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Frieling, Kirsten O.; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Sehen und gesehen werden: Kleidung an Fürstenhöfen an der Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit (ca. 1450 - 1530) — Mittelalter-Forschungen, Band 41: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34757#0015

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1. Einleitung

dung in der deutschen Geschichtswissenschaft zwischenzeitlich kaum mehr Be-
achtung gefunden. Zum Gegenstand historischer Forschung ist sie zunehmend
erst wieder seit den 1980er/1990er Jahren geworden, wobei nun - vor allem im An-
schluß an die soziologischen bzw. philosophischen Arbeiten von René König und
Roland Barthes17 - die Zeichenhaftigkeit von Kleidung verstärkt ins Blickfeld ge-
rückt ist.18 Wichtige Impulse gingen dabei insbesondere vom Österreichischen In-
stitut für mittelalterliche Realienkunde in Krems19 und vom Historikertag 1990 aus,
auf dem eine einschlägige Sektion die sozialhistorische Relevanz von Kleidungs-
praktiken eindrücklich unter Beweis gestellt hat.20 Neue Maßstäbe hat hier nun Jan
Keupp gesetzt, der in seiner jüngst publizierten Habilitationsschrift das Span-
nungsverhältnis von Individualität und Konformität in der mittelalterlichen Be-
kleidungspraxis neu vermessen und die Bedingungen und Möglichkeiten für die
vestimentäre Selbst- und Fremdverortung des Einzelnen in der mittelalterlichen
Gesellschaft umsichtig ausgelotet hat.21
Im Rahmen dieser neueren geschichtswissenschaftlichen Kleidungsfor-
schung, die in der Regel eher einem sozialhistorischen Ansatz verpflichtet ist, ha-
ben sich die Untersuchungen zur spätmittelalterlichen Geschichte bis vor kurzem
vorwiegend auf Städte konzentriert, wohingegen der Hof weitgehend ausgespart
blieb. Zwar gehört die zentrale Rolle von Kleidung für die fürstliche Repräsentation
und die Kennzeichnung sozialer Unterschiede längst auch zu den Gewißheiten der
deutschen Hofforschung zum Spätmittelalter und wird in zahlreichen Arbeiten -
insbesondere zur höfischen Festkultur und zur Hofhaltung - mehr oder weniger
beiläufig ausgeführt22; gleichwohl ist Kleidung bei Hofe nur vereinzelt eingehender
betrachtet worden.23 Untersuchungen zu städtischer Kleidung im Kontext von Klei-

Mertens, Der Mensch und seine Kleider, 2000; Lehnart, Kleidung und Waffen der Spätgotik,
2000; Krause, Lenning, Kleine Kostümkunde, 1995; Loschek, Mode- und Kostümlexikon, 1994.
Die Kontinuität der Beschäftigung mit historischer Kleidung vom 19. Jahrhundert bis heute
zeigt die Zeitschrift Waffen- und Kostümkunde. Eine hervorragende Standortbestimmung
des Faches Kleidungs- und Textilgeschichte unternimmt Taylor, The Study Of Dress History,
2002, konzentriert auf die englische und amerikanische Forschung. Siehe auch die Sammelre-
zension von George, Textiles du Moyen Age, 1990, mit Literaturhinweisen zur Erforschung,
Konservierung und Restaurierung erhaltener mittelalterliche Textilien.
17 König, Menschheit auf dem Laufsteg, 1999; Barthes, Die Sprache der Mode, 1985.
18 Gleiches gilt für die germanistische Mediävistik. Siehe etwa Raudszus, Die Zeichensprache
der Kleidung, 1985; Brüggen, Kleidung und Mode in der höfischen Epik, 1989; Dies., Kleidung
im Mittelalter, 1991; Brückner, Kleidung, Verkleidung und Autorenschaft, 2008.
19 Verwiesen sei hier besonders auf die zahlreichen, im Umkreis des Instituts entstandenen Ar-
beiten von Harry Kühnei, Elisabeth Vavra, Helmut Hundsbichler und Gerhard Jaritz.
20 Bulst, Jütte (Hrsg.), Zwischen Sein und Schein, 1993.
21 Keupp, Die Wahl des Gewandes, 2010; eher an ein interessiertes Laienpublikum gerichtet auch
Keupp, Mode im Mittelalter, 2011.
22 Willkürlich herausgegriffen aus den vielen Arbeiten, in denen sich Bemerkungen oder Passa-
gen zur Hofkleidung finden, seien Schirmer, Die Hochzeit Georgs des Bärtigen, 2002, S. 190-
191; Bojcov, Der diskrete Charme der Herrschaft, 1997, S. 43-47; Kasten, Residenzen und Hof-
haltung, 1995, S. 48-49; Spieß, Kommunikationsformen im Hochadel, 2001, S. 266, S. 275.
23 Und das, obwohl in den letzten zwanzig Jahren das wissenschaftliche Interesse an spätmittel-
alterlichen Höfen - sei es aus historischer, kunsthistorischer oder literaturwissenschaftlicher
Perspektive - massiv angeschwollen ist und inzwischen die verschiedensten Aspekte höfisch-
adeligen Lebens beleuchtet worden sind. Vgl. Spieß, Fürsten und Höfe im Mittelalter, 2008.
 
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