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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 26.1983

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Nr. 3
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Buchbesprechungen
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Merklin, Harald: [Rezension von: Walter Wimmel, Die Kultur holt uns ein. Die Bedeutung der Textualität für das geschichtliche Werden]
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Zeitschriftenschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.33083#0077

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weg aus der Krise suchen läßt. Auskunft und Wegweisung erwartet man sich dabei vor-
wiegend von der Wissenschaft und hier besonders von den Natur- und Gesellschaftswissen-
schaften, die den Markt denn auch mit einer Flut einschlägiger Schriften überschwemmen.
Daß eine Antwort auf die drängenden Fragen der Zeit auch aus einer ganz anderen Rich-
tung gegeben oder zumindest versucht werden kann, zeigt das Buch, das hier anzuzeigen
ist und das in mehrfacher Hinsicht überrascht.
Sein Titel signalisiert dem geneigten Leser mit einer vielleicht etwas reißerisch wirken-
den Formulierung, daß unsere Misere nicht durch Abwehr äußerer Gefahren zu meistern,
sondern aus einem Punkt zu kurieren ist, der die Grundlagen unserer geistigen Existenz
betrifft. Der Autor ist Altphilologe, Inhaber des latinistischen Lehrstuhls der Universität
Marburg und Verfasser ebenso profunder wie subtiler Analysen antiker, besonders helle-
nistischer und römischer, Poesie. Sein Thema ist die Entwicklung einer Kulturtheorie, nach
der sich wesentliche Gesetzmäßigkeiten der geschichtlichen Entwicklung aus der Voraus-
setzung der Schriftlichkeit ergeben. Ihre Fähigkeit, geistige Inhalte durch Fixierung dauer-
haft verfügbar, über beliebige räumliche und zeitliche Distanz mitteilbar und vergleichbar
zu machen, mißt Wimmel eine universale, die gesamte, kulturelle Entwicklung prägende
Bedeutung bei, für die er den Begriff der „Textualität“ verwendet. Ihre Bedeutung erkennt
der Verfasser darin, daß sie in signifikanten Vcrlaufsformen zu einer stufenweisen Auswei-
tung, Differenzierung und Steigerung des schriftlich und textlich Fixierten führe. Diese
Entwicklung erzeuge ein charakteristisches Spannungsverhältnis, da das einmal Fixierte
und damit dauerhaft Verfügbare durch das Bedürfnis nach Variation und Neuerung zu im-
mer stärkerer Ausweitung und Komplexität, zugleich aber zu einer unvermeidlichen Ent-
fernung von seinen Ursprüngen und zu ihrer Verfälschung führe. Diese doppelte Spannung
begreift Wimmel als Voraussetzung eines Impulses, der auf Reduktion, also Rückführung,
in einem doppelten Sinne ziele. Einmal ergebe sich das Bedürfnis nach Reduzierung des
Ausgeweiteten, Aufgeblähten auf überschaubare Dimensionen und Formen, nach Konzen-
tration auf Wesentliches, zum andern dränge die irritierende Empfindung der Loslösung
von den Grundlagen und Ursprüngen zu einer Rückführung des erreichten Entwicklungs-
standes durch die einander überlagernden Schichten der kulturellen Entwicklung hindurch
zurück zu den Anfängen. Das klassische Modell einer solchen Reduktion erkennt der Ver-
fasser, an eigene grundlegende Arbeiten anknüpfend, in der alexandrinischen Literatur und
ihrer theoretischen Begründung, besonders im Werk des Kallimachos. Hier also soll das
Vorbild für die Bewältigung unserer eigenen Krise bereitstehen.
Kallimachos als Weltmodell - die These mag manchem Leser überraschend, ja überzo-
gen scheinen. In der Tat hängt die Überzeugungskraft dieses Ansatzes von der Tragfähig-
keit der Voraussetzung ab, die der Autor eher beiläufig mit den Worten bezeichnet, daß
„der größere Rahmen, innerhalb dessen die Lösungen (sc. der »gegenwärtigen Krise) zu
suchen sind, durch Schriftlichkeit und Literatur gebildet wird“ (S. 152). Hier mag sich
jeder Leser sein eigenes Urteil bilden. Er wird jedoch, wie immer das Ergebnis lautet,
einem Buch begegnen, das durch seine Vielseitigkeit, Aktualität und Originalität eine Fül-
le wertvoller Einsichten vermittelt.
Dr. Harald Merklin, Freiburg/Br.

Zeitschrift enschau
A. Fachwissenschaft
Die Fülle der anzuzeigenden Vergil- und Livius-Arbeiten läßt es bei den ersten drei Bän-
den angezeigt erscheinen, auf Seitenangaben zu verzichten.
Gymnasium 90, 1983, H. 1/2: V(ergil). W. Schmitthenner, Die Zeit V.s; E.
Lefevre, V. propheta retroversus; H. Strasburger, V. & Augustus; E. Schäfer,
Die Wende zur August. Lit.; G. Binder, Lied der Parzen zur Geburt Octavians;

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