lateinischen begegnet waren; die anderen standen der Sache so unvorbereitet
gegenüber wie ihre Kinder (übrigens waren die Kinder von 3 Teilnehmern Fran-
zösisch-Wähler).
Kann man in 10 x 60 Minuten eine „Einführung in Sprache und Kultur des
antiken Rom“ geben? Man kann natürlich nicht. Besonders was ,Sprache1 an-
geht, zeigte sich rasch, daß über einen schmalen Bestand von Grundkenntnissen
oder besser -Vorstellungen nicht hinauszukommen war. Ich war es am Ende zu-
frieden, daß die Eltern mit folgenden Dingen halbwegs vertraut waren:
a) Aussprache und Betonung lateinischer Wörter.
b) einige Grundbegriffe der Morphologie: Genera, Numeri, Kasus, Personen;
Konjugation und Deklination; die wichtigsten Wortarten

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