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Frieling, Kirsten O.; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Sehen und gesehen werden: Kleidung an Fürstenhöfen an der Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit (ca. 1450 - 1530) — Mittelalter-Forschungen, Band 41: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34757#0118

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2.2 Vom Stoff zum Gewand: Die Anfertigung von Kleidung

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scher, zeitlicher und finanzieller Aufwand, weil die handwerkliche Qualität eines
Gewandes für dessen Distinktionswert genauso relevant war wie die Qualität der
in ihm verarbeiteten Materialien.
Obwohl die Anfertigung von Kleidung vorwiegend in den Händen von Hand-
werkern lag, griffen die Reichsfürstinnen gelegentlich selbst zu Nadel und Faden,
um Gewänder zu fabrizieren. Auf eine solide, gründliche und sorgfältige Ausfüh-
rung ihrer Näharbeiten richteten sie vermutlich ebenso großes Augenmerk wie die
Handwerker; doch im Vergleich zu professionell hergestellten Gewändern kam es
bei selbstgemachten Kleidungsstücken, wie an anderer Stelle auszuführen sein
wird, sicherlich weniger auf eine hervorragende, fachgerechte Verrichtung und
mehr auf das mit ihnen verknüpfte emotionale Moment an.611
Im folgenden wird der Herstellungsprozeß von Kleidung nachgezeichnet, wo-
bei der professionelle Vorgang im Vordergrund steht. Da das Nähen von Fürstin-
nenhand als Alternative bestand, findet im Anschluß daran aber auch die Ferti-
gung von Kleidungsstücken durch die Fürstinnen Berücksichtigung.

2.2.1 Design
Bevor ein Fürst seinen Schneider mit der Anfertigung eines Gewandes beauftragen
konnte, mußte zunächst einmal festgelegt werden, wie es aussehen sollte - welche
Farben und welchen Schnitt es haben, aus welchen Stoffen, Pelzen oder Leder es
genäht, ob bzw. wie es mit Stickereien, Goldschmiedearbeiten, Schnüren, Schleifen
oder Federn verziert werden sollte. Für Entwürfe von Stoffmustern, Stickereien
und Gewändern zeichneten damals häufig Künstler verantwortlich. An den Höfen
in Flandern, Berry und Burgund ersannen bedeutende Künstler wie Jan van Eyck
oder Rogier van der Weyden Turnierkostüme, Waffenröcke und Meßornate.612 Aus
dem Umkreis Rogier van der Weydens sind gezeichnete Skizzen für Stickereien
erhalten geblieben.613 Auch an italienischen Höfen gestalteten bekannte Künstler
Textilien. So entwarf Leonardo da Vinci anläßlich der Hochzeit Lodovicos il Moro
mit Beatrice d'Este 1491 in Mailand Waffenröcke und Pferdedecken, die für ein im
Rahmen der Feierlichkeiten abgehaltenes Turnier benötigt wurden, und beaufsich-
tigte anschließend deren Anfertigung.614 Wie ihre französischen und italienischen
Standesgenossen betrauten auch die Reichsfürsten berühmte Künstler mit dem
Entwurf von Gewändern und Stickereien. In der Albertina in Wien befinden sich
drei von Albrecht Dürer angefertigte Hofgewand-Skizzen aus der Zeit um 1515 für
den Hof Maximilians I.615 Des weiteren wurde der Mailänder Künstler Ambrogio de
Prédis von Maximilian um die Jahrhundertwende wiederholt mit der Gestaltung

611 Siehe unten S. 133-134.
612 Vgl. Huizinga, Herbst des Mittelalters, 1924, S. 347-348; Cartellieri, Am Hofe der Herzoge von
Burgund, 1926, S. 72, S. 228; Wilckens, Die textilen Künste, 1991, S. 236. Nach Cartellieri, Am
Hofe der Herzoge von Burgund, 1926, S. 72, entwarfen die Maler die Wappenröcke nicht nur,
sondern fertigten sie auch an. Zu Wappenröcken siehe unten S. 142-143.
613 Wilckens, Die textilen Künste, 1991, S. 259.
614 Vgl. die Notiz von August Groß in der Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde
N. F. 1 (1923-1925), S. 28.
615 Ausstellung Maximilian I., hrsg. von Egg, 1969, Nr. 336, S. 89.
 
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