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Meier-Graefe, Julius
Pyramide und Tempel: Notizen während einer Reise nach Ägypten, Palästina, Griechenland und Stambul — Berlin, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.27195#0042
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DIE PYRAMIDEN

miden gibt es ein rosa angestrichenes Häuschen. Ebenso-
gut könnte sie mir eine hübsche Krawatte vorführen. Die
Wüste scheint ihren Blick nicht sonderlich zu weiten.

— „Sieh doch nur!“ sagt Babuschka. „Da, gerade zwischen
den beiden braunen, links von den drei großen Palmen!“

— „Schön!“ sage ich, ohne mich zu rühren. Aber sie
gibt nicht Buhe. Jeder will ein Patent auf seinen Effekt
haben. Ü brigens wirkt das bißchen Bosa tatsächlich sehr nett.

Wir kommen am Torbau des Chefren vorbei und sehen
hinunter. Enorme viereckige Balken aus Granit auf rie-
sigen ungegliederten Pfeilern. Kein Kapitäl, kein Schmuck,
nicht die geringste Wellung, nur das Material sachlich
und ernst. Früher muß das spiegelglatt gewesen sein wie
der Tresor einer Bank. In den Gängen vor den Pfeilern
standen Steinbilder des Chefren in Lebensgröße, die jetzt
im Museum sein sollen.

Babuschka ruft.

— „Sieh mal den Mokattam! Da geht’s los!“ —

Der Mokattam lieferte den Kalkstein für die Pyramiden.
Wir sind letzten Sonntag mit dem alten Kennebaum oben
gewesen. Für die Cheops wurden bald zwei und eine halbe
Million Steinblöcke gebraucht, von denen jeder viele Zent-
ner wog. Zwanzig Jahre lang hatten hunderttausend Ar-
beiter mit der einen Pyramide zu tun.

Ich kann nicht wegsehen. Es ist übrigens doch bemer-
kenswert, wieviel das Mosaik der gewürfelten Quader,
das Spiel der Ockertöne von Lehm zu Gold vor dem blauen
Fond, den Pyramiden hinzufügt. Ungeheure Felder gelber
Ackerfurchen steigen zum Himmel empor.

— „Du, der Mokattam!“ —

Drüben wogt der ganze Höhenzug. Aus dem Stein ist
flimmerndes Glas geworden. Eine ganze Stadt auf Wällen
aus Glasv mit Glaspalästen, gläsernen Kuppeln. In zahl-
losen Fenstern jubelt das Bunt. Kristalle tanzen in den
Lüften. Man strengt das Ohr an, um Klänge zu vernehmen.

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