Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Vogtherr, Thomas; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Reichsabteien der Benediktiner und das Königtum im hohen Mittelalter: (900 - 1125) — Mittelalter-Forschungen, Band 5: Stuttgart, 2000

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30326#0021

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Zur Entwicklung des Forschungsstandes

9

Im siebten Band seiner »Deutschen Verfassungsgeschichte« (1876)^ brachte Ge-
org Waitz gewisse Modifikationen am Bild Fickers an, freilich ohne mit diesen Um-
interpretationen weitgehend identischer Quellen den Kern des Rechtsverhältnisses
der Reichsabteien zu berühren. Vielmehr bestritt er vor allem die Identität des
Rechtsverhältnisses der Bistümer und der Reichsklöster zu den Königen: Von einem
Eigentumsrecht des Königs auch an den Bistümern könne im Unterschied zu den
Abteien keine Rede sein. Vielmehr müsse man vom Eigentumsrechte des Königs ge-
genüber den Reichsabteien ein bloßes Aufsichts- und Hoheitsrecht staatsrechtlicher
Flerkunft gegenüber den Bistümern deutlich trennen.
Mit den Arbeiten dieser beiden Gelehrten war für lange Zeit die Grundlage jeg-
licher Beschäftigung mit der Geschichte der Reichskirche im hohen Mittelalter ge-
legt. Präzisierungen weitgehender Natur erfuhren die Feststellungen Fickers erst
durch die umfassenden Forschungen von Ulrich Stutz, Hans Erich Feine und ande-
ren zum Eigenkirchenwesen des frühen und hohen Mittelalters. Hatte schon Ficker
die Eingriffe der Könige in das Geschick der benediktinischen Reichsabteien und
das Verfügungsrecht jedes beliebigen Eigenkirchenherrn über seine Eigenkirche
parallelisiert, so wurde die nahezu völlige Identität beider Rechtsverhältnisse nun
vollends deutlich. Die Bestellung des Vorstehers und seine Besoldung, die Ver-
pflichtung zur Erhaltung der Institution und zur Verbesserung ihres inneren Zu-
standes, schließlich aber auch und vor allem die Berechtigung zum Nießbrauch der
Klöster und ihrer Einkünfte für die Zwecke der Ausübung königlicher Herrschaft:
Dies alles stand den hochmittelalterlichen Herrschern als den Eigenkirchenherren
der Reichsabteien solange zu, bis das Eigenkirchenwesen - ausgelöst durch die De-
batten des Investiturstreites - dem kanonischen Verbot anheimfiel. Daß auch nach
dem definitiven Verbot durch das Dritte Laterankonzil 1179 weiter eigenkirchen-
rechtliche Reste im Verhältnis der Reichsabteien zu den Staufern festzustellen sind,
ändert an der prinzipiellen Neubewertung ihres Verhältnisses zu den Reichsabteien
seit dem Investiturstreit im Grundsatz nichts.
Auf den Ergebnissen der Forschungen von Waitz und Ficker, die im übrigen
noch vor dem Erscheinen des ersten Diplomatabandes der Monumenta Germaniae
Historica vollendet waren, konnten nun monographische Detailstudien aufbauen,
die freilich wegen des vielfach unzureichenden Editionsstandes massive Lücken bei
der Quellenaufarbeitung enthielten und nur in seltenen Sonderfällen heute noch be-
achtet werden müssen. Eine dieser Ausnahmen stellt die Göttinger Dissertation von
Georg Matthäi über »Die Klosterpolitik Heinrichs II.« (1877) aus der Schule von Carl
Wilhelm Nitzsch dar. Es gelang Matthäi in seiner Arbeit, ein über weite Strecken bis
heute gültiges Bild des Verhältnisses des letzten Ottonen zu den Reichsklöstern vor-
zulegen, wenn man von der Tatsache einmal absieht, daß er den Gesichtspunkt der
klösterlichen Reformen nur marginal berührte und damit eines der wesentlichen
Forschungsfelder kommender Jahrzehnte außer acht ließ. Für den Bereich der
Rechtsbeziehungen Heinrichs II. vor allem zu den Reichsklöstern - implizit natür-
lich auch zu seiner eigenen Bistumsgründung Bamberg, die mit vielen Reichsab-
teien ausgestattet wurde - ist sein Werk bis heute hilfreich und wurde erst 1951
durch Theodor Schieffers großen Aufsatz »Heinrich II. und Konrad II.« revidiert.

2 WAITZ, Verfassungsgeschichte, Bd. 7, S. 185-301.
 
Annotationen